Die «Neue Zürcher Zeitung» wird in einigen Wochen einen Teil der Änderungen gemäss der neuen Rechtschreibung übernehmen. Als Nachschlagewerk wird für die NZZ Duden Band 1 («Die deutsche Rechtschreibung», 21. Auflage) verbindlich sein — und zwar in seiner traditionsbezogenen Version. Das heisst: überall dort, wo Duden die hergebrachten Formen zulässt, werden wir diese anwenden. Mit Sonderfällen werden wir uns noch speziell befassen.
Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
Aus presse und internet
31. 7. 1999
In der "Berliner Zeitung" wird die neue Schreibweise in der Montag-Ausgabe (2. August) erstmals angewendet. Wir folgen damit einer Verabredung, auf die sich alle Nachrichtenagenturen und nahezu sämtliche Tageszeitungen, Wochenblätter und Magazine geeinigt haben. […] In der "Berliner Zeitung" wollen wir die Reform so behutsam wie möglich anwenden: Wir werden also den Regeln, wo sie verbindlich sind, folgen, aber immer dann die vertraute Schreibweise beibehalten, wo uns dies gestattet ist.
Die deutsche Sprache hat Jahrhunderte der merkwürdigsten Schreibweisen hinter sich. Darum ist auch die neue Rechtschreibreform keine Revolution, sondern nur ein maßvoller Rückschritt. […] Interessant ist der Umgang, den Ludwig Uhland bei seiner Sammlung alter Volkslieder des fünfzehnten bis siebzehnten Jahrhunderts mit den alten Schreibweisen übt. 1844, also in einer Zeit ebenfalls noch ungesicherter Orthographie, übernimmt er die Schreibung der Quellen, soweit sie ihm irgend verständlich scheint; und in der Tat ist "sere" von jedem Leser unschwer als "sehr" zu verstehen. Das aber zeigt, daß Texte in älterer, auch sehr abweichender Orthographie keineswegs durch eine Rechtschreibreform unlesbar werden, wie heute gerne eingewandt wird. Der Unterschied zwischen unserer Lage heute und der Situation Uhlands ist nur, daß wir an eine standardisierte Schreibung gewöhnt sind und unsere Toleranz gebenüber Abweichungen geringer geworden ist. […] Das orthographische Durcheinander, auch die oft himmelschreiende Unlogik der Schreibweisen haben der Entwicklung der Literatur, der Hochkultur insgesamt nicht geschadet. Es wird also von der gegenwärtigen Reform, die viele alte liebgewordene und hochkomplizierte Regeln wieder fallen läßt, auch kein Kulturverfall zu befürchten sein.
Aber auch wer die Rechtschreibreform nicht mag, wird damit lesen müssen. Auch im Sport. Damit es leichter fällt, zum Üben, ganz sportlich und fair ein Trainingssatz für Kritiker zum Wochenende: Dass überschwänglicher Jubel ausbricht, ist nicht zu erwarten - Gewinn bringend könnte für Kritiker viel mehr das altbewährte Olympia-Motto sein: Dabei sein ist alles.
Jetzt steht sie also vor der Tür, die Rechtschreibreform, und alle, die es nicht zwangsläufig beruflich mit ihr zu tun bekommen, können sich nach Hessen-Art fragen: "Wolle mer se reilasse?".
Statt sich auf eine gemäßigte Kleinschreibung einzulassen, wie sie in sonst allen europäischen Sprachen üblich und für die deutsche Sprache seit langem diskutiert wird, hat sich die Rechtschreibkommission für die verschärfte Großschreibung entschieden — eine der schwierigsten Neuerungen, die Agentur-Journalisten und Zeitungsredakteure von heute an berücksichtigen müssen. […] ": Auch bei der Frankfurter Rundschau wird es wohl etwas dauern, bis alle 200 Redakteure samt Hunderten von "Freien" sattelfest rechtschreiben. Zwischen 50 und 70 Änderungen, so haben die FR-Korrektoren festgestellt, beschert die Reform allein der täglichen Seite Drei.
In den Redaktionen wurden die Mitarbeiter in den letzten Wochen zum Teil in speziellen Kursen gezielt auf die Einführung der Rechtschreibreform vorbereitet.
Dräger geht davon aus, daß die Schreibänderungen den Bürgern erst richtig bewußt werden dürften, wenn sie jeden Tag schwarz auf weiß in Zeitungen und Zeitschriften damit konfrontiert werden. Davon verspricht sich der Verleger aus St. Goar am Rhein neuen Zulauf für seine Initiative, die nach seinen Angaben bundesweit rund 1.000 aktive Mitstreiter hat. […] Ob die stillen Verweigerer der neuen Rechtschreibung allerdings bereit sind, für eine Rücknahme der Reform auf die Barrikaden zu gehen, darf bezweifelt werden.
Zehn bis 40 Prozent weniger Fehler würden gemacht, berichtet einer der Köpfe der Reform, Klaus Hiller [Heller], Geschäftsführer der Zwischenstaatlichen Kommission für Deutsche Rechtschreibung. "Ich hoffe sehr, daß das mal weitergehen wird, wenn sich die Erkenntnis durchsetzt, daß das so schlimm nicht war, was wir vorgeschlagen haben."
Was Schulkindern buchstäblich kinderleicht fällt, nämlich die neuen Regeln zu lernen, bringt Redakteure ganz schön ins Schwitzen. Daß das Wort „daß" künftig mit ss geschrieben wird, ist ja noch zu verkraften. Gewöhnungsbedürftiger sind dagegen Flussschifffahrt, […] – drei Konsonanten hintereinander wirken nun mal eher komisch.
Ehrlich gesagt hat sich in der Redaktion bislang niemand wirklich für die neue Rechtschreibung interessiert. Klar ist hier lediglich, dass sich das neue Zeitalter vor allem in der Verbannung des geliebten Eszett ausdrückt. Was besonders mein Boss hasst. Das Eszett war für sein Tagewerk immer ein bisschen Genuss.
"Wann soll die Rechtschreibreform umgesetzt werden?", wollten wir wissen. 54% antworten mit "gar nicht", 27% sind für "sofort", 19% "in einigen Jahren". Der Wunsch der Leser ist uns Befehl.
30. 7. 1999
Die neue Rechtschreibung ist das Jahr-2000-Problem der deutschen Sprache. […] Ganz und gar hoffnungslos wäre […] ein Unterfangen, die bisher gespeicherten deutschen Texte im World Wide Web auf Vordermann zu bringen, etwa durch einen Mega-Konverter zu schicken.
Das wäre — wie der artikel selbst schon andeutet — schon deshalb hoffnungslos, weil es auch keinen mega-konverter gibt, der die sehr unterschiedlichen texte in die bisher gültige rechtschreibung umwandeln könnte. Und man hat ihn wohl bisher nicht vermisst.
Im Gehege dieser Zeitung werden Sie ab 2. August neue Tierarten entdecken: Gämsen und Panter. Aber keine Angst: Sie beissen nicht. Mit anderen Worten: Die Aufregung, die in Deutschland die Reform der Rechtschreibung auslöste, halten wir für unangemessen.
Am besten nimmt man die Sache wohl mit jener Unaufgeregtheit, die ihr angemessen ist. Auf den folgenden Seiten finden Sie eine Zusammenstellung der wichtigsten Neuerungen. Dass sie der Weisheit letzter Schluss seien, behauptet niemand — die neue Rechtschreibung wird sich in den nächsten Jahren noch «zurechtschreiben» müssen.
Zum Üben mit neuer Rechtschreibung, Version Schweizerische Depeschenagentur, verwenden wir folgenden inhaltlich sinnlosen, aber orthograph(?)isch klippenreichen Text: […]
Die Rechtschreibreform soll das Schreiben vereinfachen und lässt zum Teil mehrere Varianten zu. Die Regeln können grosszügig interpretiert werden. Die Nachrichtenagenturen streben jedoch eine einheitliche und eindeutige Schreibweise an.
In den Ernst des Lebens starten zu Wochenanfang 3305 Wichtel im Kreis Heinsberg. Die Schulanfänger werden unweigerlich mit der neuen Rechtschreibung konfrontiert. Wie die Nachrichten-Redakteure auch. […] Was Pfeiffer mit drei f in der klassischen "Feuerzangenbowle" als orthographischen Gag verkaufte, ist Wirklichkeit.
Das Bundesverfassungsgericht hat das Ergebnis eines Volksentscheides in Schleswig-Holstein bestätigt, nach dem in dem Bundesland zunächst weiter nach den alten Rechtschreibregeln unterrichtet wird. […] Das Nebeneinander beider Schreibregeln habe für die die Kinder kein nennenswertes Gewicht.
Das BVG in Karlsruhe wies einen Antrag auf eine einstweilige Anordnung ab, mit der ein Vater und seine beiden Töchter erreichen wollten, daß die Kinder in der Schule nach den neuen Rechtschreibregeln unterrichtet werden.
Der stärkste Zuspruch für die Reformgegner kam aus Stadtbezirken, in denen traditionell das Bildungsbürgertum zu Hause ist. Gegenden mit einem großen Ausländeranteil wie Kreuzberg sind Schlußlichter.
Das Bundesverfassungsgericht hat das Ergebnis eines Volksentscheides in Schleswig-Holstein bestätigt, nach dem in dem Bundesland zunächst weiter nach den alten Rechtschreibregeln unterrichtet wird.
Die Rechtschreibung und ihre Reform durch die Gerichte zu zerren, war von Anfang an eine Glanzleistung der deutschen Kultur des Rechthabens. […] Der Streit ist müßig längst, die Kinder lernen die neuen Regeln leicht, und die Erwachsenen werden sich umstellen — wie so oft im wirklichen Leben.
Der Vater ist enttäuscht: "Es ist bitter, daß der Weg vor Gericht nicht erfolgreich gewesen ist", sagte er dem Hamburger Abendblatt. Wirklich dramatisch findet er die Entscheidung freilich nicht mehr. Er hofft auf die anstehende politische Kehrtwende in Schleswig-Holstein.
Der schleswig-holsteinische Landtag muß die Schülerinnen und Schüler des Landes so schnell wie möglich aus ihrer Insellage befreien. Er muß den fehlgeleiteten Volksentscheid korrigieren.
Über Nacht wird alles anders. Aus dem "Delphin" wird der "Delfin", aus "daß" wird "dass".
Daß sich Schleswig-Holstein als einziges Bundesland aus der Schreib-Reform ausgeklinkt hat, ist erheblich lächerlicher als der überbesorgte Vater und hat damit zu tun, daß ein Volksentscheid in solchen Fragen ein ungeeignetes Mittel ist, mag man zum Neuschreib auch stehen wie man will.
Die Karlsruher Richter verwiesen in einem gestern veröffentlichten Beschluß darauf, daß bei einer Unterrichtung nach den traditionellen Regeln keine "greifbaren Nachteile" für die Kinder entstünden.
"Die Kosten der Umstellung bestehender Buchsätze auf die neue Schreibung sind nicht besonders hoch. Es gibt dafür ja praktische technische Hilfsmittel […]", bringt es der Sprecher der Weinheimer Verlagsgruppe Beltz, Klaus Peter Craemer, auf den Punkt. Deutet sich da nicht an, wer die Gewinner der Reform sind? Die Hersteller solch "praktischer technischer Hilfsmittel" sind es!
Schlußlicht bei der Neuregelung ist Mecklenburg-Vorpommern. […] Am 29. Juni gab das Kabinett grünes Licht für die schrittweise Einführung der neuen Rechtschreibung. Im verantwortlichen Innenministerium begründete man die mecklenburgische Langsamkeit vor allem mit der langen Rechtsunsicherheit.
Vor dem Bundesverfassungsgericht ist jetzt eine schleswig-holsteinische Familie gescheitert, deren Kinder nach den neuen Rechtschreibregeln unterrichtet werden wollten.
Die Karlsruher Richter verwiesen hingegen darauf, daß bei einer Unterrichtung nach den traditionellen Regeln keine "greifbaren Nachteile" für Kinder entstünden.
29. 7. 1999
Sichergestellt ist jedenfalls, dass die Gemse auch in unseren Spalten rechtzeitig zum Jagdbeginn zur Gämse wird. […] die neu ersonnenen Regeln […], zu deren verblüffenden Eigenschaften es gehört, dass per Saldo mehr gross geschrieben wird als bisher, obschon man zuvor jahrzehntelang von der gemässigten Kleinschreibung fabulierte.
Man fabulierte sogar jahrhundertelang, und man tut es immer noch. Das war nämlich schon immer «gestattet», denn schüler sind wir doch beide nicht mehr, lieber Ruedi?!
Den Schreib-Konflikt spiegeln die Tageszeitungen des Landes wider. Weil die Schulkinder noch nach alten Regeln lernen, hat sich der größte Zeitungsverlag in Flensburg entschlossen, das "Flensburger Tageblatt" und seine anderen Blätter auch nach dem 1. August noch in traditioneller Rechtschreibung erscheinen zu lassen. […] Die Schüler mußten im Rechtschreibstreit ein einzigartiges Hin und Her ertragen, worunter besonders die 60 000 Grundschüler litten: Bis 1996 lernten sie nach den alten Regeln, danach zwei Jahre lang nach den neuen, seit vergangenem Herbst wieder nach den alten, und nun steht erneut eine Umkehr an.
"Die meisten Kollegen haben sich schon umgestellt", schätzt Bürgermeister Gerd Krämer. Er selber, der die Reform "für den größten Unfug des Jahrhunderts" hält, schreibt in der Übergangszeit noch nach den alten Regeln.
Nur 4,4 Prozent statt der nötigen zehn Prozent der 2,4 Millionen Berliner Stimmberechtigten haben sich gegen die Rechtschreibreform ausgesprochen, teilte der Landesabstimmungsleiter Günther Appel am Mittwoch mit.
Auch die Pennäler im nördlichsten Bundesland müssen sich in Kürze den Regeln der Rechtschreibreform beugen, voraussichtlich schon im September. […] Die Gegner der Reform schäumen nun.
Ab ersten August stellen die Zeitungen auf die neue Orthographie um, doch wie verhält es sich bei anderen Institutionen? […] Johanna Schollmaier, Mitarbeiter von Stadtbrandinspektor Frank Willhardt, bemüht sich ebenfalls schon jetzt darum, die neue Schreibweise anzuwenden. Ihr Vorgesetzter geht mit gutem Beispiel voran, auch wenn er die Reform nicht unbedingt für eine Vereinfachung hält. "Einige Dinge wurden da nicht konsequent durchgezogen, beispielsweise mit dem "ss" und dem "ß". Warum hat man das "ß" nicht ganz abgeschafft?"
Wie aber handhaben es die Buchverlage? Eine kleine Umfrage bei fünf ausgesuchten Verlagen sollte etwas Licht ins Dunkel bringen.
Das Kalkül der Reformgegner lautet: Wenn der Unmut über die neue Schreibung bei der Zeitungslektüre zunehmen sollte, könnte die Reform doch noch gestoppt werden.
28. 7. 1999
"Unter Word 2000 kann der Anwender individuell entscheiden, ob er seine Texte nach der alten oder neuen Rechtschreibung prüfen lassen will", sagte Tomas Jensen von Microsoft. […] Die meisten Schreibweisen beherrschen die Programme zufriedenstellend. Mit kontextabhängigen Regeln haben sie allerdings zum Teil ihre Probleme. […] Vor allem jene kontextabhängigen Rechtschreibregeln wie die Groß- und Kleinschreibung stellen für die künstliche Intelligenz der derzeit verfügbaren Programme ein noch nicht gelöstes Problem dar.
Eigentlich wollten die Rechtschreibreformer die generelle Kleinschreibung einführen, wie sie in manchen anderen Sprachen, etwa im Englischen, üblich ist. Doch dagegen erhoben sich zu viele Stimmen. Jetzt muß man doch einige Regeln lernen.
Der 1. August ist für Nachrichtenagenturen und Tageszeitungen der Termin zur Umstellung auf die neue Rechtschreibung. Das gilt natürlich auch für den Nordbayerischen Kurier. Grund genug, sich bei Firmen, Behörden und Schulen über die gängige Praxis beim Umgang mit den neuen Regeln umzuhören und die allgemeine Akzeptanz zu prüfen. […] Die gute Resonanz an den Schulen verweist letztlich auf das Ziel der Reform: eine Vereinheitlichung und Förderung der Verständlichkeit der Schreibregeln. In jedem Fall sollte man nicht vergessen, die Reform soll der schreibenden Bevölkerung und denen, die sich mal dazu zählen wollen, helfen. Also, bleiben Sie ganz unaufgeregt.
Neues zur Rechtschreibreform: "Dann schreibt man ja Cholera wie Kohl Aera . . ."
Für die Kinder, die mit der neuen Rechtschreibung aufwachsen, gibt es überhaupt keine Probleme. […] Die meisten meiner Kolleginnen und Kollegen verstehen die Aufregung um die neue Rechtschreibung nicht. Längst sind die ersten Bücher mit neuer Rechtschreibung angeschafft. Und das Nebeneinander mit alten Büchern macht den Kindern keine Probleme.
"Chaos. Schüler entwickeln schon in kurzer Zeit Schwierigkeiten in der Rechtschreibung. Sie müssen berufliche Diskriminierung fürchten." Schulbücher sind schon jetzt ein Problem.
Vom kommenden Montag an setzt unsere Zeitung - zeitgleich mit den meisten deutschen Medien - die neuen Richtlinien um.
Sage ja niemand, die Sprache lasse die Deutschen ungerührt. Heftig diskutierten und stritten sie über Doppel-s oder Dreifach-t. Der dreijährige Glaubenskrieg ist Geschichte. Die Rechtschreibreform bricht sich Bahn, wird druckreif: Vom 2. August an setzen die meisten Zeitungen und Zeitschriften die neuen Regeln um.
27. 7. 1999
Die meisten Verlage liefern ihre Neuerscheinungen ohnehin seit ein bis zwei Jahren schon in der neuen Rechtschreibung aus. Dies wiederum gilt so noch nicht für die Universitäts-Bibliothek, die ihrerseits auch als Verlag auftritt. Sie gibt nämlich die Reihen "Erlanger Forschungen", "Schriften der Universitäts-Bibliothek" und "Akademische Reden und Kolloquien" heraus, insgesamt etwa sechs bis zehn Bände pro Jahr. Die dort erscheinenden Texte "stehen in der Verantwortung des jeweiligen Autors", erläutert Keunecke, "und der ist bei uns König. Dessen Werk wird so abgedruckt, wie er es geschrieben hat".
Sehr gut! Allen autoren, die wie wir weder mit der früheren noch mit der heutigen regelung zufrieden sind, empfehlen wir die eigennamengrossschreibung (substantivkleinschreibung).
Am 1. August wird es für Millionen Deutsche mit der Rechtschreibreform ernst: Von diesem Tag an werden die meisten Zeitungen und Zeitschriften mit nach den neuen Regeln verfaßten Berichten auf dem Tisch liegen. Auch die Frankfurter Neue Presse und ihre Regionalausgaben haben sich zu diesem Schritt entschlossen.
Dem aufmerksamen Zeitungsleser werden in den Medien einige Besonderheiten auffallen. Die Nachrichtenagenturen, die die Printmedien, Fernsehen und Rundfunk mit Meldungen beliefern, werden bei der Umsetzung der Reform zwar weitgehend den Regeln der Zwischenstaatlichen Kommission für die deutsche Rechtschreibung folgen, allerdings mit einigen Ausnahmen.
Die wichtigsten Etappen des Streits.
So ganz glücklich ist Margareta Hauschild nicht mit der neuen Rechtschreibung. "Noch sind nicht alle Probleme gelöst", sagt die Leiterin der Abteilung Forschung und Entwicklung beim Goethe-Institut in München. "Aber immerhin ist es ein weiterer Versuch, die schwierige deutsche Rechtschreibung zu vereinfachen."
"Das wird sich schrittweise vollziehen", vermutet Stadtschreiber Dr. Michael Zeller. "In 20 Jahren ist die neue Rechtschreibung dann ins Blut übergegangen." […] Zeller hält die Reform für notwendig.
1999-07-26
Berlins Innensenator Eckart Werthebach (CDU) sieht einer angekündigten Anfechtung des gescheiterten Volksbegehrens gegen die Rechtschreibreform «gelassen entgegen».
Fast jeder zweite Deutsche (45 Prozent) will sich nicht an die neuen Regeln halten. Dies ergab eine repräsentative Umfrage der Dimap-Meinungsforscher. Auftraggeber waren die "Bild"-Zeitung und der Mitteldeutsche Rundfunk (MDR).
Die rechte Schreibweise lernt man in der Schule – oder im Leben. Über die Jahrhunderte hinweg jedoch ganz unterschiedliche Normen. Denn seit Gutenbergs Zeiten ist die deutsche Rechtschreibung immer wieder Veränderungen unterzogen worden.
Die rechte schreibweise lernt man eben nur in der schule. Deshalb ist für die frage, ob sich die rechtschreibung noch verändern kann, die einführung der allgemeinen schulpflicht das wichtigere ereignis als Gutenberg.
Damit das ganze aber nicht zu langweilig wird, und Ihnen statt sturer Paukerei auch wirklichen Erkenntnisgewinn beschert, wird Wolfhard Kluge, Professor an der Justus-Liebig-Universität für Sprachwissenschaft und Sprachdidaktik, die einzelnen Regeln und die ihnen zugrunde liegenden Gesetzmäßigkeiten mit uns erläutern. […] Der 65jährige Germanist steht der Rechtschreibreform kritisch gegenüber, allerdings nicht, weil er sie wie viele Literaten und die um den Studienrat Friedrich Denk gescharten Reform-Gegner ablehnt, im Gegenteil! Für Kluge geht die Reform, der er prinzipiell die richtige Tendenz bescheinigt, nicht weit genug.
Kronzeuge der Anklage ist die Orthographie selbst, die man künftig auch als Orthografie schreiben kann, nicht aber als Ortografie, was zwar ungewohnt aber logisch wäre. Und warum wir künftig Fantasten kennenlernen werden, nicht aber Filologen, trägt auch nicht gerade zur Glaubwürdigkeit der Rechtschreibreform bei.
Hier beisst sich die katze in den schwanz. Die halbherzige lösung kommt daher, dass man auf die akzeptanz in der öffentlichkeit rücksicht nahm. Und nun hat man eben deshalb ein grosses akzeptanzproblem. Der BVR will ja nicht bei jeder gelegenheit mit «Wir haben es ja immer gesagt» kommen, aber hier …
Die kleinen feinen Unterschiede […] sind dann Jacke wie Hose, aber wer will schon eine Reform mies machen, nur weil die Reformer sie seit Jahren immer wieder mies machen.
Gescholten wird die neue Schreibweise auch deshalb, weil sie alte Ungereimtheiten durch neue ersetzt. Bleiben wir beim Eingangswort belemmert. Dieses schwache Verb aus dem Niederdeutschen belemmeren (hemmen, hindern; norddeutsch: belästigen, nerven) wird nunmehr aus unerfindlichen Gründen mit einem ä geschrieben.
Auch wenn Erwachsene oftmals stöhnen — für manche Schüler erscheinen die Regeln, die meist seit drei oder vier Jahren gelehrt werden, kinderleicht.
Für alle notorischen Gegner der neuen Schreibweisen zeigt er auf, daß die Änderungen zum großen Teil einfacher zu erlernen sind: "Die neuen Regeln sind logischer." Doch alle Schüler, die hofften, daß der Krampf mit Rechtschreibung und Grammatik nun ein Ende hat, muß er enttäuschen: "Die deutsche Rechtschreibung behält weiterhin ihre Tücken."
Eine der tücken ist die bindestrichschreibung: Erich-Kästner-Schule.
Um unsere Leser einzustimmen, haben wir ein kleines Rechtschreib-Spiel zusammengestellt, das in fünf Folgen auf der Kulturseite erscheint. Aufgabe ist es, die Wörter und Wendungen in die neue Rechtschreibung zu übertragen.
Der Berliner Innensenator Eckart Werthebach (CDU) hat Kritik an der Ausführung des Volksbegehrens gegen die Rechtschreibreform zurückgewiesen.
1999-07-24
Bald ist es soweit: Ab dem 2. August werden die Texte in unserer Zeitung nach den neuen Regeln der Rechtschreibreform erscheinen. […] Wir geben heute darüber einen Überblick und befragten noch einmal den Sprachwissenschaftler Klaus Heller vom Mannheimer Institut für Deutsche Sprache nach den Grundlinien der Reform.
Die Frühjahrstagung 2067 des in Mannheim ansässigen Instituts für deutsche Sprache fand eine Resonanz wie lange keine mehr. […] Das türkische "söz" für "Wort" begann sich damals gerade zum Lehnwort hochzuarbeiten. Ihm und vergleichbaren Vokabeln fiel das umso leichter, als ja, wie die Älteren unter uns vielleicht noch wissen, die Rechtschreibreform nach wie vor unerledigt beziehungsweise halbherzig realisiert durch die Gremien ging.
Mit jeder neuen Hausorthografie, die ein Verlag nach dem anderen ausgibt, bröckelt das amtliche Sprachmonopol. […] Ist das ein Schaden? Kaum. Babylonische Sprachverwirrung muß niemand fürchten.
Wir, die Wochenzeitung "Neue Bildpost", haben unseren Leserinnen und Lesern bereits am 4. Februar mitgeteilt, daß wir bei der gewohnten Rechtschreibung bleiben. Wir werden den Unsinn und das Chaos der sogenannten Rechtschreibreform nicht mitmachen.
23. 7. 1999
Die CDU dagegen hatte sich zunächst von der Unterstützung des Volksbegehrens Rückenwind für die am gleichen Tag stattfindende Bundestagswahl erhofft. Das ging eher schief. Im nächsten Jahr wird in Schleswig-Holstein wieder gewählt, und Ex-Verteidigungsminister Volker Rühe möchte dann die SPD-Frau Heide Simonis als Ministerpräsident ablösen. […] Rühe: "Wir waren auf dem Weg nach Absurdistan." […] Nach der Einschätzung des stellvertretenden Chefredakteurs der Kieler Nachrichten, Ralf Schröder, muss die große Parteien-Allianz bei diesem Schritt auch kaum mehr den Unmut des Volkes fürchten: "Die Widerstände weichen der Einsicht, dass man den schleswig-holsteinischen Schülern mit einer Insellösung keinen Gefallen tut."
22. 7. 1999
Und schmeckt er nach der Reform wirklich anders, der Tunfisch auf Spagetti? Wichtig ist doch nur, dass im Portmonee was drin ist. Nur eines habe ich richtig gut verstanden: Getrennt schreiben schreibt man getrennt und zusammenschreiben schreibt man zusammen. Genau genommen kann das alles nicht ernst gemeint sein.
Letzteres ist aber immerhin nicht neu.
21. 7. 1999
Regeln hin, Regeln her – bei den meisten Erlanger Verlagen ist der Kunde, wenn er der Autor ist, König. Er kann häufig bestimmen, ob sein Text in der neuen Schreibweise veröffentlicht werden soll. Und die meisten Verfasser scheinen der Reform der Rechtschreibung eher ablehnend gegenüberzustehen.
"Bei uns gibt es zur Zeit keine Klagen", sagt auch der Sprecher der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), Richard Lauenstein. Zwar sei die Neuregelung nicht der erhoffte "große Wurf" geworden, aber langfristig könne niemand sich der Entwicklung entziehen. Die Umstellung sei in den Schulen inzwischen "mehr oder weniger vollzogen".
Mag sein, daß wir künftig tatsächlich Känguru statt Känguruh schreiben, wenn's sein muß auch die Schiffahrt mit drei f. Aber unser ß geben wir nicht kampflos her!
Die optimistische Stimmung hat weitere Gründe: Die Pläne der Bundesregierung, steuermindernde Teilwertabschreibungen auf Lagerbestände abzuschaffen, sind vom Tisch. Auch die Unsicherheit über die Einführung der Rechtschreibreform ist beendet. Beides gebe den Verlagen und Händlern jetzt mehr Planungssicherheit, so der Börsenverein.
Herzlich willkommen zur letzten Folge unserer Rechtschreibserie. War doch gar nicht so schlimm, oder? […] Klar ist jedenfalls, daß die Zeitungen ab Anfang August die hier vorgestellte besonders einfache und gut lesbare Form der neuen Rechtschreibung drucken werden. […] Die Zeichensetzung wird in den Zeitungen nicht verändert.
Die neue Regelung soll vor allem Ungereimtheiten beseitigen.
"Bestsellerträchtige Titel" sollen nach der Sommerpause den Appetit auf Bücher beleben, nachdem das Gewerbe von Turbulenzen bei Buchpreisbindung, Teilwertabschreibung und Rechtschreibreform gebeutelt wurde.
Schüler werden auch in Zukunft ihre Schwierigkeiten mit der Groß- und Kleinschreibung haben. Die generelle Einführung der Kleinschreibung hat sich nicht durchsetzen können. Ganz im Gegenteil werden nun noch mehr Wörter großgeschrieben: der Beste, der Letzte, im Übrigen. Aber die Rechtschreibregeln, an die man sich jetzt halten muss, sind eindeutiger und überschaubarer geworden.
Während die Berliner Gegner der Rechtschreibreform noch immer auf eine offizielle Benachrichtigung über den Ausgang des Volksbegehrens warten, sind gestern in zwei weiteren Bundesländern Unterschriftenlisten für Volksbegehren gegen die Veränderung der Rechtschreibung eingereicht worden.
Rechtschreibreform — inzwischen rege ich mich nicht mehr so auf wie früher, wenn ich das Wort höre. Ich habe für mich entschieden, ich werde nicht an "ihr" teilnehmen.
20. 7. 1999
Im zweiten Anlauf hat eine Bremer Initiative mehr als 8000 Unterschriften für ein Volksbegehren gegen die Rechtschreibreform gesammelt. […] Ein erster Antrag war vom SPD/CDU-Senat abgelehnt worden, weil der Abstimmungstext nicht eindeutig formuliert sei. Außerdem greife eine Zusatzklausel, wonach sich Bremen bundesweit gegen die Reform einsetzen sollte, zu detailliert in die Regierungsarbeit ein.
Nur an der Universität ist alles etwas anders und ein bisschen komplizierter. "Da wird sich so schnell keine Einheitlichkeit herstellen lassen", glaubt Ernst Merker, Abteilungsleiter für Grundsatzangelegenheiten. Die Hochschule als "mehrschichtiges" Gebilde sei sicher eine Ausnahme unter den staatlichen Behörden. Die Verwaltung werde "mit Sicherheit der Weisung" folgen. "Aber ob ein Professor, ein Wissenschaftler sich einer Regelung anpasst, von der er nicht überzeugt ist, bezweifle ich sehr", betont Merker. Er sieht in Abweichungen in Klausuren oder wissenschaftlichen Texten auch kein großes Problem, da für eine Übergangszeit von sieben Jahren ohnehin die alten und neuen Schreibweisen nebeneinander bestehen dürfen.
Die Beschlußvorlage mutiert zur Beschlussvorlage, aber beim Spaß hört der Spass auf: Die Raffinessen der Rechtschreibreform sind selbst für Personalreferent Rudolf Becker manchmal noch etwas rätselhaft.
Ach, was haben die Berufsbedenkenträger nicht gegen die Rechtschreibreform lamentiert! Und zur Abschreckung das inzwischen klassische Beispiel der "Schiffahrt" mit drei "f" als "Schifffahrt" gebracht.
Nach Angaben von Landtags-Sprecher Hendrik de Boer könnte sich das Parlament bereits im September in erster Lesung mit der Volksinitiative befassen. Nach der Verfassung muß das Parlament das Thema bis Ende November abschließend behandelt haben.
Laut Thomas Hollermeier von Hugendubel fragen Kunden "nur vereinzelt" danach, ob ein Buch in traditioneller oder neuer Rechtschreibung gedruckt ist. […] Allerdings sind enorme Kosten der Tribut für den Wechsel. Allein 300 Millionen Mark veranschlagen die Schulbuchverlage für das Thema, Aussonderungskosten beliefen sich auf 20 bis 40 Millionen. Komplette Fachbuchangebote, zum Beispiel in Mathematik und in der Sozialwissenschaft, müssen umgeschrieben werden. Und als nächstes Großprojekt steht schon die Umstellung von Mark auf Euro auf dem Programm.
"Der Wille des Bürgers kann doch nicht einfach unter den Tisch gekehrt werden", empört sich Marco Thies, Kreisvorsitzender der Jungen Union. […] Zwar gebe es gute Gründe für die Einführung der neuen Regeln, aber man könne nicht einfach "die Willkür der Mächtigen" herauskehren, so Thies.
Die Bremer Initiative "Wir gegen die Rechtschreibreform" hat gestern mehr als 8000 Unterschriften für ein neues Volksbegehren bei der zuständigen Behörde abgegeben.
Welche Wortverbindungen nach alter Regelung zusammen- und welche getrennt geschrieben werden mußten, war wegen der vielen Ausnahmen nie zufriedenstellend geregelt.
Es ist bereits der zweite Versuch der Reformgegner, die alten Regeln für verbindlich zu erklären.
19. 7. 1999
Verbindungen aus Substantiv und Partizip werden getrennt geschrieben, wenn die Getrenntschreibung auch im Infinitiv gilt und in der Verbindung kein Wort erspart wird. […] Verbindungen aus einem Verb im Infinitiv und einem zweiten Verb schreibt man nur noch getrennt. […] Verbindungen aus einem Partizip und einem Verb werden ebenfalls stets getrennt geschrieben.
"Die Rheinpfalz" (Ludwigshafen) denkt über die deutsche Sprache und die Rechtschreibreform nach. […] Die Deutschen sollten erst ihre Hausaufgaben machen, bevor sie in Europa laut Forderungen stellen. Sie sollten ihre Sprache besser lernen und der babylonischen Verwirrung um die Rechtschreibreform schnell ein Ende machen.
Mag man also stehen zu ihr, wie man will, die Reform ist nicht mehr rückgängig zu machen. […] Um unsere Leser auf diese Änderungen einzustimmen, starten wir heute mit einer zweiwöchigen Serie. […] Dieser Text ist – nach bestem Wissen und Gewissen – gemäß den neuen Regeln geschrieben. Damit wird schlagartig klar, daß die Änderungen im Schriftbild doch nicht so sehr ins Gewicht fallen, wie von vielen immer befürchtet wurde.
18. 7. 1999
Kerstin Deckers einziges konkretes Beispiel über reformbedingte Mißbildungen sind die Konsonantenhäufungen bei einigen zusammengesetzten Hauptwörtern. Das ist auch so gut wie das Einzige, was Gegner der Reform parat haben. Dabei wissen sie, daß es auch nach den bisherigen Regeln die Konsonantenhäufungen in Wortverbindungen gegeben hat.
Die Reformgegner haben gute Aufklärung geleistet, sie haben die Absurditäten erst sichtbar gemacht, sie haben dargestellt, daß in die Grammatik eingegriffen wird.
Heute antworten fünf deutschsprachige Nobelpreisträger (Horst Störmer, Robert Huber, Ernst Otto Fischer, Johann Deisenhofer, Richard Ernst [schweizer]).
Die Reformer sollte man mit einer Dis-tel (welche Nummer hat die Dis?) peitschen und mit einem nassen Wolllappen in die Schneewechte jagen, zum Mindesten mit einer Flussschifffahrt aus dem Land bringen.
17. 7. 1999
Nachdem vor Jahresfrist die Rechtschreibreform endgültig beschlossen worden sei, hätten die Bildungseinrichtungen ihre Kaufzurückhaltung aufgegeben, berichtete Klett-Vorstandschef Michael Klett vor Journalisten in Stuttgart.
Schon in der ersten Sitzung des Landtags nach der Sommerpause soll das Schulgesetz geändert werden. […] Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft unterstützte die "schnelle Wende" und kritisierte ebenso wie die Koalition die bisherige Haltung der Union: "Kinder und Jugendliche sollen nicht länger als nötig die Suppe auslöffen müssen, die ihnen verbiesterte und gleichgültige Erwachsene unter Anleitung der CDU eingebrockt haben."
"Es war wieder das erste Jahr, das durch die Rechtschreibreform nicht belastet war", sagte Klett. Insgesamt habe die Reform die Firma 16 Millionen DM gekostet.
Verbindungen aus Substantiv und Verb werden in der Regel getrennt geschrieben.
16. 7. 1999
Doch ist vielen Leserinnen und Lesern ja gar nicht klar, was man alles mit der Zeitung machen kann! Lesen, klar. Aber noch viel mehr: Im Sommer Hütchen falten. […] Die Mücken totschlagen. Toll, oder? Und die Krönung all dieser Vorteile ist die besondere Art der Rechtschreibung, auf die sich die Zeitungen geeinigt haben. Damit die tollen Texte auch weiter schön leicht lesbar bleiben.
Wenn in zusammengesetzten Wörtern drei gleiche Buchstaben aufeinander treffen, bleiben alle erhalten. […] Das ph kann in phon, phot und graph und in einigen Einzelfällen durch f ersetzt werden; neben -tial und -tiell sind in einigen Fällen auch -zial und -ziell möglich. Vereinzelt können gh, rh, th zu g, r, t werden.
"Wir haben die Diskussion aufmerksam verfolgt, aber noch kein konkretes Umstellungsdatum vereinbart." Der nahezu einhellige Tenor verrät: Zahlreiche regional ansässige Firmen interessiert eine zügige Übernahme der reformierten Rechtschreibung lediglich am Rande.
In den vergangenen Jahren hätten die Schulen wegen der unsicheren Rechtslage zur Rechtschreibreform verhaltener geordert. Insgesamt beliefen sich die reformbedingten Investitionen des Unternehmens auf 16 Mio. DM, betonte der Verlagschef.
Erstmals seit 1995 hat die Rechtschreibreform, die Klett insgesamt mit 17 Millionen DM belastet hat, nicht mehr auf das Ergebnis gedrückt.
In zwei Wochen darf Spiegel-Chefredakteur Stefan Aust ein Kunststück vollbringen, das sein Magazin sonst bei Politikern beobachtet: eine komplette Kehrtwende wie einen hauchzarten Kursschwenk aussehen zu lassen. […] Für die Süddeutsche Zeitung stellt der 1. August einen größeren Einschnitt dar als für die meisten anderen Blätter: Nach 55 Jahren verschwinden Telephon und Photo aus dem Blatt. […] Das Durcheinander verschiedener Hausrechtschreibungen wird vom Leser wohl kaum so deutlich wahrgenommen, wie es jetzt diskutiert wird. Schon bislang standen verschiedene Schreibweisen nebeneinander – bewußt (Kuba/Cuba) oder als hartnäckiger Fehler.
Schon das vergangene Jahr lief für Klett unerwartet gut. Der Umsatz stieg um gut 9 Prozent auf 463 Mio. DM (237 Mio. DM). Grund waren die überstandenen Geburtswehen der Rechtschreibreform: Die Umstellungskosten von 16 Mio. DM wurden in den Jahren zuvor verkraftet. Zudem nahmen die Buchbestellungen kräftig zu, nachdem das Bundesverfassungsgericht vor genau einem Jahr entschieden hatte, die Einführung der neuen Rechtschreibung nicht zu verbieten.
Im deutschen Sprachraum entwickelt sich ein Wildwuchs an unterschiedlichen Rechtschreibregeln. Viele Medien führen nun eigene Versionen ein, die sich von der in Schulen gelehrten deutlich unterscheiden. "Die Presse" bleibt bei der bisherigen Rechtschreibung. […] Die angepeilte Vereinheitlichung ist total mißglückt. Im Gegenteil: Die Schweiz wird auch weiter ohne "ß" auskommen. […] Auch wenn die Reform der Schulbücher kaum noch rückgängig zu machen ist, so hat der von der "Presse" und vielen anderen erhobene Protest dennoch für die Zukunft Sinn: als warnendes und abschreckendes Zeichen des Bürgermuts gegen eine regulierungswütige Obrigkeit.
Ab 1. August erscheinen auch die "Dolomiten" mit neuer Schreibweise. Die Agenturen werden die Reform weitestgehend mit einigen Ausnahmen umsetzen.
"täglich Alles" und "Die Ganze Woche" aus dem Hause Kurt Falks machen die Reform nicht mit.
Hat man denn bei der alten regelung mitgemacht? Die schreibweise der titel spricht nicht unbedingt dafür.
15. 7. 1999
Was würde Martin Luther, der den Leuten aufs Maul zu schauen pflegte, wohl dazu sagen, wenn nun aus einem Meßersatz ein Messersatz (ein Satz Messer?) geworden ist? Es macht traurig, daß die Lutherbibel, eines der höchsten Kulturgüter und Glaubenszeugnisse unseres Landes, dafür herhalten muß, der Bevölkerung derart gräuliche und belämmerte Stussschreibungen einzubläuen.
ß nach kurzem (betontem) Vokal wird durch ss ersetzt. […] Eine größere Zahl von Einzelwörtern wird dem sogenannten Stammprinzip angeglichen.
Die Bilanz der Ernst Klett AG, Stuttgart, wurde 1998 zum ersten Mal seit mehreren Jahren nicht mehr von der Rechtschreibreform belastet.
Computerbesitzer, die ihre Texte am PC erstellen, können sich jedoch bereits mit einer Reihe von Software-Produkten hilfreiche Unterstützung sichern. Zwar hat derzeit auch so mancher digitaler Helfer noch seine Schwierigkeiten mit dem neuen Regelwerk, doch das soll sich den Herstellern zufolge bald ändern.
Weil unsere Rechtschreib-Serie auf großes Interesse stößt, wollen wir am 3. August noch einen Extra-Service bieten: Eine Beilage wird an diesem Tag noch einmal ausführlich alle Neuerungen zusammenfassen. Heute, im dritten Teil unserer Serie, geht es um die Schreibung von Fremdwörtern.
Ziel der Rechtschreibreformer ist es, möglichst alle Schlüsselpositionen in den Sprachvereinen zu besetzen. So wurde Rudolf Hoberg neuer Vorsitzender der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS).
Das Vorhaben, einen Gegenentwurf zu den hereinflutenden Anglizismen zu liefern, wäre sicher erfolgversprechender, wenn nicht der größte Teil des nötigen Kraftaufwandes mit der nichtsnutzigen Rechtschreibreform vergeudet worden wäre. […] Wenn Rudolf Hoberg nun beobachtet, wie die Reform vom Sprachvolk angenommen wird, ähnelt er dem Biologen, der vor einem wassergefüllten Bombentrichter wartet, was für ein Leben sich darin ausbreitet.
14. 7. 1999
Auch Detlef Mahn von der "Berliner Partei für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege" (BPR) will vor Gericht gehen. "Kein gesellschaftstragendes Konzept", hatte das Landeswahlamt geurteilt. Der Besitzer eines Gartenbaubetriebes hält die Ablehnung durch den Wahlleiter für "ein fadenscheiniges Schreiben". Mahn, von 1992 bis 1995 Bezirksverordneter für die Republikaner in Friedrichshain, gründete die BPR, nachdem "meine Partei mich rausgeschmissen hatte". Wie bei den Republikanern klingen auch bei der BPR nationale Töne im Programm an, das als vorrangige Aufgabe die Reinhaltung der deutschen Sprache betrachtet.
Die neue Schreibung ist ein Sieg für alle, die in der Schule mit Diktaten gequält wurden. Und: Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wurde.
So aber läßt sich derzeit bei der Scheinselbständigkeit nur eines verläßlich vorhersagen: Sie wird nach der Rechtschreibreform in Kürze zur Scheinselbstständigkeit werden.
Ihre Modernisierungskur für die Nord-CDU setzten Rühe und seine Getreuen gestern auch in inhaltlichen Fragen fort. Der Landesvorstand akzeptierte ohne Gegenstimme den Vorschlag der Fraktion zur Kehrtwende bei der Rechtschreibreform. Allein der Landesvorsitzende Peter-Kurt Würzbach soll sich enthalten haben. Er gilt nun als weitgehend isoliert.
Die CDU habe zur Kenntnis genommen, daß alle anderen Bundesländer bei der neuen Rechtschreibung bleiben wollten, erklärte kürzlich die CDU-Landtagsfraktion. […] Aktueller Anlaß für die Kehrtwende der Konservativen war die Ankündigung des Kieler Innenministeriums, zum 1. August die Amtssprache auf die neuen Schreibregeln umzustellen. Diese Verordnung hätte in allen Behörden gegolten, nur nicht in der Schulverwaltung. Die Schulen in Schleswig-Holstein wären dann auch innerhalb des eigenen Bundeslandes in eine Insellage geraten.
Hilfreich und weitsichtig aber steht Ihnen die oft gescholtene Rechtschreibreform zur Seite, um Ihnen bei der Verschriftlichung Ihrer gravierenden Zeitprobleme unter die Achseln zu greifen.
Das Einweihungsfest des neuen Hauses im August 1739 war ein großes Ereignis, die der spätere Schulleiter Samuel Gerlach so beschrieb: "Höchstrühmliche Bemühungen des brandenburgischen Hauses um die Gelehrsamkeit! Der gantze Actus ward mit einer schönen Musick unter Trompeten und Paukenschall beschloßen." Von Rechtschreibreform ahnte damals noch keiner was.
Ahnungslose gab es wohl damals wie heute. Für die anderen gilt heute wie damals (Johann Christoph Adelung anno 1782): "Es ist über diesen Gegenstand seit anderthalb hundert Jahren so viel gesprochen und geschrieben worden, daß man es einem ehrlichen Manne kaum zumuthen kann, noch eine Zeile mehr darüber zu lesen."
Der Sturm auf die Bastille gilt seitdem als Auftakt und Höhepunkt der französischen Revolution. […] Was sonst noch geschah: […] 1998 - Bundesverfassungsgericht macht Weg zur Einführung der Rechtschreibreform frei
13. 7. 1999
Auf wenig Probleme stößt die neue Rechtschreibung in der Verlagsbranche. […] Eine Umfrage unter Lektoren und Verlagschefs gibt zwar unterschiedliche Stimmungen wieder, insgesamt stellt man sich aber pragmatisch auf die Veränderungen ein. "Sprache ist Wandel" – unter diesem Motto sollen die Geschäfte weiterlaufen.
Am 1. August wird einiges anders: Die Ruhr Nachrichten stellen — wie auch die großen Nachrichtenagenturen — auf die neuen Rechtschreibregeln um. Doch wie halten es andere Institutionen? Eine Umfrage ergab vor allem eins: Die Dortmunder verabschieden sich — obwohl in allen nordrhein-westfälischen Schulen seit dem 1. August 1998 anderes gelehrt wird — nur langsam vom guten, alten "ß".
Selbst der als liberal geltende CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl, Volker Rühe, findet nichts Anstößiges dabei, den Bürgerwillen derart zu verfälschen. Welch klägliche Vorführung!
12. 7. 1999
Der Verein sieht dennoch keinen Grund zur Enttäuschung. In so kurzer Zeit wie in Berlin seien noch nirgends so viele Unterschriften gegen die Rechtschreibreform gesammelt worden.
Die Zeitung "Holsteinischer Courier" kommentiert die Rechtschreibreform. "Da spricht sich die Mehrheit der Bürger eines Bundeslandes für ein Gesetz aus, und nicht einmal ein Jahr später sind sich die Parteien im Landtag darüber einig, daß der Wille des Wahlvolkes einer Korrektur bedarf. Denn der gemeine Urnengänger ist ja zu dumm, die Tragweite seiner Stimmabgabe zu überblicken."
Mit scharfer Kritik hat die Landesschülervertretung (LSV) auf die Ankündigung der CDU reagiert, den Widerstand gegen die Rechtschreibreform aufzugeben. "Die Einsicht ist vernünftig, kommt aber äußerst spät", kritisierte Jan Schubert, Präsident des Landesschülerparlaments.
Der Schleswig-Holsteinische Zeitungsverlag in Flensburg teilte offiziell mit, daß er in seinen 14 Tageszeitungen im Lande die neue Rechtschreibung vorerst nicht anwenden werde. Bei genauerem Hinsehen erwies sich allerdings, daß diese Entscheidung kein Sieg für die Reformgegner ist. Im Gegenteil. "Wir sind ganz klar dagegen, daß Schleswig-Holstein sich isoliert und als einziges Bundesland bei der alten Rechtschreibung bleibt", erläuterte Stefan Lipsky, Chefredakteur beim "Flensburger Tageblatt".
Trotz der Niederlage lassen die Reform-Gegner nicht locker. "Jetzt geht der Kampf erst richtig los", kündigte der juristisch versierte Rechtschreibrebell (seit 1989 cand. jur.) und Sprecher des Berliner Vereins für Rechtschreibung und Sprachpflege (BVR), Gernot Holstein, an.
Dieses Werbeverbot ist keine Sonderregelung eines einzelnen Bundeslandes, sondern gilt für den gesamten öffentlichen und privaten Rundfunk. […] Auf den ersten Blick scheint das Verbot die in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) verfassungsrechtlich gewährleistete Meinungsfreiheit in erheblichem Umfang einzuschränken. […] Indes müssen die genannten Werbeverbote im Lichte der Rundfunkfreiheit (Art 5 Abs. 1 Satz 2 GG) gesehen werden, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) der Aufgabe dient, eine freie und umfassende Meinungsbildung zu gewährleisten (BVerfGE 57, 295, 320).
Düsseldorf neuer Karnevalsprinz Jens Huwald ist mit 1,90 Meter Gardemaß eine Musterbesetzung für die Rolle, die er in der nächsten Session acht Wochen spielt. Wie EXPRESS exklusiv berichtete, hat sich das Carnevals Comitee einstimmig für den 25jährigen Pressesprecher von Schlösser entschieden. […] Nebenher studiert der Schlösser-Sprecher Germanistik an der Düsseldorfer Uni. "Viel Zeit bleibt mir im Augenblick allerdings nicht dafür. Aber auf jeden Fall will ich meinen Magister machen. Thema der Arbeit wird wahrscheinlich die Rechtschreibereform."
Anfangen kann er ja beim Carnevals Comitee / karnevalskomitee.
11. 7. 1999
Durch die Verstärkung der Großschreibung verliert die deutsche Sprache deutlich an Wettbewerbsfähigkeit gegenüber allen wichtigen Sprachen. Eine Ausrichtung auf Europa ist unterblieben.
10. 7. 1999
Bis zum letzten Abgabetag hatten sich nach Angaben des Landeswahlamtes und des Vereins für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege 108 000 Berliner mit ihrer Unterschrift gegen die Reform gewandt. Um einen Volksentscheid durchzusetzen, sind aber mit 243 000 Stimmen mehr als das Doppelte nötig. […] Sobald am 23. Juli das konkrete Endergebnis vorliegt, will der Verein "wegen massiver Behinderung des Volksbegehrens" vor das Verfassungsgericht ziehen.
Das Berliner Volksbegehren gegen die Rechtschreibreform ist gescheitert. […] In Schleswig-Holstein können die neuen Rechtschreibregeln in absehbarer Zeit eventuell doch an den Schulen eingeführt werden.
Die Union habe die Rechtschreibreform für fehlerhaft gehalten, wolle jetzt aber vor allem im Interesse der Kinder die neue Lage akzeptieren, verkündete CDU-Spitzenkandidat Volker Rühe zur Überraschung der anderen Parteien. […] Der Lübecker Verleger Matthias Dräger, der mit seiner Initiative "Wir gegen die Rechtschreibreform" den Stopp erkämpft hatte, will dennoch nicht klein beigeben. Die Politiker dürften den Entscheid nicht einfach nach weniger als zehn Monaten korrigieren, meinte er. Sollten sie es dennoch tun, werde man vor die Verwaltungsgerichte ziehen. […] Die CDU begründete ihren Schwenk damit, daß Schleswig-Holstein sonst wohl eine Sprachinsel bleibe. Sie verkündete ihre 180-Grad-Wende mit Blick auf die bevorstehende Kabinettsentscheidung zur Amtssprache im Norden.
Politiker aller Fraktionen im Landtag signalisierten gestern Bereitschaft zur Abkehr vom bundesweiten Alleingang bei der Rechtschreibung. Das Signal dazu kam von der CDU, die sich in der Vergangenheit an die Seite der Reformgegner geschlagen hatte. […] Während CDU-Landeschef Würzbach glaubte, aus dem Schreibstreit Profit bei der Bundestagswahl 1998 ziehen zu können, trieben Dräger andere Hoffnungen um: Kippt ein solcher Entscheid das Votum der Kultusminister-Konferenz von 1996, dann müßten auch alle anderen Länder nachziehen und die Reform sei endgültig begraben. […] Würzbach verkalkulierte sich ebenso wie Dräger.
Vielen wird der Unterschied zwischen alter und neuer Schreibweise ohnehin kaum auffallen. Sieht man von der ins Auge springenden neuen ß-Schreibweise ab künftig wird nach einem kurzen Vokal der stimmlose s-Laut "ss" geschrieben, nach langem Vokal bleibt das "ß" , beginnt im August wahrlich kein neues Lese-Zeitalter.
Ein Ruhmeswerk ist die ganze Reform nicht, auch wenn sie durchaus eine Reihe sinnvoller Verbesserungen mit sich bringt. Aber die eine oder andere Regel läßt die Konsequenz und die Logik-Schärfe denn doch vermissen, die Reform ist reichlich halbherzig ausgefallen. […] Die "Saarbrücker Zeitung" folgt bei ihrer Umsetzung der neuen Schreibregeln weitgehend dem "Duden"-Wörterbuch und somit den Leitlinien, auf die sich die deutschsprachigen Agenturen geeinigt haben.
Was einem bei einem Text in neuer Rechtschreibung am ehesten und wahrscheinlich auch am häufigsten ins Auge fällt, ist, daß ss häufiger geschrieben wird. Damit ist der Buchstabe ß jedoch noch lange nicht abgeschafft.
Sobald das konkrete Ergebnis vorliegt, werde der Verein die Durchführung des Volksbegehrens vor dem Berliner Verfassungsgericht "wegen massiver Behinderung" anfechten, sagte Sprecher Gernot Holstein.
Vereinssprecher Gernot Holstein sagte dazu gestern, man sei im Kampf gegen die neue Rechtschreibung noch längst nicht am Ende. "Jetzt geht es erst richtig los."
Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave (SPD) und der sozialdemokratische Fraktionschef Lothar Hay bezeichneten die Rühe-Initiative als "Salto mortale rückwärts", der "heuchlerisch" sei. Die FDP wertet die Kehrtwende der CDU als Sieg der "Rühe-Vernunft" über den "Würzbach-Populismus".
Doch der frühere Direktor der hessischen Staatsweingüter und intensive KURIER-Leser Dr. Hans Ambrosi weiß es besser. Mit freundlichem aber doch bestimmtem Gruß wies er die Redaktion darauf hin, daß die Bezeichnung des Mostgewichts auf die Mostwaage des Tüftlers Christian Ferdinand Oechsle zurückgeht, und dieser Oechsle sich nie mit "Ö" schrieb.
Und wir schlagen vor, dass einerseits der duden nicht bei der weinherstellung dreinredet und anderseits die weinfachleute nicht bei der ortografie. (Wurde die kommasetzung vielleicht auch durch den geist des weines beeinflusst?) Anders gesagt: die ortografie hat sich an synchronen kriterien zu orientieren, nicht an diachronen. Entsprechend gilt in kleinschreibung nach BVR öchsle und nicht oechsle und schon gar nicht Oechsle, obwohl sich der herr zweifellos gross schrieb.
9. 7. 1999
Der BVR sieht die Ursachen vor allem in dem Verfahren. Die 91 vom Senat eingerichteten Auslegestellen seien zu wenig und die meisten davon zu schlecht auffindbar gewesen. Der Senat, dem der BVR vorwirft, das Volksbegehren behindert zu haben, meint dagegen, daß die Rechtschreibreform die Berliner nicht interessiere.
Ein Radiospot des Schauspielers Manfred Krug gegen die Rechtschreibreform darf doch wieder ausgestrahlt werden. Das entschied die 27. Kammer des Berliner Verwaltungsgerichts am Donnerstag.
Bisher haben wir bei Verbindungen mit irgend immer gestutzt, weil sie ohne erkennbaren Grund so unterschiedlich waren. Damit ist jetzt Schluß! Alle mit irgend gebildeten Verbindungen werden zusammengeschrieben. Blöd nur, daß dies vom generellen Getrennt-Trend abweicht.
Nach dem Zerfall Jugoslawiens waren es zuerst die Kroaten, die die sprachlichen Differenzen vergrößerten, um sich in nationaler Hinsicht zu konsolidieren und abzugrenzen. Schon bald wurde eine neue Rechtschreibregelung eingeführt, und es erschienen Unterscheidungswörterbücher und Sprachratgeber, die die Reinigung der Sprache vor allem von Serbizismen voranbringen sollten.
Trotz der Niederlage geben die Reformgegner nicht auf. Sobald das konkrete Ergebnis vorliegt, werde der Verein die Durchführung des Volksbegehrens vor dem Berliner Verfassungsgericht «wegen massiver Behinderung» anfechten, sagte Sprecher Gernot Holstein der dpa. «Unser Ziel ist eine Wiederholung unter besseren Bedingungen.»
Solange es nicht um Leben oder Tod ginge, gibt es in Berlin keine Chance für Volksbegehren unter diesen Bedingungen. […] Aber um irgend etwas zwischen Leben und Tod ging es. Sagen wir — um vorsätzliche Körperverletzung? Sprache ist unser Weltkörper. Wer hat das Recht, ihn zu verstümmeln?
Der neue Grass eignet sich hervorragend für den Einsatz im Unterricht an allen deutschen Schulen. Die Textausgabe des Buches nennt der Verlag gleich "Lesebuch", als könnte der Band alle existierenden Schullesebücher ersetzen und so auch das Verbot umgehen, Grass-Texte in der neuen Rechtschreibung zu verbreiten, und die folglich drohende Vertreibung von Grass aus den Lesebüchern: Steht dort nur noch Grass, ist alles gut.
Ich wende mich primär gegen eine aus der Sicht freiheitlichen Staatsdenkens verfassungsrechtlich nicht hinnehmbare Kompetenzarrogation des gesamten Staates, wenn er Sprache und Schrift seiner erwachsenen Bevölkerung zu regulieren beginnt.
Ich teile Ihre Kritik an einem Staat, der sich Regelungs- und Ordnungskompetenzen dort anmaßt, wo Markt, Vernunft und Verantwortung von allein Ordnung entstehen lassen. […] Wer aber der Sprache und ihrer Rechtschreibung so hohe Bedeutung beimißt wie Sie und ich und die Mehrheit der Bevölkerung, der hätte gerade fordern müssen, daß ein legitimiertes Organ des Staates darüber befindet. Das hätte allein das Parlament sein dürfen. […] Manchmal ist eben ein bißchen mehr Staat vonnöten.
8. 7. 1999
Eine der sechs Auslegungsstellen in den Bezirken Köpenick und Treptow befindet sich im Gebäude der Volkshochschule an der Plönzeile 7. «Bis heute haben wir 467 Unterschriften auf unseren Listen zu stehen», sagt Hausmeister Dieter Schmidt (33). […] Eine der Unterschriften sei seine. Er habe sich in die Listen eingetragen, weil er mit dem neuen System Schwierigkeiten habe, da es zu kompliziert sei. Der Normalbürger sei von dem Wust der neuen Regelungen völlig überfordert.
Schon in der wilhelminischen Zeit, als die Schule eingeweiht wurde, mußten die Kinder mit einer neuen Rechtschreibung kämpfen — und verloren dennoch nicht ihren Humor. Obgleich dies über die Jahrzehnte nicht immer einfach war. Erster Weltkrieg und Drittes Reich, amerikanische Besatzung und Wirtschaftswunder hinterließen auch im Schulalltag ihre Spuren — was sich in den jeweils zeittypischen Tänzen widerspiegelt.
Mit einem endgültigen Ergebnis wird am 23. Juli gerechnet.
Verbindungen aus Adjektiv und Verb werden getrennt geschrieben, wenn das Adjektiv steigerbar oder durch sehr erweiterbar ist.
Weniger Auswirkungen als Hiltrud Arweiler ursprünglich befürchtet hat, hat die Rechtschreibreform auf die Möglichkeiten des Kaufs und Verkaufs von gebrauchten Schulbüchern gehabt.
Erst hatten wir ein sicher nicht allseits befriedigendes Ordnungssystem. Jetzt droht Wildwuchs. Was also ist die neue Rechtschreibung? "Schlecht, häßlich, unlogisch und kompliziert." "Grandios unbrauchbar." "Dieses Werk gehört abgeschafft." Aber das darf man natürlich nicht sagen — selbst nicht, wenn man Manfred Krug heißt.
7. 7. 1999
Das Thema «Kinder machen - Kinder kriegen» wird bereits in der Grundschule aufs Tapet gebracht — gleich nach der Dreisatzrechnung. […] Der Stoff ist also alte Kamelle — und die Schüler würden lieber zur neuen Rechtschreibung übergehen. Die macht ihnen mehr Bauchweh. Dem Lehrer übrigens auch.
Und viele dieser doppeldeutigen Wörter enden nun mal auf -wärts: "Warst Du auswärts?" Oft führt die ehrliche Antwort zur Trennung. Und folgerichtig werden jetzt eben alle Verben mit -wärts getrennt geschrieben. Dann kann's endlich "aufwärts gehen" mit der sprachlichen Klarheit.
"Wir sind froh, wenn die Schüler einigermaßen rechtschreiben", sagt Oberstudienrat Jürgen Storbeck […]. Seine Aussage gilt für die alte und die neue Form. […] "Ich schreibe weiterhin nach der alten Schreibweise", sagt Miriam Petermann. […] "In einem Aufsatz muß eine Schreibweise konsequent durchgezogen werden", meint auch Jakob Hammersen, der nachfolgende Generationen beneidet, weil sie in ihrer Schulzeit sicher nicht mehr von einer Reform überrascht werden können.
In diesen schweren zeiten ist die haltung von Jakob zu loben; er wird kaum einem flexibleren kollegen den job wegnehmen.
In einer zwölfteiligen Serie erläutern wir ab heute die wichtigsten Regeln. Dabei werden viele Leser feststellen, daß einzelne Änderungen zwar ungewohnt sind, aber einer Logik folgen, die in vielen Zweifelsfällen zur Vereinfachung führen wird.
Meine SchülerInnen zumindest waren von den neuen Regeln leichter zu überzeugen, als ihnen zunächst lieb war. Es genügte ein kleines Diktat, um festzustellen, dass die neue Rechtschreibung für sie schon die alte ist.
6. 7. 1999
Die Behörden haben dem Volksbegehren gegen die Rechtschreibreform eine weitere Chance genommen. Radiospots mit Fernsehstar Manfred Krug, die für eine Eintragung in die Unterschriftenlisten warben, wurden jetzt von der Medienanstalt Berlin-Brandenburg untersagt. […] «Der Senat weigert sich, auf unser Volksbegehren aufmerksam zu machen und erklärte, dafür seien wir als Initiatoren zuständig. Nun wird uns das verboten», klagt Holstein.
Bundespräsident Johannes Rau (68) will sich nicht an die neue Rechtschreibung halten, sondern bei der alten Schreibweise bleiben!
Rau wäre ein schlechter Vater, wenn er seinen Kindern nicht helfen kann, weil er ihre Rechtschreibung nicht beherrscht.
Der Bürger darf nicht das Gefühl haben, nur alle vier Jahre Stimmvieh für die Regierung zu sein. Auch die Rechtschreibreform wäre ein Thema gewesen. Diese Reform ist ja verordnet worden. Wenn der Bürger darüber abstimmen könnte, wären die Politiker gezwungen, rechtzeitig zu sagen, warum so etwas gemacht werden soll. Dann gäbe es auch nicht die aufgeregten Versuche, das ganze wieder rückgängig zu machen.
Das Gericht [bundesverfassungsgericht] habe die Argumente der Kritiker nicht einmal ansatzweise berücksichtigt, meint Holstein und fragt: "Wurde hier ein Urteil zugunsten eines händlerischen Unternehmertums und gegen ein traditionsbewußtes Volkswollen gefällt?" Der Tradition und dem Volkswollen widmete sich Holstein, der lange davon träumte, ein Rockstar zu sein, und bis zum Alter von 33 Jahren von der Musik lebte, schon vor seiner Zeit als Rechtschreibbewahrer. Das belegen Recherchen des Antifaschistischen Presse-Archivs Berlin.
Vier Parteien sprach der Landeswahlausschuß die Parteieigenschaft ab: Die Berliner Partei für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege (BPR) scheiterte an ihrer einseitigen Ausrichtung auf die Rechtschreibreform […]
Die "neue Rechtschreibung", sagt man im Umkreis der politisch privilegierten Sprachwissenschaftlergruppe, solle für die Schüler Erleichterungen bringen. […] Doch warum die vielen neuen, zum Teil die Sprachlogik und -herkunft verwischenden Regelungen, die gar keine Erleichterungen sind? Die Schüler sollten vielmehr erfahren, daß die (Schrift-)Sprache kein gleichgültiges Instrument (organon), kein bloßes Mittel zum Zweck ist, ja daß sie selbst eine hohe geistige Potenz ist (energeia), die uns bereichert, daß die Bildkraft oft den Sinngehalt eines Wortes aufschließt und daß mit ihr die Wortbildung (Zusammensetzung, Vorsilbe usw.) und -herkunft tiefe Einblicke gewährt in die reiche geistige Welt der Sprachentstehung.
Die Rechtschreibreform bringt hier klare Vereinfachungen. […] Verbindungen aus Verb im Infinitiv und einem zweiten Verb werden getrennt geschrieben. Damit entfällt eine Hürde, die bisher noch jeden Schüler zur Verzweiflung getrieben hat: der Unterschied zwischen konkreter Bedeutung und übertragener Bedeutung.
Als Kunstobjekte betrachtet spielen die Nudelpäckchen mit unseren alltäglichen Wahrnehmungen und mit kulturellen Inhalten. Der Dudel spielt natürlich auf den Duden an, das Wort dudeln ist genau so nahe und kann ein Kommentar auf die Rechtschreibreform sein. Oder Schillers Gesamtwerk in einem Pack, halt etwas verworren ediert, könnte auf das Denken in Gesamtwerken in heutiger Zeit anspielen.
Ohne Krug werden die Reformgegner die bis zum Ende der Woche erforderlichen Unterschriften fürs Volksbegehren wohl nicht mehr erhalten.
Manfred Krug, Schauspieler und als Werber für Telefon und Schnäpse bekannt, darf keinen Spot gegen die Rechtschreibreform formulieren.
5. 7. 1999
Der Sender Hundert,6 […] will den Fall noch juristisch prüfen. Man werde sich einer Anordnung der Medienwächter aber nicht widersetzten, meinte Geschäftsführer Georg Gafron, der den Fall als Beispiel für die Notwendigkeit einer Gesetzesreform wertet. […] Gafron will nun die Diskussion um die Rechtschreibreform redaktionell verstärkt aufgreifen.
Es ist nicht frei von Absurdität, welche und wieviele sektiererische Gruppierungen in Vorwahlzeiten für sich werben dürfen, während der Berliner Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V. zum Handzettel-Verteilen verdammt wird.
Die Initiatoren des Volksbegehrens werten die Unterbindung der Werbespots dagegen als "Maulkorb für den Rechtschreibrebell Manfred Krug". Der Schauspieler habe auf seine Gage verzichtet und sogar die Produktionskosten von 2000 Mark selbst übernommen, verrät BVR-Sprecher Gernot Holstein.
Verbindungen aus Substantiv und Verb werden getrennt geschrieben. Klingt schwieriger, als es ist. Immer dann, wenn sich das Hauptwort verselbständigt hat, wird es nun auch getrennt und groß geschrieben. Das entspricht in den meisten Fällen unserem Sprachgefühl.
3. 7. 1999
Wie wäre es mit einem Volksbegehren für den "Schluß mit dem Ladenschluß"? Was den Gegnern der Rechtschreibreform offenkundig mißlingt, könnte in Sachen Einkauf erfolgreicher sein.
Vermutlich werden vielen Lesern die meisten Änderungen gar nicht so stark auffallen. Abgesehen von heftigeren Neuregelungen wie dem "ss" für das "ß" oder dem schon klassischen Beispiel "Schifffahrt", dem die Rechtschreibreform ein "F" mehr spendiert. Oder auch ein "S" mehr: "Flussschifffahrt". […] Die Neue Presse läßt ihren Abonnenten im Juli kostenlos eine Broschüre zukommen, mit der alle Änderungen in der Schreibweise einzelner Wörter und alle neuen Regeln erklärt werden.
1. 7. 1999
In zwei Radiosendern ist derzeit der Schauspieler Manfred Krug zu hören, der mit witzigen Spots die Berliner dazu einlädt, sich in die Listen einzutragen. Er ist allerdings der einzige von 150 Persönlichkeiten aus Politik, Wirtschaft und Kultur, der auf die Bitte des Berliner Vereins für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege e.V., sich mit Spenden oder Argumenten dem Protest anzuschließen, reagiert hat. […] Gestern stellte der Berliner Hochschularbeitskreis "Kulturelle Selbstbestimmung" seinen Aufruf, sich dem Volksbegehren anzuschließen, vor. Unterzeichnet wurde er von 110 Berliner Professoren. Das klingt beachtlich, und mag auch die erhoffte Vorbildwirkung haben. Doch hatte der Arbeitskreis den Text an 2200 Professoren verschickt.
Der Theologe und frühere Professor der Hochschule der Künste, Klaus Motschmann, erläuterte, daß es in der nach der neuen Rechtschreibung verfaßten Bibel zu Mißverständnissen gekommen sei. Aus dem beliebten Konfirmanden-Spruch "Der Herr wird's wohlmachen" (Psalm 37) wurde "Der Herr wird's wohl machen" — so werde offenkundiger Zweifel an der wohlmeinenden Haltung Gottes zum Gläubigen ausgedrückt.
Im duden findet man wohl tun, früher wohltun. Die nachschlagenden konfirmanden fanden also wohlmachen schon bisher nicht. Es ist naheliegend, beide ausdrücke gleich zu behandeln, aber je nach zusammenhang kann man sich ja wohl auf die möglichkeit der spontanen wortbildung berufen und den eher veralteten ausdruck in Gotten namen zusammen schreiben.
Sehr mutig und vernünftig.
In einem Akt des vorauseilenden Gehorsams unterwirft sich die ZEIT ihrer neuen "Orthografie". […] Die ZEIT-Lektüre gefährdet ab sofort meine Gesundheit.
Lernen die Kinder in der Schule nun also auch noch "Rechtschreibung à la ZEIT"? Und vielleicht zusätzlich bald "à la FAZ" und "à la Welt"?
Jedenfalls hat das Lesen der ZEIT durch die eigenwillige (im besten Sinn des Wortes) Schreibung wieder einen ganz neuen Reiz, der dem Suchen nach hübsch bemalten Ostereiern nicht unähnlich ist.
Es wird nicht lange dauern, dann wird man diese Rechtschreibreform als den größten Schildbürgerstreich des 20. Jahrhunderts bezeichnen — und das ausgerechnet im Land der Dichter und Denker.
Was hat die ZEIT dazu getrieben, sich für das miserable Machwerk der Kultusminister zu engagieren?
Besonders freut mich, dass Sie neben den sinndifferenzierenden Zusammen- bzw. Getrenntschreibungen auch die satzgliedernden Kommata beibehalten wollen — die Schulbuchverlage haben diese törichterweise über Bord geworfen, sodass es Schülern jetzt ungleich schwerer fällt als früher, einen anspruchsvollen unbekannten Text einigermaßen richtig betont vorzulesen.
Denn ich bin selbstständiger Lektor: Können Sie sich vorstellen, mit wie vielen verschiedenen Rechtschreibungen ich künftig zu tun habe, wenn jeder Verlag seine eigene Reform bastelt? […] (Damit kein Missverständnis entsteht: Gegen eine Reform, die die Rechtschreibung vereinfacht, hätte ich nichts einzuwenden.)
Herzlichen Dank für Ihre vorzügliche Analyse und Ihre hilfreiche Wegweisung.
Jede offiziell zulässige Alternativschreibweise und erst recht jede journalistische Insellösung wirkt [wirken] kontraproduktiv, fördert die Beliebigkeit der Orthografie […]
Es ist klar, dass man innerhalb eines Werkes bei den wahlfreien Schreibweisen in der Regel nicht wechseln sollte und dass deshalb die Verlage sich auf eine der angebotenen Möglichkeiten festlegen wollen. Das sollte aber auf keinen Fall wieder dazu führen, dass die amtliche Schreibweise diese Verlagsregeln festklopft (wie 1915).
Wenn Sie das griechische phi in ein deutsches f verwandeln, dann sollten Sie konsequenterweise […] "Ortografie" schreiben.
Wird künftig in der ZEIT "Schikoree" oder "Chicorée" geschrieben?
In Ihrem Special (oder Spezial?) ist nach dem Absatz "Im Deutschen heimisch gewordene Substantive auf -y" das Wort "Handy" aufgelistet. Hier ist Ihrem Autor ein FauxPas (Fohpa, Fauxpas) unterlaufen.