Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
M 149/2005 ERZ | 17. August 2005 48C |
2613 | FDP (Stalder, Bern) | |
Weitere Unterschriften: 24 | Eingereicht am: 13.06.2005 |
Rechtschreibreform: Einführung unverzüglich stoppen!
Der Regierungsrat wird aufgefordert,
- auf die Einführung der Rechtschreibreform im Kanton Bern per 1. August 2005 zu verzichten;
- insbesondere zu verhindern, dass teure Sprachlexika angeschafft werden, welche auf der Rechtschreibreform von 1996 basieren;
- bei der Schweizerischen Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK) im gleichen Sinne vorstellig zu werden, um im gesamten deutschschweizerischen Sprachraum eine übereilte Einführung der Rechtschreibreform zu verhindern.
Begründung
- Die in den 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts vorangetriebene Rechtschreibreform sollte nach dem Willen der zuständigen politischen Gremien auf den 1. August 2005, also in weniger als zwei Monaten, in Kraft gesetzt werden. Das würde bedeuten, dass ab diesem Zeitpunkt herkömmliche Schreibweisen, die nicht mit dem Reformwerk übereinstimmen, von den Lehrkräften als falsch beurteilt und entsprechen korrigiert und benotet werden müssten.
- Nachdem dem Reformwerk namentlich in den letzen drei Jahren begründete Kritik erwachsen ist – insbesondere in den Bereichen Gross- und Kleinschreibung, Getrennt- und Zusammenschreibung – und nachdem zusätzlich zu massgebenden Schriftstellerinnen und Schriftstellern des deutschsprachigen Raumes wichtige Verlage und Zeitungen beschlossen haben, die Reform abzulehnen und die bisherige Schreibung beizubehalten, ist im Nachhinein – spät, aber nicht zu spät – ein breit abgestützter Rat für Rechtsschreibung eingesetzt worden mit dem Auftrag, die Rechtsschreibreform kritisch zu überprüfen. Die Schweiz ist in diesem Rat vertreten.
- Vor zehn Tagen hat der Rat für Rechtsschreibung eine revidierte Fassung der Regeln zur Getrennt- und Zusammenschreibung verabschiedet. Insbesondere dürfen zusammengesetzte Wörter mit einem Verb am Schluss wieder als ein Wort geschrieben werden (also z.B. zusammengesetzt statt zusammen gesetzt). Einer der ärgsten und ärgerlichsten Schnitzer der Rechtschreibreform wird damit wieder korrigiert. Weitere strittige Punkte der Reform werden im Laufe der nächsten Monate durch Ausschüsse des genannten Rates ebenfalls überprüft, und es ist zu erwarten, dass etliche bisher geltende, bewährte Regeln wieder in Kraft gesetzt werden.
- Bei diesem Stand der Dinge wäre es widersinnig und nicht zu verantworten, die Rechtschreibreform auf den 1. August 2005 in Kraft zu setzen. Ebenso ist auf eine teilweise Inkraftsetzung zu verzichten, so lange noch nicht klar ist, welche Teile der Reform rückgängig gemacht werden. Staatspolitische Klugheit und Aspekte der Rechtssicherheit gebieten zwingend, mit der Einführung neuer Regelungen zuzuwarten, bis Klarheit über den Umfang der Reform besteht.
Es wird Dringlichkeit verlangt. Gewährt: 20.06.2005
Antwort des Regierungsrates
Auf den 1.8.1998 ist die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung in Kraft getreten. Die Erziehungsdirektion des Kantons Bern hat den Schulen die entsprechenden Bestimmungen in der Publikation im Amtlichen Schulblatt im Juni 1998 mitgeteilt. Die Bestimmungen stützten sich auf eine internationale Vereinbarung und auf entsprechende Empfehlungen der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren EDK. Während einer Übergangsfrist von 7 Jahren sollten die alten Schreibweisen noch nicht als Fehler bewertetet werden. Diese Übergangsfrist ist nun abgelaufen, so dass ab Schuljahr 2005/06 – gemäss dem erwähnten Beschluss von 1998 – nur noch die neuen Regeln gelten.
In der Schweiz wurde die Rechtschreibreform mehr oder weniger stillschweigend und ohne grössere Schwierigkeiten umgesetzt. Da die Reform vor allem in Deutschland teilweise heftig kritisiert wurde, haben Deutschland, Österreich und die Schweiz den „Rat für deutsche Rechtschreibung“ eingesetzt, der gegenwärtig an Änderungsvorschlägen in einzelnen Bereichen arbeitet. Nach Abschluss dieser Arbeiten müssen die Änderungen in den drei Staaten von den zuständigen Gremien beschlossen werden.
Angesichts dieser Tatsachen hat die Erziehungsdirektion beschlossen, die 1998 festgelegte Einführungsphase zu verlängern, bis die entsprechenden Entscheide gefällt sind. Demnach gelten für die Schulen im Kanton Bern weiterhin die Bestimmungen von 1998, wonach der Unterricht nach den neuen Regeln der Rechtschreibung erfolgt, ohne dass die alten Schreibweisen aber als Fehler bezeichnet werden. Diese Massnahme ist in den Schulen einfach umzusetzen, und künftige Entwicklungen werden dadurch nicht verbaut.
Zu den Forderungen der Motion äussert sich der Regierungsrat wie folgt:
- In Ziffer 1 der Motion wird gefordert, von der definitiven Einführung der Rechschreibreform im Kanton Bern am 01. August 05 abzusehen, die Übergangsfrist zu verlängern und somit die neue Rechtschreibung erst dann vollumfänglich und endgültig in Kraft zu setzen, wenn Lösungen für die umstrittenen Punkte gefunden worden sind. Dieser Forderung ist in der Zwischenzeit stattgegeben worden. Die Erziehungsdirektion musste bereits per 01. August 2005 entscheiden.
- Die Erziehungsdirektion macht keine Vorschriften zur Anschaffung von Sprachlexika. Sie geht davon aus, dass sich die Schulen nach der Einführung der reformierten Rechtschreibung von 1998 bereits mit neuen Sprachlexika ausgerüstet haben und diese in regelmässigen Abständen erneuern.
- Im Rahmen der regelmässigen Kontakte und Konferenzen mit der EDK setzt sich der Kanton Bern für praktikable Modalitäten der Einführung der Neuerungen ein. Die Erziehungsdirektion hat die EDK in einem Schreiben aufgefordert, die Einführungsphase zu verlängern, bis die Entscheide über die Korrektur der Rechtschreibregeln gefällt sind. Da die Rechtschreibreform international ausgehandelt wird, ist der Einfluss eines einzelnen Kantons allerdings gering. Die Erziehungsdirektion wird aber weiterhin darauf achten, dass die Einführung der neuen Rechtschreibung einschliesslich allfälliger künftiger Korrekturen im Kanton Bern sorgfältig geschieht.
Antrag: | Annahme und Abschreibung der Ziffern 1 und 3 Ablehnung von Ziffer 2 |
An den Grossen Rat
original (pdf, www.gr.be.ch)