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Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)

presseartikel → 1.–7. 1998
nachgeführt , 2023-12-04
ortografie.ch ersetzt sprache.org ortografie.ch ersetzt in zukunft sprache.org

Aus presse und internet

1998-07-31

: Alles wird neu - doch kaum einer wird's merken. Neue Luzerner Zeitung, , s. 3
Ab Samstag gilt die neue Recht­schreibung - doch kaum einer wird dies bemerken: Denn am 1. August erscheinen keine Zeitungen, und auch am Montag werden die allermeisten Schweizer Titel noch in der herkömmlichen Schreibweise erscheinen. Die Umstellung braucht Zeit - nicht nur bei den Medien.
: Wer schreibt wie bisher, der macht weniger Fehler. Urner Wochenblatt, , s. 5
Das Institut für deutsche Sprache in Mannheim schätzt, dass 60 Prozent der Bevölkerung bisher «nicht richtig schreiben» konnten. […] Wer schreibt wie bisher, sagen Experten, macht nach neuen Regeln weniger Fehler als nach den alten, da vieles, was logisch ist, neu auch richtig ist. Dennoch lehnen laut einer «Polis»-Umfrage 84 Prozent der Deutschen die Rechtschreib­reform ab. Dabei wissen 42 Prozent nicht einmal, was sie beinhaltet. […] In der Schweiz waren und sind Proteste selten.

1998-07-29

: Buchhandel ruft Kohl und Naumann gegen EU zu Hilfe. die tageszeitung, , nr. 5594, s. 6, Inland
Zu den Auswirkungenden des Streits um die Rechtschreib­reform wollte er [Hubertus Schenkel, Börsenvereins des Deutschen Buchhandels] "am liebsten gar nichts sagen". Die Verlage würden "nur sehr langsam" umstellen und die Klassiker ganz verschonen wollen: "Es gilt das Primat der Autoren."
: Schleppendes Geschäft mit dem gedruckten Wort; Zahl der Buchhandlungen steigt — Titelflut. Die Welt, , Wirtschaft
Belastet hat natürlich auch die Diskussion um die Rechtschreib­reform, die Verleger wie Konsumenten gleichermaßen verunsicherte.

1998-07-28

: Richtig schreiben in 7 Lektionen. Brückenbauer, , nr. 31, s. 5 bis 7, Zeitspiegel
Ab 1. August gelten amtlich andere Rechtschreibregeln. Der "Brückenbauer" zeigt Ihnen das neue Schreiben in sieben Schritten.
: Triftige Mängelrüge. Die Welt, , nr. 173, s. 4, Forum
Die Hoffnung der Kultusbürokratie, die Diskussion über die verpfuschte Rechtschreib­reform nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts abwürgen zu können, hat getrogen. Erneut haben sich 30 Autoren an Politiker und Verleger gewandt und gefordert, das Projekt zu stoppen. […] Die "Recht­schreibung" ist de facto abgeschafft, weil die Einheitlichkeit der Schriftsprache aufgegeben wurde.

1998-07-25

: "Schärfer gegen neue Formen der Kriminalität"; FDP-Fraktionschef Hermann Otto Solms zur Rechtspolitik. Mainpost, , Meinung
Solms: Wir waren immer gegen eine von oben verordnete Rechtschreib­reform. Die gleitende Anpassung an neue Schreib-Gewohnheiten durch den Duden-Verlag war doch praktikabel. Wir haben im Bundestag einen Entschließungsantrag eingebracht, in dem wir die Bundesregierung auffordern, zu prüfen, ob die Rechtschreib­reform in die Amtssprache des Bundes eingeführt werden muß. Wir sind der Meinung, das sollte nicht geschehen. Wenn wir das verhindern können, wird die Rechtschreib­reform gescheitert sein, weil dann die Einheitlichkeit der Schriftsprache nicht mehr gegeben wäre.

1998-07-24

: Für das "ß" ein grausames Schicksal zu befürchten. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , s. 8, Briefe an die Herausgeber (444 wörter)
In jedem Fall ist das grausame Schicksal zu beklagen, das wohl für das "ß" zu be­fürchten ist, das sicherlich früher oder später gänzlich von Computer- und Schreib­maschinen­tastaturen verbannt werden wird.

Das schicksal hat die Schweiz schon vor 100 jahren ereilt. Als grausam wird es aber nicht empfunden. Schreib­maschinen, die einen wesentlichen anteil am schicksal hatten, sind heute kein problem mehr, und kompjuter führen eher zu einer wieder­auferstehung.

: Die Reform hält auch den Einwänden ihrer Urheber stand. Denn die Absicht hinter der Umwälzung der Rechtschreibung ist politisch: Zum Stand der Dinge nach dem Spruch aus Karlsruhe. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , s. 38, Feuilleton (2930 wörter)
Die Richter ziehen in ihrer Urteils­begründung nur in Betracht, ob Texte "lesbar" bleiben (was niemand bestritten hat) und ob das Erlernen der deutschen Rechtschreibung erleichtert wird (was entgegen ihrer Ein­schätzung nicht der Fall ist). Gar nicht hingegen berücksichtigen sie den Haupteinwand: daß die Neu­schreibung in zentralen Punkten gegen die Grund­regeln der deutschen Sprache verstößt und in Tausenden von Fällen teils zu un­grammatischen Schreibungen zwingt […], teils Bedeutungs­unterschiede verwischt, deren Kennzeichnung zum Stamm­kapital der modernen deutschen Ortho­graphie gehört […]. Wenn das Gericht sich durch die vor­gelegten linguistischen Analysen überfordert fühlte, hätte es das nahezu einhellige, allerdings vernichtende Urteil der deutschen Sprach­wissenschaft nicht in den Wind schlagen und sich allein auf die Propaganda­schriften der Reform­betreiber verlassen dürfen.
: Deutsche Seele liebt eindeutige Regelung. Betr.: "Angst vor Fehlern", taz vom 14. 7. 98, "Staat darf Sprache regeln", "Der Posse letzter Akt", taz vom 15. 7. 98. die tageszeitung, , nr. 5590, s. 14, LeserInnenbriefe
Mit der BVerfG-entscheidung vom dienstag wird also die "reform" der deutschen Recht­schreibung kommen, für mich ein "reförmchen".

1998-07-22

: Gerhard Schröders Minister in spe eckt tüchtig an. Der Standard, , s. 12, Kultur
Seinem Ruf, ein Mann der klaren Worte zu sein, wurde Michael Naumann bei seiner ersten öffentlichen Präsentation gerecht. Der Ex-Chef des Rowohlt-Verlags, von SPD-Kanzlerkandidat Gerhard Schröder als Staatsminister für Kultur nominiert, machte aus seiner Ablehnung der Rechtschreib­reform kein Hehl. Der Entscheidungsprozeß, der zur Reform geführt habe, sei ein "Beispiel für Ermüdungserscheinungen der Kulturpolitik". Er sei bisher davon ausgegangen, daß Änderungen in der Sprache von den Bürgern bestimmt werden.
(): "Die Entscheidungsprozesse müssen zügiger werden." Kiels Ministerpräsidentin Heide Simonis im WELT-Interview über Probleme und Positives bei der Zusammenarbeit mit Hamburg. Die Welt, , Weltstadt Hamburg
Simonis: […] Die Rechtschreib­reform ist kein isoliertes norddeutsches Thema, sondern ein gemeinsames Projekt aller Kultusminister, und ich hoffe sehr, daß der Volksentscheid vom 27. September Schleswig-Holstein eben nicht zu einer ,Insel der Recht­schreibung' werden läßt. Gesetzgeberische Maßnahmen gegen ein so zustande gekommenes Gesetz behält sich die Landesregierung vor.

1998-07-21

: Moderne Büchervernichtung. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , s. 9, Briefe an die Herausgeber (216 wörter)
Wir bereiten eine Rechtschreib­reform vor und lassen die Kinder verdummen […]. Statt zu finden, woran es liegt, daß Kinder heute schwerer lernen als früher, ist es natürlich einfacher, die Rechtschreibung dem "neuen" Lern­vermögen an­zupassen.

Man hätte die rechtschreibung schon früher dem "alten" lern­vermögen an­passen müssen.

: Sorgloser Umgang mit dem hohen Gut Staatssprache. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , s. 9, Briefe an die Herausgeber (474 wörter)
Das Bundes­verfassungs­gericht sah nicht oder wollte nicht sehen, daß die Ein­heitlichkeit der Recht­schreibung in den Ländern mit Deutsch als Staats­sprache ein hohes Gut ist. Die Rechtschreibung wird im Grundgesetz nicht erwähnt, aber sie gehört ebenfalls zu den Grund­lagen der Kultur. Wäre sie nicht normiert, würde das die schriftliche Kommunika­tion unzumutbar er­schweren.

1998-07-20

neu : Nicht gewollt, aber gültig. Focus, , nr. 30, s. 3, Tagebuch, editorial (193 wörter)
Niemand hat diese Reform herbeigesehnt, aber sie gilt.
: Gegenreformation. Stuttgarter Zeitung, , Die dritte Seite (kommentar)
Was kann die Bürgerfreiheit im Deutschland kurz vor der Jahrtausendwende wirklich ernsthaft gefährden? Das Millionenheer der Arbeitslosen? Der große Lauschangriff oder der genetische Fingerabdruck? Was ist all das gegen das Ungeheuer der Rechtschreib­reform!
: Rupert Scholz hofft auf "Gegenreformation". Gegner der Rechtschreib­reform geben nicht auf — Simonis: Neues Gesetz kann Volksentscheid korrigieren. Stuttgarter Zeitung, , Politik
Der stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Rupert Scholz, sagte der "Welt am Sonntag" mit Blick auf einen geplanten Volksentscheid: "Wenn in Schleswig-Holstein erstmals der Bürger das Sagen hat, wie er denn schreiben möchte, bedeutet dies nichts Geringeres als den Beginn einer sprachlichen Gegenreformation, und zwar demokratisch legitimiert."

1998-07-18

: Porträt der Woche. Das Dreierles-S. Stuttgarter Zeitung, , Politik
Ohne den Streit um das ß verlöre der verbissene Kampf um die Rechtschreib­reform ganz sicher einiges von seinem Schwung. Die neuen Bestimmungen um den Gebrauch von ß und ss sind buchstäblich der einzige Teil der neuen Regeln, der Texte schon auf den ersten Blick verändert. […] Wie fest wir in unserem Land zum ß stehen, fällt schon beim Blick auf die schriftlichen Zeugnisse unserer Schweizer Nachbarn auf. […] Schon 1938 haben die Schweizer diesen Buchstaben amtlich ausgerottet — und das wohl nur, weil sie auch die Schreibmaschinen aus dem französischsprachigen Landesteil benutzen wollten. Das haben sich nicht einmal die Rechtschreib­reformer getraut.
: Wider ein kulturelles Sendungsbewußtsein. Ein Gespräch mit Alt-Bundeskanzler Helmut Schmidt über den Kulturstandort Deutschland. Süddeutsche Zeitung, , Feuilleton
Im übrigen ist es nicht nur der Bund, der hier zentralisiert hat, sondern die früher elf, heute sechzehn Bundesländer selber sind weitgehend mitschuldig. Sie haben sich eine Institution geschaffen, die im Grundgesetz gar nicht vorgesehen ist, und die heißt KMK, Kultusministerkonferenz. Diese Kultusministerkonferenz nimmt für sich das Recht in Anspruch, alles gemeinsam zu regeln. Dann gehen diese Damen und Herren in ihre jeweiligen Landtage oder Kabinette zurück und erzählen dort, das und das haben die Kultusminister gemeinsam beschlossen. Infolgedessen müßt ihr das so machen und habt also gefälligst mal die Güte, das zu ratifizieren. Was diese Leute fertigbringen, das kann man an der Rechtschreib­reform sehen. Wichtigtuerei!

1998-07-17

: Nach dem Kultusminister-Sieg. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , s. 10, Briefe an die Herausgeber (381 wörter)
Die Rechts­sicherheit hin­sichtlich der Einführung der Schul­orthographie sagt jedoch nichts über die Eignung der neuen Regeln für die Amts- und Gesetzes­sprache, für das gesamte öffentliche Publikations­wesen und für den allgemeinen Schrift­verkehr. […] Die Ent­scheidung über die künftige Praxis deutscher Rechtschreibung erfolgt nicht in den Amts­stuben der Ministerien; sie liegt bei allen, die Deutsch schreiben und lesen. Der Konflikt zwischen einem frag­würdigen Reform­konzept der Schul­orthographie und der all­gemeinen Rechtschreib­praxis, den die Kultus­minister erzeugt haben, wird die Rechtschreib­debatte der kommenden Jahre beherrschen.
: Das Interview mit Ministerpräsidentin Heide Simonis. Kieler Nachrichten, , Schleswig-Holstein
Heide Simonis: […] Natürlich hätten Regierung und Parlament ein Votum gegen die Reform zunächst zu akzeptieren. Allerdings sollten die Initiatoren des Volksentscheids wirklich noch einmal in sich gehen und nachdenken, ob sie ernsthaft eine sprachliche Insellösung für Schleswig-Holstein im Sinn haben.
: Zur Neuregelung der deutschen Recht­schreibung; eine Stellungnahme der «Neuen Zürcher Zeitung». Neue Zürcher Zeitung, , s. 11, Inland
Die NZZ ist der Meinung, dass in der viersprachigen Schweiz die Wortformen beispielsweise der italienischen oder der französischen Sprache ein besonderes Gewicht haben. Statt Schofför schreiben wir auch künftig Chauffeur und trotz der deutschen Endung auch chauffieren.

Chauffeur bleibt (zu unserem bedauern) unverändert.

Schreibreform: Hohe Kosten für die Wirtschaft. Die Presse, , Kultur & Medien
Der Verband für interne Kommunikation, in dem 250 der größten österreichischen Betriebe versammelt sind, warnt vor den Kosten, die durch die Rechtschreib­reform auf die heimische Wirtschaft zukommen.

1998-07-16

: Die Rechtschreib­reform kommt: Eine teure Sinnlosigkeit in elf Punkten; Zwischenbilanz einer öffentlichen Kontroverse: Was am meisten an der verordneten Schreibreform stört. Die Presse, , Kultur & Medien
Die obersten Verfassungshüter Deutschlands wie Österreichs haben entschieden: Rechtschreibfragen sind keine Angelegenheit, die auf Verfassungsebene zu klären ist. […] Die Defizite der Rechtschreib­reform liegen auf anderer Ebene: auf politischer, sprachlicher, pädagogischer, ökonomischer. […] Die zentrale Kritik richtet sich gegen die Überflüssigkeit der Reform. Bisher konnte dafür kein auch nur annähernd zwingender Grund genannt werden. […] Das wichtigste Argument aber, weshalb der Protest gegen die Rechtschreib­reform auf Dauer Sinn hat: Sie ist zum Symbol für die österreichische (und deutsche) Hauptkrankheit geworden, nämlich für eine krankhafte Überregulierung. […] Aus diesem Grund ist jeder Tag, an dem der Bürgerprotest gegen bürokratischen Übermut und der Boykott fast aller wichtigen Schriftsteller und Verlage andauern, selbst dann ein Gewinn, wenn die (durch die Proteste zum Glück ja auf ein Minimum abgemagerte) Rechtschreib­reform sich im Lauf der Zeit doch durchsetzen sollte. Denn der Protest wird abschreckende Wirkung auf die Politiker haben: Sie werden künftig deutlich länger nachdenken, bevor sie sich von ihren Beamten verleiten lassen, sich mit überflüssigem Herumreformieren erneut die Finger zu verbrennen.

1998-07-15

: Rechtschreibreform nun rechtsgültig. Basler Zeitung,
Mit dem Urteil der Karlsruher Richter kann die umstrittene Rechtschreib­reform definitiv am 1. August eingeführt werden.
: Rechtschreibreform: Mit höchstrichterlicher Hilfe am Ziel. Basler Zeitung,
Sie darf nun in deutschen Schulen gelehrt werden, die umstrittene Schreibreform. Das hat das Bundesverfassungs­gericht in Karlsruhe entschieden. […] In der Schweiz hat die Konferenz der kantonalen Erziehungs­direktoren den deutschen Richterspruch «mit Dankbarkeit» zur Kenntnis genommen. […] Einheitliche Schreibung müsse zwar sein — aber dies bedeute «nicht notwendig Übereinstimmung in allen Einzel­heiten». Die Reform als quantité négligeable? Das ist nach dem erbitterten Streit dann doch eine Überraschung.
: Das nächste «Bundesbüchlein» bereits mit neuer Orthografie. Basler Zeitung,
Die Rechtschreib­reform wirft in der Schweiz keine so hohen Wellen wie in Deutschland. […] Die Bundesverwaltung hat, gestützt auf die zwischen­staatliche Erklärung und abgestimmt auf die Schulen, den 1. August dieses Jahres zum Stichtag bestimmt.
: Fast ein Kulturkampf. Basler Zeitung, . Tageskommentar
Man kann das Karlsruher Urteil vernünftig nennen und braucht doch den Gegnern den Respekt nicht zu versagen, den sie verdienen. […] Sprache ist ein Schutzgut, aber kein unantastbares Grundrecht. Im Schutzgut Sprache ist auch ihre Wandlungs­fähigkeit geschützt und muss auch ihre Wandlungs­möglichkeit geschützt sein.
: Freie Bahn für die Rechtschreibreform. Das deutsche Bundesverfassungsgericht weist Beschwerde ab. Neue Zürcher Zeitung, , 219. jg., nr. 161, s. 1, Ausland (817 wörter)
Ohne weitere Auflagen, ja geradezu triumphal ist die Politik der Rechtschreibe­reformer aus dem Karlsruher Verfahren hervor­gegangen. Die Verfassungs­beschwerde eines Lübecker Eltern­paares, das seine Kinder nicht nach den neuen Regeln unter­richten lassen wollte, wurde als unbegründet zurück­gewiesen. Grund­rechte seien nicht verletzt, erklärte das höchste deutsche Gericht bei seiner Urteils­verkündung am gestrigen Dienstag. […] Dank Karlsruhe herrscht nun Rechts­sicherheit: Das Urteil des BVG bindet jedes andere deutsche Gericht; die noch aus­stehenden Verfahren verlaufen daher in vor­gezeichneten Bahnen.
: Lesen, Schreiben, Üben. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , s. 1, Politik, Leitartikel (383 wörter)
Es sind nicht die Regeln, weder die alten noch die neuen, die ein Chaos provozieren. Ver­antwortlich für den Nieder­gang der Recht­schreibung ist vielmehr der Mangel an Bereitschaft, sich an Regeln zu halten oder sie über­haupt zu lernen. Der Streit über die Rechtschreibung lenkt vom eigentli­chen Skandal ab: Immer mehr Schüler be­herrschen die Grammatik nicht; sogar mancher Gymnasiast kann keine vollständigen, logisch gegliederten Sätze bilden. Wer sich nicht präzise und differenziert ausdrücken kann, wird aber auch in der Entwicklung seiner Denk­fähigkeit zurück­bleiben - das ist die Gefahr, und dagegen hilft nur: Lesen, Schreiben, Üben.
: Reform: ja – aber nicht überall. Saarbrücker Zeitung, , Themen des Tages (543 wörter)
In solchen Fällen müs­se im "öffentli­chen Interesse" zur Sache ent­schieden werden, weil es um grund­sätzliche verfassungs­recht­liche Fragen gehe und die "erstrebte Entscheidung Klarheit über die Rechtslage schaffen wird". Ein Ziel, daß die Richter erreicht haben. Die rechtlichen Probleme der Reform sind auch mit Blick auf den in Schleswig-Holstein anstehenden Bürger­entscheid gelöst.
: Verordnete Kleinigkeiten. Saarbrücker Zeitung, , Themen des Tages (486 wörter)
Weil der Streit um die Reform Volks­begehren ver­ursachte und schließlich beim höchsten Gericht en­de­te, darf er aber auch als Lehr­stück gelten über die Befindlich­keit einer Gesell­schaft. Sicherlich ist es gut, wenn Menschen sich nicht alles vor­schreiben lassen, wenn sie auch Experten­urteile anzweifeln. Doch was lassen sie im Gegensatz zur Rechtschreib­reform nicht alles klaglos zu? Und aus­gerechnet um diese klei­ne Reform zu verhindern, greifen sie zum stärksten demokrati­schen Mittel, dem Volks­be­gehren, und zie­hen vor die Gerichte. Fängt das demokratische Empfinden bei der Komma­setzung an?
: Karlsruhe billigt Rechtschreibreform. Bundesverfassungsgericht sieht Elternrechte nicht verletzt — Gegner hoffen auf Volksentscheid. Stuttgarter Zeitung, , s. 1
Der Weilheimer Studienrat Friedrich Denk, der den Widerstand gegen die neuen Regeln hauptsächlich organisiert hatte, erwartet, daß die Bevölkerung sich den neuen Schreibweisen nicht unterwerfen wird. Der Kieler Sprecher der Reformgegner, Wolfgang Deppert, bezeichnete das Urteil als eine "demokratische Katastrophe".
: Freibrief der Verfassungsrichter. Stuttgarter Zeitung,
Nein, das war er leider nicht, der endgültige juristische Schlußstrich unter den jahrelangen Streit um die Rechtschreib­reform. […] Bemerkenswerter als die Frage, wie denn die eine oder andere Schreibregelung zu bewerten sei, ist freilich das Schlaglicht, das der Streit um Buchstaben auf die politische Kultur in unserem Lande geworfen hat. Er hat die deutsche Unfähigkeit zum Dialog jenseits der Gerichtssäle auf deprimierende Weise offenbart. Das liegt vor allem am Kreuzritter­tum der Reform­gegner, aber auch an der Trotzigkeit der Kultus­minister.
: Lässiger im Grundsätzlichen. Süddeutsche Zeitung, , Meinungsseite
Das Bundesverfassungs­gericht hat sich […] aus der engeren Materie der Orthographie heraus­gehalten. Völlig absti­nent ist es dabei dennoch nicht geblieben […]. Es gebe zwar […] im Interesse einer funktionierenden Kommunikation das Erfordernis einer hochgradig einheitlichen Schreibung. Das bedinge aber keine Überein­stimmung bis ins letzte Detail, und schon gar nicht habe das Ausscheren eines einzelnen zur Folge, daß die Konvention aller Übrigen hinfällig sei – voraus­gesetzt immer, die Kommunikation ”im gemeinsamen Sprachraum” ist weiterhin gesichert. Gemessen an der Wertschätzung, die Rechtschreib­dinge hier genießen, haben die Richter sich weit aus dem Fenster gelehnt. Immerhin kann diese Stelle auch als kaum verkappter Aufruf zu mehr orthographischem Laisser-faire verstanden werden – Pessimisten würden sagen: zu mehr Wurstigkeit.
: Der Kulturkampf fällt aus. Der Tagesspiegel, , 54. jg., nr. 16396, s. 1
Vermuten läßt sich lediglich, daß die wirklichen Probleme dieser Gesellschaft zu komplex sind, um noch wahren Streit auszulösen, weshalb wir uns gerne mit volkstümlichen Schaumwogen bescheiden bei Themen, bei denen jeder mitreden kann.
: Das Urteil. Die Welt, , kommentar
Das Bundesverfassungsgericht hat die Einführung der Rechtschreib­reform für Rechtens erklärt. […] Damit ist genau das eingetreten, was nach allen Beteuerungen der Politiker vermieden werden sollte: Die Einheitlichkeit der deutschen Schriftsprache ist nur noch eine Fiktion. Das letzte Wort werden hierzu die Schleswig-Holsteiner sprechen.
: Der Posse letzter Akt. Rechtschreibreform: Kiel will den Volksentscheid verhindern. die tageszeitung, , nr. 5582, seite 10, Meinung und Diskussion, Kommentar
Der völlig unbeabsichtigte, aber um so wirksamere Effekt des deutschen Rechtschreib­krieges war allerdings die befreiende Entdeckung des "tertium datur". Wenn man ein Wort so und anders schreiben darf, vielleicht gibt es dann auch eine dritte, meine eigene Möglichkeit - immer vor­ausgesetzt, daß der Text lesbar bleibt.

Die kleinschreibung der substantive!

: Die Schreibreform bleibt unnötig. Die Presse, , Kommentare
Hübsch formalistisch haben Deutschlands oberste Verfassungs­hüter den Kultus­ministern der deutschen Länder zugebilligt, daß sie per Federstrich […] die Schreibregeln der deutschen Sprache ändern dürfen. […] Ein Blick zurück in die Schreckens­geschichte unseres Jahrhunderts — und gerade in die deutsche — lehrt: Verwaltungs­instanzen sind weder vor Unsinn noch vor Inhumanität gefeit. […] Die Rechtschreib­reform ist keine Reform, sondern ein ziemlich unnötiges Reformerl — und ein Pflanz für alle jene, die mit (linkem) emanzipatorischem Pathos in den siebziger Jahren Schreibregeln erkämpfen wollten, mit denen möglichst viele Menschen sich sicher fühlen vor Blamage (und einem schlechten Eindruck bei Bewerbungen).
Schreibreform: Deutsche Richter sagten ja. Die Presse, , Kultur & Medien
Reaktionen zum Schreib-Urteil […] Unterrichtsministerin Gehrer meinte, nun sei "endgültig klargestellt, daß man für eine Rechtschreib­reform kein Gesetz braucht". In der Schule habe man sich künftig an die neue Schreibung zu halten. Ob der einzelne Bürger die neuen Regeln beherzige, bleibe ihm überlassen: "Ich kann ja niemanden bestrafen, der falsch schreibt". […] Guido Westerwelle, FDP-General­sekretär: "Die Recht­schreibung ist verfassungsgemäß - bleibt aber überflüssig. Eine Kultusministerkonferenz, die die Frage, ob man Schiffahrt mit zwei oder drei ,f' schreibt, wichtiger findet als die Verkürzung der Ausbildungszeiten, müßte zugunsten von mehr Autonomie der Bildungs­einrichtungen entmachtet werden".

1998-07-14

: Nur die Autofans widersetzen sich der Veränderung. In der Schweiz bleibt die Zahl der Gegner einer Rechtschreibreform gering. Stuttgarter Zeitung, , Politik
Der einzige juristische Protest gegen die Rechtschreib­reform kam von der Schweizer Autopartei. […] Warum reagieren die Schweizer so gelassen auf die Reform? "Die neue Schreibweise fällt bei uns optisch so gut wie nicht auf", betont Gallmann, Sprach­wissenschaftler an der Universität Zürich. Er verweist darauf, daß die deutsch­sprachigen Eidgenossen das ß nicht kennen.
: Angst vor Fehlern. die tageszeitung, , nr. 5581, seite 15, Kultur
Heute entscheidet das Bundesverfassungsgericht über die Rechtschreib­reform. Über Rechthaber, Eindeutigkeit, Kontingenz und die abhanden gekommenen Kläger - zum Subtext einer deutschen Debatte. […] Tatsächlich geht es im deutschen Rechtschreibkrieg gar nicht nur um Orthographie. Es geht ums Aufbrechen mentaler Orthodoxie. An die Stelle von striktem richtig oder falsch tritt das Wörtchen "und". In einem Aufsatz mit dem merkwürdigen Titel "Und" fragte bereits der abstrakte Maler Wassily Kandinsky nach dem Wort, das das 20. Jahrhundert vom 19. Jahrhundert unterscheidet. Es sei das Wort "und", das an die Stelle der zweiwertigen Logik von "ja - nein" und der Moral "ich oder du" tritt. Wie wir wissen, hat das 20. Jahrhundert das Entweder-oder-Denken noch einmal blutig radikalisiert. Vielleicht gelingt es ja nun im Übergang zum 21. Jahrhundert, dem "und" die Ehre zu verschaffen?

1998-07-12

neu „Chaos und Frust.“ Der Spiegel (), , nr. 29, s. 157, Kultur, Szene (370 wörter)
Peter Eisenberg, 58, Linguist in Potsdam, Mitglied der Mannheimer Rechtschreibkommission und Gegner der beschlossenen Reform, zur orthographischen Zukunft der deutschen Sprache. […] Eisenberg: Aber die Reformer wollten eben auch bisher wohlweislich Ungeregeltes regeln, etwa große Teile der Getrennt- und Zusammenschreibung oder der Groß- und Kleinschreibung. Dabei gibt es doch immer Bewegung und Entwicklung in der Sprache. Schreibunsicherheiten zeigen nur diese Bewegung. Die verordnete Regelung kann sich gar nicht durchsetzen.

1998-07-11

: ”Alles nur Spekulation” Justizminister stellt sich vor das Bundesverfassungsgericht. Süddeutsche Zeitung, , Politik
Am Dienstag wird das Bundesverfassungsgericht eine Entscheidung zur Rechtschreib­reform verkünden […]. Aus Bonn hatte es Vorab­meldungen über ein Scheitern der Klage gegeben. […] Bundesjustizminister Edzard Schmidt-Jortzig (FDP) nimmt im Gespräch mit Helmut Kerscher das Gericht in Schutz. Die einen suchen die Schuld an Vorab-Berichten beim Gericht, die anderen mehr bei den Medien. Wen kritisieren Sie? Schmidt-Jortzig: Jedenfalls nicht das Gericht. Mir mißfällt das Verhalten der Beschwerdeführer samt Begleit­personen, namentlich des Herrn Dräger.

1998-07-09

: Richterschelte unangebracht. Das Urteil zur Rechtschreibreform. Neue Zürcher Zeitung, , 219. jg., nr. 156, s. 46, Feuilleton (705 wörter)
«Schlechte Verlierer.» Der Vorwurf, mit dem sich die deutsche Fussball­national­mannschaft nach ihrem Aus­scheiden bei der WM 98 und an­schliessenden kläglichen Schuld­zuweisungen an den Schieds­richter kon­frontiert sah, trifft nun auch die Gegner der Rechtschreib­reform, die ihre Verfassungs­beschwerde eine Woche vor der Karlsruher Urteils­verkündung zurück­gezogen haben. Be­zeichnend ist, dass der Prozess­bevollmächtigte Rolf Gröschner sein Mandat nieder­gelegt hat. Dem in Jena lehrenden Staats­rechtler ist offenbar die Taktik zuwider, mit der seine Kollegen und Mandanten einem für sie nachteiligen Entscheid des Bundes­verfassungs­gerichts (BVG) ausweichen wollten.
: Dem Volk aufs Maul. Die Welt, , leitartikel
Wenn die in der Öffentlichkeit kursierenden Aussagen des Bundes­verfassungs­gerichtes zur Rechtschreib­reform richtig wieder­gegeben sind, dann droht der deutschen Sprach­gemeinschaft ein richterlich sanktionierter Bruch mit 1000 Jahren Kulturgeschichte. […] Mit Reformen verbindet man gemeinhin den Fortschritt zu Höherem, zu einem Entwicklungs­schritt. Die kleine Gruppe von Wissen­schaftlern, die — isoliert von ihrer gesamten Fachzunft — eine neue deutsche Schriftsprache einführen will, bezweckt genau das Gegenteil: Simplifizierung. […] Die über­wiegende Zahl "neuer" Regeln ist nahezu wörtlich aus einem Elaborat übernommen, mit dem schon einmal eine deutsche Obrigkeit das Sprachvolk gegen Sprach­gebrauch und Sitte disziplinieren wollte: dem "Erlaß" des national­sozialistisches Reichs­ministers Rust von 1944.

1998-07-08

: Neuer Akt im deutschen Schreibreform-Streit. Rückzug der Klage von Gegnern vor dem Verfassungsgericht. Neue Zürcher Zeitung, , 219. jg., nr. 155, s. 2, Ausland (754 wörter)
Mit einem über­raschenden Schritt haben die Gegner der deutschen Rechtschreib­reform ihre Klage vor dem Bundes­verfassungs­gericht zurück­gezogen. […] Der Schritt der Lübecker Kläger ist nicht ganz frei von Rätseln.
: Der Prellbock heißt Karlsruhe. Lübecker Nachrichten,
Verwirrung total in Sachen Rechtschreib­reform: Da wird eine Verfassungsbeschwerde zurückgezogen, das Gericht urteilt aber trotzdem, der Kieler Landtag spricht sich für einen Volksentscheid im September aus, will aber das Urteil abwarten. […] Gesetzt den Fall, die Nordlichter entscheiden im September, daß auch künftig in den Schulen nach der bisherigen Recht­schreibung unterrichtet wird, dann bliebe der "Delfin" im Norden ein "Delphin" und hätte tatsächlich plötzlich ein letztes Reservat zum Überleben. Einen orthographischen Nationalpark sozusagen.
: Kommentar: Falscher Protest. OWL-Online, Politik-News von der Neuen Westfälischen,
Dass so ein schnöder Gegenstand wie die Orthografie überhaupt die Gemüter erhitzen konnte, ist schon verwunderlich. […] Über die komplizierte deutsche Schreibweise wurde schon immer geklagt. Es wird wohl nie eine Orthografie geben, der alle zustimmen. Auch die ab 1. August gültige Reform hat ein Manko: Sie geht nicht weit genug.
: Jetzt spricht das Volk. Die Welt, , kommentar
Nicht die Bundesrichter, sondern die Schleswig-Holsteiner werden — stellvertretend für die Bevölkerung in allen anderen Bundesländern — über das künftige Schriftdeutsch zu befinden haben. Sie brauchen dafür nur das, was vielen Amtsträgern abhanden gekommen ist: gesunden Menschenverstand.

1998-07-06

: Die neue Rechtschreibung als Problem. Basler Zeitung, , Forum-Spiegel
Leserbrief zu Karl Bolli: «Nicht alle können rechnen und schreiben», «Forum» Nr. 144. Die neue Art zu schreiben, sei halt wesentlich einfacher, sagt man mir. Kann mir bitte einmal jemand plausibel erklären, weshalb alles den Weg des geringsten Widerstandes gehen und warum für die «lieben Kleinen» alles simplifiziert werden muss?

Wir können es plausibel erklären: "Die neue Art zu schreiben[kein komma] sei halt wesentlich einfacher". Oder allenfalls als einschub "Die neue Art[,] zu schreiben, sei halt wesentlich einfacher".

1998-07

: Jahrestagung des Instituts für deutsche Sprache. Der Sprachdienst, , 42. jg., heft 4, s. 157 bis 162
Mit dem Beitrag »Die Rechtschreib­reform in der öffentlichen Meinung« von Prof. Dr. Werner Eroms aus Passau begann der dritte und letzte Veranstaltungstag. […] Bei den Sprecherinnen und Sprechern beobachtete Eroms eine linguistische Bewertung der Reform in der Weise, daß die Regelung der Schreibung als eine der Sprache empfunden werde, was sie aber keinesfalls sei.

1998-06-26

: Zum Nutzen der Bürokratie, zum Wohle des Selbstbewußtseins; am Ende geht es doch nur um Macht — Plädoyer gegen einen Bundes­kulturbeauftragten. Die Welt, , Kultur
Mir scheint, die wachsende Neigung, einen Kunstobmann zu installieren, basiert auf der tiefinnerlichen deutschen Sehnsucht, alles und jedes zu regulieren, zu ordnen und zu verwalten. Bisher konnten nur die bundesländlichen Kultusminister in die Kultur hineinpfuschen und sich lächerlich machen: Siehe "Rechtschreib­reform". Gemeinsam gebaren die Herren und Damen einen teuren, allzuteuren Homunculus, der wenig lebensfähig ist. Solche Pleite kann man natürlich auch in anderen, übergreifenden Bereichen anzetteln.

1998-06-24

: Nicht alle können rechnen und schreiben. Basler Zeitung, , s. 55, Forum, Der Forum-Gast
Mit dieser Neuen Recht­schreibung haben noch viele Leute, die die Sprache und die Recht­schreibung in ihrem Beruf anwenden müssen, Schwierigkeiten. […] Auch hier will die Schule für Erwachsene einen Beitrag leisten und bietet ab August 1998 einen entsprechenden Kurs in der Neuen Recht­schreibung an.

1998-06-06

: Volkes Stimme. Warum der Rechtschreibestreit spannend bleibt. Neue Zürcher Zeitung, , nr. 128, s. 46, Feuilleton (358 wörter)
Nun ruhen die Hoffnungen der Gegner der Rechtschreibreform in Deutschland auf Schleswig-Holstein. Dort hat die Initiative «Wir gegen die Rechtschreibreform» weit mehr als die erforderlichen 106 000 Unterschriften gesammelt und damit die letzte Stufe des plebiszitären Verfahrens erzwungen: den Volksentscheid.

1998-06-04

: Schweigen zur Schreibreform. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , s. 10, Briefe an die Herausgeber (225 wörter)
Doch Lehrer und Schüler befinden sich in einem Ab­hängigkeits­verhältnis. In der Öffentlich­keit schweigen die meisten Lehrer […]. Das ängstliche Schweigen der Lehrer und Schüler nennt Kultus­ministerin Gisela Böhrk "Akzeptanz". Tat­sächlich aber leisten viele Lehrer passiven Widerstand, indem sie zum Beispiel bei Korrekturen weniger Fehler an­streichen, weil ja zwei ver­schiedene Recht­schreibungen gelten. Sie schlagen auch nicht in den zehn ver­schiedenen Wörter­büchern und im schwierigen Regelwerk nach, sondern allenfalls im Duden.
: Sieg für Göte. Schleswig-Holstein: Das Volk entscheidet über die Recht­schreibung. die tageszeitung, , nr. 5547, s. 1, Kommentar
Aber wie immer der Volksentscheid nun ausgehen wird, das enge Orthographie-Korsett ist aufgeschnürt. Bei diesem Zivilisationsgewinn wird es bleiben. 30 Gerichte wurden bemüht, und siehe, alle entscheiden etwas anders. So hat der Streit der Rechtschreiber, Rechthaber und Rechtsprecher etwas nicht Beabsichtigtes bewirkt: Der Heiligenschein der einen Recht­schreibung ist dahin. Vor 100 Jahren verlangten Lehrer und Drucker nach eindeutiger Schreibweise und bekamen sie. Jetzt löst sich diese Eindeutigkeit wieder auf. Das Jahrhundert der Disziplin, der Stechuhr und des Rotstifts läuft aus.
: Am Katzentisch der Typographie; das "ß" und seine wechselvolle Geschichte. Die Welt, , Kultur

1998-05-30

: "Jeder stiftet, was er kann." die tageszeitung, , nr. 5544, s. 15, Kultur, Interview
Brauchen wir ein Bundeskulturministerium? Gespräch mit der Grünen-Politikerin Antje Vollmer über Kultur und Föderalismus nach 1989, europäische Interessenvertretung und das Menschenrecht auf Stiftungsgründung. […] Antje Vollmer: Wenn man mal schaut, wo die großen, bundesweiten Debatten stattgefunden haben, dann ging es in den meisten Fällen um kulturelle Fragen, die nicht in Länderkompetenz liegen. Ob das nun die Gestaltung der Neuen Wache war, die Rechtschreib­reform, das Holocaust-Mahnmal, oder, am Anfang der Ära Kohl, das Haus der Geschichte. In diesem Entscheidungsvakuum hat sich am Ende immer der Kanzler mit einem kulturpolitischen Machtwort durchgesetzt. Und das ist das Problem: Wenn eine neue Aufgabe entsteht, greift irgend jemand zu. Das ist nicht gerade das Niveau, auf dem sich die kulturpolitische Diskussion bewegen sollte.

1998-05-29

: Rule, Britannia? Neue Zürcher Zeitung, , nr. 122, s. 45, Feuilleton (271 wörter)
[…] die erdrückende Fülle englisch­sprachiger Bezeichnungen auf Werbe­schildern, Läden, Cafés und Restaurants […] im Zentrum einer «typisch» deutschen Kleinstadt […]. Angesichts der kaum zu über­sehenden Allein­herrschaft des Englischen im urbanen Erscheinungs­bild ihrer Umgebung fragen sich die staunenden [(von einem hintersinnigen Kari­katuristen er­dachten und verdutzt drein­schauenden)] Senioren schliess­lich, wozu das Deutsche eigentlich noch einer Rechtschreibe­reform bedürfe.
: Naheliegenden Vergleich als persönlichen Angriff mißverstanden I. Süddeutsche Zeitung, , nr. 122, Briefe an die Süddeutsche Zeitung
Bereits 1941 verbot Hitler die deutsche Schrift […]. Danach ließ er von seinem Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, Bernhard Rust, eine Rechtschreib­reform durchführen. Die Rechtschreib­reform des Dritten Reiches aus dem Jahre 1944 ist den ursprünglichen Entwürfen der heutigen Reform verblüffend ähnlich […].

Nein, er liess sie eben nicht durchführen. Stellungnahme.

: Naheliegenden Vergleich als persönlichen Angriff mißverstanden II. Süddeutsche Zeitung, , nr. 122, Briefe an die Süddeutsche Zeitung
In der Tat möchten die Kultusminister mit ihrer "Neuregelung" in nahezu allen Fällen bisherige Schreibungen als angeblich fehlerhaft verbieten und dafür andere, meist schlechtere anordnen. Damit scheren sie aus der seit 100 Jahren bewährten einheitlichen Schreibung aus und bringen alle, die deutsch schreiben, in eine Zwangslage. 80 Millionen müßten sich, zum Teil immer wieder, zwischen dem angeblich überholten "daß" der Sprachgemeinschaft und dem angeblich progressiven "dass" der Kultusbürokratie entscheiden.

Es sind höchstens 40 millionen; der rest hat schon mit der «bewährten» schreibung ein problem: schreibkompetenz.

: Naheliegenden Vergleich als persönlichen Angriff mißverstanden III. Süddeutsche Zeitung, , nr. 122, Briefe an die Süddeutsche Zeitung
Die Rechtschreib­reform greift nicht nur in die Schulsprache, sondern auch in die Rechts-, Gesetzes-, Amts- und Wirtschaftssprache ein. Weshalb bleibt das Bundesverwaltungs­gericht bei solch einem wesentlichen Eingriff untätig und wartet die Entscheidung des Bundesverfassungs­gerichts ab, anstatt selbst die Rechtschreib­reform zu stoppen?
: Naheliegenden Vergleich als persönlichen Angriff mißverstanden IV. Süddeutsche Zeitung, , nr. 122, Briefe an die Süddeutsche Zeitung
Man kann nur darüber staunen, mit welcher Hartnäckigkeit das Märchen von der Schreiberleichterung unablässig wiederholt und allen Leuten, jetzt sogar den Verfassungs­richtern, eingehämmert wird. Von einer Erleichterung ist nämlich, im ganzen gesehen, keine Spur zu entdecken.

1998-05-26

: Schreibreform vor VfGH: Beschwerden aussichtslos. Die Presse, , Kultur & Medien
Im Juni wird sich der Verfassungsgerichtshof mit vier Beschwerden gegen die neue Recht­schreibung befassen. Sie dürften aus formalen Gründen scheitern. […] Die vier VfGH-Anträge eines Geschwisterpaars aus Zell am See, einer Wiener Gymnasiastin, einer oberösterreichischen Volksschülerin und eines Beamten, der als Pensionist Nachhilfeunterricht erteilt, argumentieren so: Die Reform hätte wegen des Legalitätsprinzips einer gesetzlichen Grundlage bedurft, und sie verstoße gegen Artikel 8 der Bundes-Verfassung, der die deutsche Sprache als Staatssprache festlegt — und zwar in der bestehenden, sich nur durch den ständigen Gebrauch wandelnden Form.

1998-05-21

(:) "Helmut, du bist prima, nur zu fett." Wenn Kinder sich an den Kanzler wenden, nehmen sie kein Blatt vor den Mund. Kieler Nachrichten,
Das Gros der Briefeschreiber (57 Prozent) ist gegen die Rechtschreib­reform. Einer von ihnen meint: "Du mußt sofort die Rechtschreib­reform stoppen, sonst streiken wir Schüler und schreiben grundsätzlich, wie es uns gerade einfällt. Zum Beispiel: Liper dikker Kannstler Koool. Du müssteßt direckt ferhienderen, daßß wier fallch schreipen."

1998-05-18

neu Nachgefragt: Reformstopp. Der Spiegel, , nr. 21, s. 20, Panorama (51 wörter)
Was meinen Sie? Die neue Rechtschreibreform … … sollte völlig gestoppt werden: 57 %, … sollte noch mal überarbeitet werden: 21 %, … sollte wie geplant in Kraft treten: 17 %. Emnid-Umfrage für den SPIEGEL vom 12.–13. Mai.

1998-05-14

: Kindsmissbrauch? Verfassungsgericht & Rechtschreibreform. Basler Zeitung, , s. 45, Feuilleton
Man kann mit guten Gründen der Meinung sein, es sei grober Unfug, das höchste deutsche Gericht überhaupt mit der Frage zu befassen, ob sit­zenbleiben künftig immer auseinander geschrieben werden und bei den Kommaregeln etwas freier verfahren werden dürfe. […] Ein Rechtschreib­test bei erwachsenen Deutschen kam zu dem Ergebnis, dass fast die Hälfte nur die Noten «mangel­haft» oder «ungenügend» verdienten. […] Ein unüber­sichtlich gewordenes Regelwerk vorsichtig zu beschneiden mag auch aus verfassungs­rechtlicher Sicht nicht ganz un­gerechtfertigt sein. Und der Rechtsberater der Bundes­regierung präsentierte den Richtern gar noch einen Grundrechts­paragraphen, auf den sich der staatliche Eingriff berufen darf. Es ist Artikel 7,1: «Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates
: Schweiz kümmert sich nicht um Karlsruhe. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , s. 2, Politik (383 wörter)
Die Schweiz wird unabhängig von der Ent­scheidung des Bundes­verfassungs­gerichts im Juli die Recht­schreib­reform wie geplant Anfang August einführen. Eine noch längere Ver­unsicherung der Bürger sei nicht zumutbar, sagte der Leiter des deutschen Sprach­dienstes in der Schweizer Bundes­kanzlei, Hauck.

1998-05-13

: Ein Recht aufs "ß"? Stuttgarter Zeitung, , Die dritte Seite (kommentar)
Eine seriöse, sprich: sachliche Debatte hat im Grunde nie stattgefunden, obwohl manche Ungereimtheit der Reformvorschläge sie durchaus erlaubt hätte. Aber Voraussetzung solcher Sachlichkeit wäre die Einsicht, daß Orthografie und Interpunktion nichts anderes sind als eine künstliche Übereinkunft. Wie man die Sprache aufschreibt, hat mit ihr selbst im Grunde nichts zu tun.
: Im Dickicht der Sprache. Die Verfassungsrichter sollen über die neue Orthographie entscheiden, doch wollen sie auf keinen Fall die letzte Instanz für gutes Deutsch sein. Süddeutsche Zeitung, , s. 3, Seite Drei
Das Gericht hatte die Creme der Experten geladen, wobei ein Großteil von ihnen auch beim Streit um die Rechtschreib­reform seit Jahren an vorderster Front steht. In dieser Arena war ihnen das gewohnte Hauen und Stechen naturgemäß untersagt, so daß man sehen konnte, welch zierlicher Umgangs­formen die Kämpen bei Bedarf fähig sind. […] Für die Kultusminister­konferenz trat deren Präsidentin Anke Brunn, die nordrhein-westfälische Wissenschafts- und Forschungs­ministerin, in den Ring. Sie verwies darauf, daß die Reform in einem offenen, demokratischen Verfahren auf den Weg gebracht worden sei. […] Christian Meier schien überhaupt für eine kleine Weile nicht ganz Herr seines ansonsten gerühmten Feinsinns zu sein. Wie sonst hätte es ihm unterlaufen können, die gegen Ende der Nazizeit angeleierte Rechtschreib­reform, den ”Rustschen Erlaß” von 1944, mit der nunmehrigen Orthographie­reform in Verbindung zu bringen. Frau Brunn sah sich zu einer Intervention genötigt, die ihr vom Senat denn auch nicht verwehrt wurde.
: Schlagabtausch um die Rechtschreibung. die tageszeitung, , nr. 5530, s. 7, Inland
Das Bundesverfassungsgericht verhandelte gestern über die Klage eines Ehepaares gegen die neuen Schreibregeln. […] Thomas Elsner und Gunda Diercks-Elsner wollen verhindern, daß ihre beiden 9jährigen Söhne, die Zwillinge Hinrich und Christoph, nach den neuen Rechtschreib­regeln unterrichtet werden. […] Juristisch wird vor allem mit dem Elternrecht argumentiert. Kritisiert wird, daß Eltern ihre Kinder beim Erlernen der deutschen Sprache "nicht mehr begleiten" könnten. "Schon der Zwang, ständig im Wörterbuch nachsehen zu müssen, ob sich etwas geändert hat, ist unzumutbar", so Anwalt Schüller. Im Grundsatz lehnen die Kläger eine staatliche Sprach­kompetenz rundweg ab. "Der Staat darf Geldmünzen prägen, aber nicht die Schreibweise eines Volkes", postulierte Professor Gröschner. Zumindest aber hätte die Neuerung nur per Gesetz eingeführt werden dürfen und nicht - wie in allen Bundesländern geschehen - als Verwaltungs­vorschrift. […] Gleich zu Beginn der Verhandlung wies Hans-Jürgen Papier, der neue Vorsitzende des Ersten Senats, darauf hin, das Gericht werde nicht in "linguistische oder gar sprach­ästhetische Fach­streitigkeiten" eingreifen, sondern sich vor allem auf Zuständigkeits- und Verfahrens­fragen konzentrieren.

1998-05-12

: Steht die Rechtschreibreform vor ihrem Ende? Heute verhandelt das Bundesverfassungsgericht; es geht dabei um Grundrechte und nicht um die neuen Schreibregeln. Saarbrücker Zeitung, , Themen des Tages (797 wörter)
Über die Grenzen der Demokratie mußte man sich im Jahr 1901 keine Gedanken machen. Allerdings strit­ten schon damals Fachleute über die richtige Rechtschreibung. Ergebnis: Die Staatliche Ortho­gra­phie-Konferenz fällte mehrere Beschlüsse, die für die Schulen per Erlaß verbindlich gemacht wurden. Damals regte sich niemand über diese Vorgehens­weise auf.
: Wir und unsere Sprache. Heute verhandelt Karlsruhe über die Rechtschreib-Reform. Saarbrücker Zeitung, , Themen des Tages, Kommentar (519 wörter)
Bei einigen Entscheidungen haben sich die Karls­ruher Richter viel Zeit gelassen, über drei Jahre zum Beispiel dafür, daß sie über das saar­ländische Presse­recht nicht be­finden wollten. Hoffen wir, daß sie diesmal schnell entscheiden und dem Spuk um die Recht­schreib-Reform ein Ende setzen.

1998-05-11

: Kontrapunkte zur Rechtschreibreform. Die Welt, , nr. 108, s. 4, Forum, Die andere Meinung
Der Kernpunkt der Kritik ist die Frage nach der Legitimation der Kultus­bürokratie, die neuen Rechtschreib­regeln kurzerhand auf dem Verordnungs­wege und ins­besondere zwei Jahr vor dem ver­einbarten Termin in den Schulen ein­zuführen.

1998-05-08

: Ist die Reform unzulässige Sprachbeeinflussung? Das Bundesverfassungsgericht verhandelt über die neuen Rechtschreibregeln. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , s. 16, Zeitgeschehen (1141 wörter)
Ein Ende Streit um die Rechtschreibreform erhoffen sich Gegner und Befürworter der neuen Schreib­regeln von der Entscheidung des Bundes­verfassungs­gerichts. Am Dienstag nächster Woche wird der Erste Senat öffentlich über das Reformwerk verhandeln, das zum 1. August eingeführt werden soll, in vielen Schulen aber schon seit dem ver­gangenen Jahr gilt. Die Richter haben über die Verfassungs­beschwerde eines Lübecker Eltern­paares zu ent­scheiden, das seine beiden schul­pflichtigen Kinder in der bisherigen Schreib­weise unter­richtet wissen möchte, ent­sprechende Eilanträge waren vom Verwaltungs­gericht Schleswig und dem Ober­verwaltungs­gericht Schleswig zurück­gewiesen worden.

1998-05-06

: Die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung. Mitteldeutsche Zeitung, . Abdruck: Der Sprachdienst, 9./10. 1998, 42. jg., nr. 5, s. 183f
Zu einem vielbeachteten Vortrag von Klaus Heller am 4. 5. in Halle an der Saale.

1998-05-02

: Von oben herab. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , s. 12, Zeitgeschehen, kommentar
Man mag es schon nicht mehr hören: Rechtschreib­reform. Mit dieser Abnutzung des Interesses rechnen die Kultus­minister, die nichts anderes im Sinn haben, als die Neu­regelung durch­zusetzen — Augen zu und durch.

1998-04-30

: "Schreibverwirrung." Unterschriftenaktion der Reformgegner endet heute. Kieler Nachrichten,
Zum Abschluß der Aktion trat Dräger gestern mit einer Reihe nahmhafter Kieler Professoren auf. […] Der Germanist Prof. Hubertus Menke registriert unter Kollegen Empörung.
: Stellungnahme zu Wolfgang Löwers Revisionsbegründung in der Verwaltungsstreitsache Holstein / Land Berlin (eingereicht beim Bundesverfassungsgericht am 30.4.1998). ,
Indem Löwer marginale Erscheinungen, über die zum Teil verschiedene Meinungen möglich sind, in den Vordergrund stellt und die fundamentale Kritik an zentralen Entscheidungen der Reform kaum oder gar nicht erwähnt, gerät die Tatsache aus dem Blick, daß das neue Regelwerk in zentralen Bereichen fehlerhaft und widersprüchlich, seine praktische Umsetzung daher a limine ausgeschlossen ist. […] Mit ihren willkürlichen Eingriffen zerstört die Reform die Grundlage der schriftsprachlichen Bildung.

1998-04-08

: Die obrigkeitliche Rechtschreibereform; ein Diskussionsbeitrag über Sprache und Demokratie. Neue Zürcher Zeitung, , nr. 82, s. 17, Inland
(Vorspannn der redaktion:) Die Reform der deutschen Orthographie ist primär aus sprachlichen und praktischen Gründen umstritten. In Deutschland hat sich die Auseinandersetzung auf die rechtliche Frage verlagert, welches Organ für den Entscheid kompetent sei. Auf einer grundsätzlicheren Ebene zweifelt der Autor des folgenden Diskussionsbeitrags daran, dass es einem freiheitlichen Staat überhaupt zustehe, die Sprache zu verändern, statt deren Entwicklung nur nachzuvollziehen. […] Es ist nicht Aufgabe von Erziehungsdirektoren, die Sprache unseres Volks durch Schulunterricht zu ändern. […] Die neue Regelung ersetze «jene von 1902 und die anschliessenden Ergänzungsverordnungen», Regelungen also, die es in der Schweiz nicht gegeben hat.

Das muss wohl so verstanden werden, dass der duden in der Schweiz weniger verankert sei als in Deutschland. Das gegenteil ist der fall — seit 1892! Siehe stellungnahme des BVR.

1998-04-04

: Professoren protestieren gegen Rechtschreibreform; an Hochschulen werden Unterschriften gesammelt. Die Welt, , Deutschland
55 Linguistik-Professoren haben mit ihren Unterschriften ihren Protest gegen die "wissenschaftlich unhaltbare" Rechtschreib­reform bekräftigt.

1998-04-02

Land der deutschen Rechtschreibzwerge. Die Presse, , Kultur & Medien
Joachim Kaiser, deutscher Kulturkritiker, attackiert die deutschen Kultusminister wegen der Schreibreform. Ein "Kollektiv-Versagen sämtlicher Kultusminister gegenüber den Absurditäten, die sie — ohnehin wahrscheinlich nur halbüberzeugt — mit ihrer Rechtschreib­reform geschaffen haben", konstatierte der deutsche Kulturkritiker Joachim Kaiser in der "Süddeutschen Zeitung" gestern, Mittwoch.

1998-04

: Neue Rechtschreibregeln: «Das Märchen von tausendundeiner Differenz». Sprachspiegel, , 54. jg., nr. 2, s. 84, Aufgeschnappt
Unter diesem ironischen Titel überprüfen Kerstin Günthert und Klaus Heller vom Institut für deutsche Sprache in Mannheim in einem Aufsatz in der Zeitschrift «Muttersprache» (4/97) den Hauptvorwurf der Gegner der neuen Recht­schreibung: deren Regeln seien unklar, und das habe bereits in den verschiedenen Wörterbüchern zu «Tausenden» von verschiedenen Auslegungen geführt. […] Die Differenzen sind also weder so schwerwiegend noch so zahlreich wie die Gegner der Rechtschreib­reform behaupten, und vor allem können sie zum grossen Teil überhaupt nicht der neuen Regelung angelastet werden.
: Zu Christoph Jäkels Beitrag über die Rechtschreibreform (Rechtstheorie 27/1996, S. 491—514). tribüne, (), nr. 1998/2, s. 14 bis 16
Daß die Medienschlacht um das Reformwerk mit allen Tricks der massendemokratischen Propaganda, mit harten Bandagen und durchwegs ohne Sachkenntnis geschlagen wird, war mir bewußt. Bestürzend und neu ist es dagegen, den Formeln und Motiven dieser unsachlichen Debatte im Gewande juristischer Expertise zu begegnen. […] Die Kernthese der Autors, es handele sich um eine »Sprachreform«, nicht um eine »Rechtschreib­reform«, ist völlig unhaltbar.

1998-03-28

: Schadensbegrenzung. Die Welt, , s. 4, Forum
Der Bundestag hat sich in einem flaumweichen Beschluß von der Einführung der neuen Recht­schreibung bei den Bundesbehörden distanziert. […] Die weiteren Entscheidungen liegen bei der Bundesregierung, beim Bundesverfassungsgericht und bei Volksentscheiden. Quälender kann ein Verfahrensgang nicht sein, an dessen Ende nur eins stehen kann: das Ende der Reform.
: Bonn verweigert sich dem Schulbuch-Coup. Die Presse, , Kommentare
Der deutsche Bundestag fällte am Donnerstag abend nach hitziger Debatte ein Votum zur Rechtschreib­reform — und machte ahnen, wie eine Abstimmung im österreichischen Nationalrat enden könnte, wäre sie erst einmal zugelassen: Die Skepsis überwog, das neue Schreibdeutsch wird als Amtssprache nicht zugelassen.
: Chaotische Rechtschreibreform: Jetzt steigt Bonner Regierung aus. Die Presse, , Kultur & Medien
Der Bundestag hält die "Wiener Erklärung" nicht für rechtsverbindlich. Die neuen Rechtschreibregeln sollen noch einmal gründlich überdacht werden.

1998-03-25

"Nehmen Schreibreform nicht klaglos hin." Die Presse, , Kultur & Medien
50 Professoren für Sprach- und Literaturwissenschaft haben eine Erklärung gegen die Rechtschreib­reform unterzeichnet.

1998-03-19

: Wenn jeder Buchverkäufer «seinen» Preis macht. Basler Zeitung,
Von der Darmstädter «Akademie für Sprache und Dichtung» bis zum Schriftstellerverband scharte man sich hinter einem bayerischen Gymnasiallehrer zusammen, der — vom Furor teutonicus besessen — zum Kreuzzug für das richtige Deutsch blies. Das richtige Deutsch ist jenes, das im wilhelminischen Geist um die Jahrhundertwende verordnet wurde. Ein Deutsch, das mit Monokel, weissen Handschuhen und gedrechseltem Schnauzbart daherkommt.

1998-03-05

: Engagement statt Politikfrust. Die Furche (), , Gesellschaft (997 wörter)
So machte eine Wiener Schülerin beim Treffen der öster­reichischen Kinder­gemeinderäte in Graz ihrem Ärger Luft: "Ich find' Politik manchmal ganz schön blöd. Im Parlament wollten sie eine neue Schrift, und wir haben noch nicht einmal die richtigen Bücher dazu gehabt", beschwert sich die Sechs­jährige aus ihrer Sicht über die Rechtschreib­reform.

1998-02-26

: Die Oberlehrer-Konferenz. Wenn die Kultusminister tagen, ist für Stillstand im Bildungswesen gesorgt. Die Zeit (), , 53. jg., nr. 10, s. 15, Dossier
Und was dann unter dem Einigungs­zwang übrig­bleibt von einer Reformidee, ist jeweils ihr kleinster ge­meinsamer Nenner, ein rund­gelutschter Kompromiß, der fest verpackt zwischen Akten­deckeln in den Amts­stuben ver­schwindet - bis zur Wieder­vorlage. Da liegt zum Beispiel die Rechtschreib­reform: Sie steht schon von Anfang an auf der Agenda der KMK und kann das fünfzig­jährige Jubiläum gleich mit­feiern. Zwar haben sich die Minister jüngst endlich geeinigt, doch der Ausgang ist tragisch. Juristisch ist das Reform­werk umstritten und be­schäftigt die Richter ebenso wie die Lehrer. Und nicht nur die. Eine halbe Nation steht auf den Barrikaden - voran Dichter und Denker.
: Leberkäs' und Denkverbot. Nur kulinarische Köstlichkeiten trösten über den gnadenlosen Proporzzwang der Kultusministerkonferenz hinweg. Die Zeit (), , 53. jg., nr. 10, s. 16, Dossier
Ihren Mitgliedern gewährt die Konferenz seit fünfzig Jahren tiefe Ein­blicke in die Gemüts­lage der Bundes­republik. […] In einem Moment be­sonderer Leere flüstere ich meinem Nachbarn zu, daß die Tages­ordnung so viele teure Dienst­reisen nicht lohne, und bekomme den Zorn des sächsischen Staats­ministers Meyer zu spüren, der zum ersten Mal das Wort "Obergine" in dieser Schreib­weise in seinen Akten findet. […] Heute führt die KMK mit Schrift­stellern und Querulanten gleicher­maßen einen Kampf um den Bestand des deutschen Kulturgutes "ß".
: Deutschland, dein Spiegelbild. Die risikoscheue Gesellschaft und ihre Freunde, die Kultusminister. Die Zeit (), , 53. jg., nr. 10, s. 18, Dossier
In Wahrheit ist die KMK, gemessen an ihren Handlungs­bedingungen und an dem Niveau bundes­deutscher Handlungs­fähigkeit, besser als ihr Ruf. Die absurde Debatte über die maßvolle Neuregelung der Recht­schreibung beweist, daß die KMK in ihrer Reform­willigkeit weiten Teilen der Ge­sellschaft ein be­trächtliches Stück voraus ist.

1998-02-23

neu : Hat die Rechtschreibung (k)eine Zukunft? Ein Eingriff in die sprachliche Integrität? Helvetische Typographia, , nr. 7

Vorwärts, 1998-02-13

1998-02-20

neu : Entscheid über die neue Rechtschreibung im Sommer. Neue Zürcher Zeitung, , nr. 42, s. 5, Ausland (100 wörter)
Das Bundesverfassungsgericht will im kommenden Sommer über die umstrittene Rechtschreibreform entscheiden. Laut dem Vizepräsidenten des Gerichts, Seidl, drängt sich eine Entscheidung noch vor Beginn des neuen Schuljahres auf.
: Ein Projekt des «Klassenfeindes». Die russische Orthographiereform und ihre Wurzeln. Neue Zürcher Zeitung, , nr. 42, s. 46, Feuilleton
Im heutigen Russland wird immer wieder die Behauptung aufgewärmt, die Reform sei nur eine von den unzähligen Schandtaten des bolschewistischen Regimes. Einer historischen Überprüfung hält diese Behauptung allerdings nicht stand. Die Bolschewiki führten lediglich ein Projekt durch, das vom «Klassenfeind» erdacht und bis in alle Einzelheiten vorbereitet worden war. […] Eine Rückkehr zu den vorrevolutionären Schriftverhältnissen, wie sie allen Ernstes manchmal gefordert wird, ist eine realitätsfremde, ganz abstruse Vorstellung.

1998-02-14

: Augen zu und durch. Der jüngste Beschluss der Politik zur Rechtschreibreform. Neue Zürcher Zeitung, , 219. jg., nr. 37, s. 46, Feuilleton (623 wörter)
Dementsprechend gibt es ein einhelliges Bekenntnis zum 1. August 1998 als offiziellem Tag der Reform­einführung und dazu, die alte Beschluss­lage von 1996 nicht anzutasten. Man dankt der Reform­kommission für ihre Arbeit in an­erkennenden Worten, düpiert sie jedoch de facto, indem man ihr anempfiehlt, sie solle ihren Änderungs­bericht nicht als Vorschlag und Neufassung, sondern einfach als «Kommentar» zum Reform­werk verkaufen – und in eigener Verantwortung ver­öffentlichen.
neu Gisa Berger: Die Rechtschreibreform und der Widerstand gegen Unvernunft. Der Bürger-Oscar für besondere Leistungen. Passauer Neue Presse, , lokalteil Passau-Stadt (803 wörter)
Gisa Berger, Fremdsprachenlehrerin an der Carl-Zeiss-Gesamtschule in Berlin-Lichtenrade und in Tiefenbach bei Passau zu Hause, kann es nicht lassen. Immer dieses Einmischen müssen. Sobald sie Unvernunft wittert, muß sie sich ihr in den Weg stellen. Zum Beispiel bei der Rechtschreibreform. Wie hätte sie die denn ihren Schülern nahebringen sollen? Also hat sie ihnen erklärt, was sie davon hält. Nämlich gar nichts. […] Mehr als 2000 Unterschriften gegen die Reform hat sie gesammelt […].
neu Eine Rechtzeitige. Passauer Neue Presse, , lokalteil Passau-Stadt (412 wörter)
Einer der prominentesten deutschen Schriftsteller, Gert Heidenreich, hielt die Laudatio auf die Oscar-Preisträgerin Gisa Berger. […] Ein Auszug aus seiner Rede: […] Kompliziert, mühsam und nicht ungefährlich ist es, Tradition als Fortschritt zu verteidigen. Eben dies aber gilt es in der Frage der geschriebenen Sprache. Der Begriff Recht-Schreibung suggeriert eine Gewißheit, die vorläufig ist. Schreibungen sind stets nur zweitweise richtig und entwickeln sich unaufhörlich. Sprache ändert sich jederzeit. Schreibweisen und Idiome setzen sich durch oder versinken. Sprache lebt und stirbt, ohne dazu "verregelt" worden zu sein. Wer erführe dies besser als Lehrer?
: Ein- oder vielfältig? Die reaktionäre Kultusministerkonferenz wird 50 - sie ist älter als die Bundesrepublik Deutschland, reaktionärer als der Papst und gelegentlich das Objekt von Haßausbrüchen. die tageszeitung, , nr. 5458, s. 20, Spezial
So richtig bekannt geworden ist die KMK jedoch erst im Herbst 1996: Damals bemerkten zunächst einige aus den Ferien zurückgekehrte Schriftsteller, daß am 1. Juli der Präsident der KMK sowie ein Vertreter des Bundesinnenministeriums gemeinsam mit den Abgesandten der deutschsprachigen Staaten eine Erklärung unterschrieben hatten, auf Grund derer sie die in den beiden vorausgehenden Jahren untereinander abgestimmte Rechtschreib­reform umzusetzen gedachten.

1998-02-13

neu : Hat die Rechtschreibung (k)eine Zukunft? Vorwärts (Zürich), , 54. jg., nr. 7, Kultur (1404 wörter)
Kaum haben wir sie, die Rechtschreibreform, soll sie wieder gekippt werden. Die Medien sprechen bereits von einem neuen Kulturkampf, soviel Aufhebens wird um das bescheidene Reformwerk gemacht. Bei den Gegnern heisst es, sie sei ein «Eingriff in die sprachliche Integrität» und damit in unsere Grundrechte. Was steckt hinter diesem Reformunwillen und um welchen «Eingriff» geht es überhaupt? […] Heisst es nun «Seil springen» oder «seilspringen», «rechthaben» oder «Recht haben»? Hier müsste eine radikalere Reform insbesondere die Fehlerindikatoren von Schülern berücksichtigen, die, wie in pädagogischen Studien bewiesen, vorallem die Kleinschreibung favorisieren. Es bleibt also Arbeit für weitere Reformbestrebungen.
: Schluckt endlich den Frosch! Die Rechtschreibreform als Lachnummer. Saarbrücker Zeitung, , Leitartikel, Glosse (510 wörter)
Doch die Herren Minister haben nur Gewalt über die Schulpolitik. Wie Bundes­behörden und Bundes­ge­richte die Bürger an­schreiben werden, das darf der Bundestag festlegen, der bereits vor Monaten sein Contra zur Reform durchblicken ließ. Also erfolgt nun die Droh­gebärde des Bonner Rechtsaus­schus­ses, der die Reform zwar nicht mehr in Gänze kippen will, dem Bundestag aber empfiehlt, die Amts­sprache auf keinen Fall schon am 1. August um­zustellen. Findet dieser Entschließungs-Entwurf die Bundestags­mehrheit, würde Deutschland ein Land der zwei Orthographien: einer Bonner (alten) Ver­sion und eines reformierten Schul-Deutschs, denn die Reform liefe ja auf Länder­ebene weiter. Das wä­re dann der Gipfel der Absurdität.
: Vom Reißbrett ins Grab. Rechtschreibreform: Staatsrechtler prophezeit Todesstoß. Saarbrücker Zeitung, , Themen des Tages (458 wörter)
Blickt noch wer durch? In ihrer Ratlosigkeit, wer denn nun wie über Wohl und Wehe der geplanten Recht­schreibreform entscheidet, hält sich auch die treueste Fan-Gemeinde des Trauer­spiels Schreib-Re­form mittler­weile am liebsten ans "juristische Elfmeter­schießen" vor deutschen Gerichten. Zwi­schen­stand derzeit: 18:11 für die Ein­führung der Reform.
: Das Schreiben und das Lesen. Die Presse, , Kommentare
Deutschlands Kultusminister sind einig. Sie beharren auf der von ihnen selbst dekretierten Rechtschreib­reform. […] Und daß Österreich da wie selbstverständlich mitmacht, ist auch keine große Sensation. Wenn sie nicht — wie die Schweiz in Sachen ß/ss — den Alleingang wagt, dann bleibt der Alpenrepublik meist nur das zu tun, was Deutschland vorgibt. Sei es bei der Währung, sei es bei der Recht­schreibung. […] Immer mehr Akademien, Universitätsinstitute und Autoren haben, ähnlich wie "Die Presse", angekündigt, daß sie die neuen Regeln ignorieren werden. Nur die armen Volksschulkinder bekommen sie aufgezwungen. Und werden verwirrt, weil sie in der Schule andere Regeln lernen, als sie in der Gesellschaft praktiziert werden.

1998-02-12

: Schreib-Probleme, die es gar nicht gibt. Züri-Woche, , nr. 7, s. 15
Ob sie kommt oder nicht, ist ungewiss. Dennoch gibt die deutsche Rechtsschreibereform viel Diskussionsanlass: Manche Zürcher Unternehmen stellen sich ein auf sie, andere denken nicht daran. Überraschend allerdings: Ob von der Reform viel zu merken ist, darf bezweifelt werden. […] Alex Neuenschwander, Chefkorrektor des Nachrichtenmagazins «Facts», ist überzeugt, dass der Grossteil der Leser «es gar nicht gemerkt habt, dass wir schon seit einem Jahr die neuen Rechtschreiberegeln anwenden». […] Stephan Dové, der Chefkorrektor bei der «Neuen Zürcher Zeitung» hat einmal eine eng bedruckte Seite seines Blattes auf Änderungen gemäss den neuen Regeln hin untersucht, und nur gerade drei gefunden. «Es ändert sich fast nichts», lautet sein Fazit.

1998-02-09

neu : La Querelle des Bouffon(ne)s. Frankreichs «Rechtschreibreform». Neue Zürcher Zeitung, , 219. jg., nr. 32, s. 25, Feuilleton (325 wörter)
Ostentativ beedeutet Frankreichs Kulturministerin Catherine Trautmann, man solle sie statt mit dem offiziellen, korrekten, gängigen «Madame le Ministre» mit «Madame la Ministre» anreden. […] Den Vorfall aufgreifend, plädierte der Schriftsteller Jean-Pierre Ceton für eine grundsätzliche Vereinfachung der französischen Sprache. Seiner zahllosen Sinnwidrigkeiten wegen sei das gallische Idiom heute immer weniger in der Lage, die menschliche Kommunikation zu erleichtern. Die Koexistenz mehrerer Schreibweisen – «oignon/ognon», joumals/joumaux» – sei durchaus wünschenswert.

1998-01-27

: Stoppt die Schreibreform: Es ist nicht zu spät. Die Presse, , Kommentare, Gastkommentar
Die "Neuregelung" ist in sich unstimmig und wird nur zu neuer Verwirrung führen. Die sogenannte "Rechtschreib­reform" kann als reichlich verspätete Folge der "68er"-Bewegung gesehen werden, die die Regeln der Recht­schreibung als Folter- und Beugeinstrumente einer autoritären Gesellschaft ausgemacht hatte.

1998-01-26

: Reform stürzen, Ruine retten. Süddeutsche Zeitung, , Meinungsseite
Als der Kritiker Friedrich Denk von den Bergen gestiegen war, um sich der Enttäuschten anzunehmen, gewärtigte mancher nur eine kulturpolitisch spannende Posse. Bald jedoch zeigte es sich, daß Denks Initiative für weitaus mehr gut war. Insbesondere war sie es dafür, der breiten Masse wieder bewußt zu machen, wieviel an Heimat ihr das dürre Orthographie-Gestrüpp bedeutet. Auch die Kultusminister dürften mit diesem Effekt kaum gerechnet haben, sonst hätten sie ihre Strategie damals vielleicht geändert. Es wäre nämlich durchaus denkbar gewesen, das Unternehmen als solches abzublasen, dessen brauchbare Hinterlassenschaft dem Volk aber peu à peu gewissermaßen unterzuschieben.
: Mogelei um ein Kinderthema? Der Standard, , s. 21, Kommentar der anderen
Die Behauptung von der großen Erleichterung ist glatter Etikettenschwindel. Die neue Recht­schreibung ist im wesentlichen die alte. (. . .) Wenig verwunderlich, wenn man bedenkt, daß von den 12.000 Wörtern des schulischen Grundwortschatzes bescheidene 185 zwar geändert, aber noch längst nicht vereinfacht werden.

1998-01-23

Deutsche Schriftsteller für Sachlichkeit in Rechtschreib-Streit. dpa, , 06:00 Uhr
Viele deutsche Schriftsteller hätten sich eine weitergehende Reform gewünscht, sagte Bittner, der Autor zahlreicher Abenteuerromane und Kinderbücher ist. So wäre beispielsweise die Einführung einer gemäßigten Kleinschreibung, wie im gesamten Ausland üblich, auch in Deutschland angebracht.

1998-01-22

: Zoff im Bermuda-Viereck der deutschen Sprache. Fällt das «Unwort des Jahres» in Ungnade? Neue Zürcher Zeitung, , Nr. 17, s. 20, Vermischte Meldungen
Wie man schon verschiedentlich hören konnte, sollen diese Wort- und Unwort-Ranglisten sehr populär sein. Wenn dem so ist, dann wird da ein krasser Gegensatz sichtbar zur Unpopularität der Rechtschreibereform, die längst im Morast kollektiver Egoismen und Eitelkeiten versunken ist. Aber wieso sollen Linguisten, Literaten und andere Liebhaber der Sprache weniger streitsüchtig sein als die Eltern der kleinen Abc-Schützen? Übrigens hält sich hartnäckig das Gerücht, für das Wort «Rechtschreibereform» seien bei der Frankfurter Jury mit Abstand am meisten Nennungen aus dem Publikum eingegangen. Wenn das stimmt, werden die Sprachhüter noch in arge Erklärungsnot kommen: Warum haben sie ausgerechnet den «Wohlstandsmüll» gewählt?
: Ganz wie es uns gefällt? Weshalb die Reparatur-Versuche an der Rechtschreib-Reform einem Offenbarungseid gleichen. Saarbrücker Zeitung, , Themen des Tages
Fakt bleibt, daß die langweiligste Sache der Welt - die spröde Lehre von der rechten Orthographie - längst die Qualität eines Glaubensbekenntnisses gewonnen hat. […] Eines ist jedenfalls sicher: Von der mit so viel Bandagen durchgeboxten Reform bleibt nach dieser Revision außer einigen Fingerzeigen wie der bekannten "ß"-Regelung ("ss" für "ß" nach kurzem Vokal) nicht allzu viel übrig.

1998-01-20

: Wenn Reformen zum Rohrkrepierer werden. Die Welt, , Forum, Die andere Meinung
Nicht gefragt wurden die Träger deutscher Schriftkultur, die Journalisten und Schriftsteller, Wissenschaftler, Juristen, Verleger. Mit dem Trojanischen Pferd der Verordnung für die Schule soll ihnen eine Recht­schreibung aufgezwungen werden, nach der keiner verlangt hat und die die allermeisten ablehnen.

1998-01-17

: Nicht zu spät für Stopp der Reform. Die Presse, , Kultur & Medien
Christian Meier, Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt, fordert den Stopp der Rechtschreib­reform: "Man mutet uns zu, evidente Dummheiten zu begehen." […] Christian Meier: Wir finden uns nicht bereit, mit der Kommission fünf Stunden lang zu verhandeln, weil wir darin keinen Nutzen sehen. Die sind verrammelt und handlungsunfähig, weil sie so tun müssen, als ob alles beim alten bliebe.

1998-01-15

: Jedem seinen Duden. Die Weltwoche, , 65. jg., nr. 3, s. 1
Mehr als zwanzig Jahre haben die Neuregler der Sprache verplempert, um ein paar Spitzfindigkeiten auszuhecken, auf die kein Mensch gewartet hat.
: Maximenhimmel und Regelwirklichkeit. Nachrichten vom Rechtschreibestreit. Neue Zürcher Zeitung, , Feuilleton
Dass die Kommission keine der neuen Regeln vollständig zurücknimmt, sondern sie nur lockert mit der Tendenz, neben den neuen auch wieder alte Schreibungen («Varianten») zu erlauben, besiegelt nach dem Urteil der Reformgegner das Desaster. […] Damit wir bei […] frisch gebackenen Ehepaaren an Backöfen denken, muss mehr über uns hereinbrechen als eine Rechtschreibereform Mannheimer Zuschnitts.

1998-01-14

: Deutsche Rechtschreib­reform: Jetzt herrscht das totale Chaos. Die Presse, , Kultur & Medien
Von der Regelungswut zur völligen Beliebigkeit: Die Rechtschreibkommission setzt sich dem Vorwurf groben Unfugs aus. Schüler, die bereits danach lernen, Lehrer, denen die Haare zu Berge stehen, Experten, die Ratschläge erteilen, Eltern, die klagen, Bürger, die Volksbegehren anstrengen, Kultusminister, die Kompromisse suchen, Richter, denen Entscheidungen abgenötigt werden, Verlage, die ein Desaster befürchten — die Verwirrung um die Rechtschreib­reform könnte größer nicht sein. […] Es vergeht kaum ein Tag, an dem nicht zur Verwirrung beigetragen wird. Der jüngste Coup war der Vorschlag der "Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Recht­schreibung", wonach bei der geplanten Reform neben der neuen Schreibweise auch viele alte Varianten zugelassen werden sollen.

1998-01-12

: Rechtschreibung in den Fängen der Rechtsprechung. Der Bund, , nr. 8 (2060 wörter)
Die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung hat zu heftigen Diskussionen geführt und ist sogar zum juristischen Streitfall geworden. […] In Deutschland liegen bis jetzt 22 Gerichtsentscheide vor und etliche Verfahren sind noch hängig. […] In Österreich und der Schweiz ist die Rechtschreibung bis jetzt je einmal vor Gericht gekommen. […] Heftige und polemische Diskussionen begleiten deshalb jeden Versuch, die Rechtschreibung zu reformieren. Das war im 19. Jahrhundert so bei den Vorstössen, die letztlich zu der heute geltenden Rechtschreibung geführt haben, wie auch bei all den Anläufen zu einer Reform in unserem Jahrhundert. Hier liegt ein Versäumnis der Reformer vor. Zwar wurde regelmässig über die Arbeiten informiert, aber man hat viel zu wenig die Beweggründe des Ganzen und den Umfang der zu erwartenden Änderungen vermittelt.
Deutsche Akademie verweigert. Die Presse, , Kultur & Medien
Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung wird an den Gesprächen, zu denen die Reformkommission lädt, nicht teilnehmen. "Da wir die Rechtschreib­reform ablehnen, übrigens auch der Meinung sind, daß der Staat zu tieferen Eingriffen in die Recht­schreibung gar nicht legitimiert ist, kann man schlecht von uns erwarten, daß wir uns an etwas beteiligen, was zum Zweck hat, die geplante Schreibung annehmbarer zu machen". Christian Meier […]

1998-01-10

: Reform wird nicht reformiert. Der Bund, , 149. jg., nr. 7, s. 52
Dass nun in einigen Fällen parallel auch die alte Schreibweise gültig bleiben soll, bedeute keine Reform der Reform, sagte Augst im «Deutschlandradio Berlin».

1998-01-09

: Neue Vorschläge "grober Unfug". Schreibreform: CDU- und SPD-Politikerinnen fordern Ablösung der Rechtschreibkommission. Saarbrücker Zeitung, , Themen des Tages
Die kulturpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Erika Steinbach, hat die sofortige Auflösung der Rechtschreib­kommission gefordert. […] "Grober Unfug ist eine harmlose Umschreibung dessen, was die Rechtschreibkommission angerichtet hat."

1998-01-03

: Die Buchstaben und der Geist. Wie die Bolschewiki 1918 die Orthographiereform durchsetzten. Neue Zürcher Zeitung, Samstag, , nr. 1, s. 43, Feuilleton
Gezielte Eingriffe in die Recht­schreibung sind immer ein Politikum. In der Einstellung zur Rechtschreibereform teilen sich die Menschen in «Radikale» und «Konservative». Die ersten wollen die Schriftsprache dem «Volk» näherbringen, indem sie sie «demokratisieren»; die letzteren sehen darin die Gefahr der Simplifizierung. So ist es heute in Deutschland, so war es vor achtzig Jahren in Russland, als die Bolschewiki per Dekret die neue Orthographie einführten. […] Das profane Russisch führte bis ins 20. Jahrhundert hinein Reste von Kirchenslawisch mit sich: mehrere Schriftzeichen, die entweder nicht ausgesprochen wurden […], oder […] Buchstaben […], die fast gleich ausgesprochen wurden, sollten auf nur einen Buchstaben reduziert werden. […] Erst nach der Machtübernahme der Bolschewiki wurde die Reform in abgemilderter Form, aber mit diktatorischen Mitteln umgesetzt.

1998-01-02

neu : Offenbarungseid der Schreibreformer. Süddeutsche Zeitung, , s. 17, Leserbriefe (440 wörter)
Seit Dieter E. Zimmers Vergleich in der Zeit> vom 26. September 1996 ist bekannt, daß es zahllose Differenzen zwischen Duden und Bertelsmann gibt. Daß es etwa 8000 Widersprüche waren (1000 Wortschreibungen und 7000 Silbentrennungen), wurde Anfang Juli 1997 durch Peter Eisenberg und Werner Hauck bestätigt, denen als Mitgliedern der Mannheimer Kommission mehr als 100 Seiten Vergleichslisten vorlagen.

1998

: Gedanken über die deutsche Orthographiereform und ihre Kritiker. Interlinguistische Informationen, Beiheft 4 (), , s. 18 bis 21, Soziokulturelle Aspekte von Plansprachen (2707 wörter)
Jede gesellschaftliche Konvention könnte besser sein, als sie ist; so auch ein Recht­schreibungssystem. Deshalb waren und sind fast in jeder Sprach­gemeinschaft ortho­graphische Regelungen Gegenstand von Reform­überlegungen. Solche haben in dem zu Ende gehenden Jahrhundert in der Mehrzahl der europäischen Sprachen zu ortho­graphischen Neuerungen ver­schiedenen Ausmaßes geführt. (Wo an der Recht­schreibung nichts verändert wurde, lag das nicht allemal an ihrer Vor­trefflichkeit – auch ihre Unreformier­barkeit oder gesellschaft­liche Unbeweglich­keit können die Ursache sein.) […] Die Reform wegen ihrer Unzulänglich­keit abzulehnen bedeutet nicht, den Weg für gründlichere Ver­besserungen frei zu machen; vielmehr würde damit das Geschäft derjenigen besorgt, welche die deutsche Recht­schreibung auf unabsehbare Dauer zur Unveränderlich­keit ver­urteilen wollen.
: Zwölf Thesen und zwei Texte zu einer alternativen deutschen Recht­schreibung. Interlinguistische Informationen, Beiheft 4 (), , s. 55 bis 56, Soziokulturelle Aspekte von Plansprachen
Auch nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes […] ist die von der Kultusministerkonferenz verfügte "Rechtschreib­reform" äußerst umstritten. Aus linguistischer Sicht ist sie eher als die Karikatur einer Reform zu bezeichnen, geeignet, jeden Gedanken an eine Reformierung der deutschen Orthographie, die auch diesen Namen verdient, für Jahrzehnte zu diskreditieren. Die Orthographie sollte für jeden leicht erlernbar sein, der die zu schreibende Sprache beherrscht oder erlernt.