Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
Dokumentation, ca. 1961
1949 |
12. oktober konferenz der schweizerischen erziehungsdirektoren in Stans. Referate von prof. August Steiger, obmann des "deutschschweizerischen sprachvereins", über grundsätzliche beibehaltung der grosschreibung mit etwelchen lockerungen der heutigen regeln (programm des zürcherischen Duden-ausschusses) und von dr. Erwin Haller, dem vorsitzenden des "bundes für vereinfachte rechtschreibung (bvr)", über die gemässigte kleinschreibung (je 12 minuten).-- Beschluss der konferenz: "Die durch die anhänger der gross- und kleinschreibung aufgestellten tesen werden den kantonalen offiziellen lehrervereinigungen zugestellt mit dem wunsch, bis zum herbst 1950 zum problem der kleinschreibung stellung zu nehmen". Die abstimmung zog sich aber bis in den herbst 1951 hinaus. - Die von prof. Steiger und dr. Haller aufgestellten abstimmungstesen lauteten: 1.) Scheint Ihnen eine vereinfachung der deutschen rechtschreibung im punkte der gross- und kleinschreibung der dingwörter wünschenswert? 2.) Falls eine vereinfachung beschlossen werden sollte, sind Sie a) für gemässigte kleinschreibung nach dem vorschlag des bundes für vereinfachte rechtschreibung? (Grosse buchstaben nur am satzanfang, bei eigennamen und den höflichkeitsformen im brief). b) für vereinfachte grosschreibung nach dem vorschlag des zürcherischen Duden-ausschusses, welcher die grossbuchstaben grundsätzlich beibehalten will, aber abweichend von der heutigen regelung im Duden. (Dingwörter sollen gross geschrieben werden, wenn der dingbegriff noch deutlich empfunden wird; aber auch nichtdingwörter- neben den eigenschafts- auch für- und zahlwörter- wenn sie eine dingliche vorstellung wecken). 3.) Sind Sie der ansicht, dass ausser dieser vereinfachung noch andere durchgeführt werden sollen? (Z.b. vereinfachung der dehnung, wegfall unnötiger buchstaben - rh=r, th=t, ph=f - ,v in deutschen wörtern = f, fonetische anpassungen wie qu=kw, chs=ks usw. Abstimmungsergebnisse
Die gemässigte kleinschreibung wurde also mit überwältigendem mehr gutgeheissen. |
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1952 (21./22. november) |
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1954 |
Versammlung in Konstanz zur behandlung von sprachfragen, eingeladen vom "institut für auslandsbeziehungen" in Stuttgart. Erste fühlungnahme nach dem krieg über die grenzen hinweg. Eingeladen waren private vertreter aus Westdeutschland, Ostzone, Oesterreich, Schweiz und Luxemburg. Nicht vertreten waren Luxemburg und Ostdeutschland, da der eingeladene sprachgelehrte keine ausreisebewilligung erhielt. Aus der Schweiz anwesend: prof. A. Steiger und dr. E. Haller. Die versammlung fand auf gänzlich privater grundlage statt. Gründung der "arbeitsgemeinschaft für sprachpflege", die sich halbjährlich, stets in einem andern land versammeln sollte. Die frage der rechtschreibreform wird von Oesterreich und der Schweiz aus aufgeworfen; sie trat bald in den vordergrund. Auf inoffiziell geäusserten wunsch der westdeutschen kultusminster-konferenz arbeitete die arbeitsgemeinschaft auf verschiedenen tagungen richtlinien für eine reform der rechtschreibung aus, die 1954 auf der tagung in Stuttgart beschlossen und als "stuttgarter empfehlungen" veröffentlicht wurden. Die Schweiz zuletzt vertreten durch prof. Steiger, dr. E. Haller, dr. H. Glinz, privatdozent, Rümlang / Zürich und prof. dr. R. Hotzenköcherle, Zürich. Inhalt der "stuttgarter empfehlungen" siehe beilage nr. 1 (MUND) s. 4 |
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1954 |
Die konferenz der schweizerischen erziehungsdirektoren setzt einen ausschuss zur beobachtung der reformbewegung ein, bestehend aus den regierungsräten Th. Wanner, Schaffhausen. dr. Stucki, Glarus, dr. Hess, Obwalden, dr. Vaterlaus, Zürich. - Dr. Hans Glinz wird von diesem ausschuss beauftragt, ein schweizerisches minimalprogramm auszuarbeiten, das aber nie veröffentlicht wurde. Seither hüllt sich dieser ausschuss in schweigen. |
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1956 |
In der "deutschen bundesrepublik" einsetzung des amtlichen "arbeitskreises für rechtschreibregelung" zur genauen prüfung der "stuttgarter empfehlungen". Diese prüfung wird im laufe von zwei jahren von drei unterausschüssen durchgeführt. Deren gutachten lag zwei jahre später vor und ist, weil die sitzungen meist in Wiesbaden stattfanden, unter dem namen "wiesbadener empfehlungen" bekannt. |
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1958 |
Die "wiesbadener empfehlungen". Text und ausführlicher kommentar in beilage nr. 1 MUND s. 7-33 Die amtlichen stellen nahmen nicht öffentlich stellung zu den darin genannten vorschlägen; doch sollen sie nach brieflichen äusserungen des einen vorsitzenden als grundlage dienen für verhandlungen mit den übrigen deutschsprechenden ländern. Die "wiesbadener empfehlungen" fussen, wie eine durchsicht dartut, durchaus auf den stuttgarter empfehlungen. Sie haben, abgesehen von den ausführungen über die dehnungsfrage, die fallengelassen wurde, die übrigen punkte in der hauptsache beibehalten, in erster linie die gemässigte kleinschreibung, als den wichtigsten punkt. Publikationen, die sich auf diese empfehlungen beziehen: Duden-Beiträge (eine neue publikationsfolge des Duden-verlags) nr. 1 Gross- oder Kleinschreibung? Ein Hauptproblem der Rechtschreibreform, von prof. Hugo Moser (91 seiten), - eine sehr gründliche untersuchung dieses problems. nr. II Empfehlungen des Arbeitskreises für Rechtschreibregelung (autentischer text = 36 seiten) Beide schriften zu beziehen beim verlag des bibliografischen instituts, Mannheim. Der ausführliche text samt anhang ist auch im "Material- und Nachrichtendienst (MUND)" der arbeitsgemeinschaft deutscher lehrerverbände nr. 93 vom april 1959 abgedruckt, nebst einem begleitwort von Hans Ringeln. (Beilage nr. 1) |
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Einführung der radikalen kleinschreibung im geschäftsbetrieb der firma Langermann-Schuh GmbH, Dorndorf-Schuhfabrik, Zweibrücken, (Rheinpfalz). |
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Die firma E. Schiltknecht, Ing. SIA, Freilagerstrasse 11, Zürich 9/47 tut den selben schritt in ihrem betrieb; ebenfalls radikale kleinschreibung). |
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1960 |
Einsetzung einer amtlichen kommission in Oesterreich zur prüfung der "wiesbadener empfehlungen". Vorsitzender: universitätsprofessor R. Meister, präsident der akademie der wissenschaften. |
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1961 |
Ab 1. januar 1961 erscheint die gewerkschaftszeitung der westdeutschen typografen "druck und papier" in kleinschreibung. Nach den gegenwärtigen gepflogenheiten sind die überschriften in radikaler, der text aber in gemässigter kleinschreibung gehalten. |