Die Bildungsmisere […] hat den größten Teil der deutschen Nachwuchsmanager nicht bei ihrer Karriere behindert. Dies bedeutet jedoch nicht automatisch eine Entwarnung […], wie die gemeinsam vom Wirtschaftsmagazin "Capital" und der Unternehmensberatung McKinsey initiierte Repräsentativ-Umfrage bei 131 Nachwuchsmanagern ergab. […] 92 Prozent der Befragten stimmten der Aussage zu, dass man heute vieles gar nicht mehr wissen müsse, sondern nur, wo es steht. Auch die Kenntnis der deutschen Rechtschreibung ist kein Hinderungsgrund mehr für beruflichen Erfolg: 28 Prozent der Nachwuchsmanager räumten ein, selbst Probleme mit der Rechtschreibung zu haben.
Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
Aus presse und internet
29. 6. 2002
Eine Rechtschreibreform beschäftigte auch vor 100 Jahren die Bevölkerung und auch die Redaktion des »Central-Anzeiger für den Odenwald«, wie einer Meldung zu entnehmen ist. »Obwohl die im Vorjahr eingeführte Rechtschreib-Reform und die Umstellung der amtlichen Temperaturmessung von Reaumur auf Celsius auch im Centralanzeiger vielfältig behandelt wurde, bedient sich das Blatt weiter der herkömmlichen Begriffe«, schreibt der Redakteur. […] Fazit des Referenten: »Geschichte wiederholt sich nicht, aber vieles ist schon einmal dagewesen.
28. 6. 2002
Die Kultusminister der Länder werden nun wahrscheinlich in den nächsten zehn Jahren vom Verfassungsgericht klären lassen, dass sie und nur sie dafür zuständig sind, das hiesige Bildungswesen insgesamt auf jenen Höchststand zu bringen, auf den sie die deutsche Rechtschreibung in den vergangenen zehn Jahren bereits gebracht haben.
27. 6. 2002
Ein wundervolles Wort ist das. Erstens ist es flexibel. FINALE, das hatte man nach der Rechtschreibreform nicht geahnt, lässt sich sowohl mit einem Rufzeichen hintendran schreiben (FINALE!, so titelten die meisten) als auch mit dreien (FINALE!!!, danke, "Bild").
Mit sicherem Gespür für Stimmungen hat Bundeskanzler Schröder die Kultusministerkonferenz als Hauptverursacher der Bildungsmisere in Deutschland ausgemacht. Eine Einrichtung, die es zwar fertigbrachte, die einheitliche Rechtschreibung in Deutschland abzuschaffen, aber nicht in der Lage war, sich auch nur auf die Vermittlung eines Deutschlandbildes im Unterricht zu verständigen, hat sich zwar Kritik redlich verdient, […].
Heilbronn braucht neue Schilder. […] Nicht etwa wegen der neuen Rechtschreibung, die aus einer Schloßstraße eine Schlossstraße macht […], auch nicht nach einer Unfallserie, der die Pfosten zum Opfer fielen. Es ist schlicht wegen der Grammatik. […] Also gibt es die Kaiserslauterner Straße, […] die Saarbrückener Straße . . . Moment! Heißt das nicht anders?
26. 6. 2002
Jeder Vierte derer, die von Allensbach der "jungen Elite" zugerechnet werden, hat in der Schulzeit gelegentlich abgeschrieben und bis heute Probleme mit der Rechtschreibung. Und jeder Zweite hat als Jugendlicher nicht viel gelesen!
Vielleicht sind die Tage des traditionellen "ersten Buchs" der Zeitung ebenso gezählt wie die des Duden. Vielleicht gibt es dazwischen kommunizierende Röhren: Hundert Jahre lang gelang es dem Herrn Duden, die deutsche Sprache stramm zu regeln. Das ist mit der missglückten Schreibreform ein für allemal aus. Und seit hundert Jahren etwa gibt es die stramme Hierarchie dessen, was in die Zeitung kommt. Vielleicht steht ja bald eine Reportage auf Seite 1.
Die gutgemeinte, aber schlechte Therapeutisierung der pädagogischen Arbeit ist vielfach an die Stelle des echten Engagements für die Interessen der Schüler getreten. Neben der Autorität, die der Beruf verleiht, wünscht man sehr vielen, die hier tätig sind und etwas zu sagen haben, Einsichten, die die Bedürfnisse und Befindlichkeiten heutiger Heranwachsender produktiv zu nutzen wissen und nicht darüber klagen, dass sie für die Schönheiten einer immer noch völlig unzureichend reformierten Orthographie so wenig zu begeistern sind wie für Goethes "Faust".
Hier erweisen sich die soziologischen Theorien, aus denen die Motivation zur heutigen Reform hervorging, als offenbar völlig neben der Wirklichkeit. Schlechte Rechtschreibleistungen sind gar keine Karriereschranke. […] Man kann auch als miserabler Rechtschreiber in sehr einflußreiche Positionen gelangen. Doch das auch nur, weil es dort auf Rechtschreibung überhaupt nicht ankommt. Um den Papierkram kümmern sich Sektretärinnen und andere.
Zu Hamburger Abendblatt, 26. 6. 2002. Auch wenn man annimmt, dass eine einzige umfrage das ganze problem wegwischt und eine rechtschreibreform unnötig ist, stellt sich erst recht die frage, für wen man die rechtschreibung im allgemeinen (Leiss) und diese rechtschreibung im besonderen braucht. Nur für «sekretärinnen und andere» (von denen es viel weniger gibt als früher)?
25. 6. 2002
Buddenbrooks" ist zum ersten Mal wieder in der Fassung des Erstdrucks zu lesen und nun etwa ein Zehntel länger. Die ursprüngliche Rechtschreibung (that statt tat", Comptoir" statt Kontor") historisiert den Roman und trägt zuweilen den gedehnten Tonfall des Lübecker Norddeutsch in das Satzbild.
24. 6. 2002
Nachdrücklich warnte von Freymann vor voreiligen Schlüssen aus dem finnischen Erfolg. Zunächst müsse man gründlich dessen wahre Ursachen analysieren. Dazu gehörten zum Beispiel auch die vergleichsweise einfache Orthographie der Sprache, […].
23. 6. 2002
Hurra, die Ferien sind da! Gleichzeitig machen wir Sie höflich darauf aufmerksam, dass wir im folgenden diese Kolumne ihrer besseren Verständlichkeit wegen muttersprachlich dem von der Pisa-Studie leicht verwässerten Niveau der Rechtschreibereform anpassen. […] Also, noch einmal: Die Ferien sin da! Entlich!
21. 6. 2002
Kreuz und quer durch das Land der Bayern, konkreter das Berchtesgadener Land, führt der Bischofswieser Thomas Inderst. […] Man merkt, dass es dem Pädagogen gegen den Strich geht, wie wir heute mit unserer Muttersprache umgehen: Mit Lust und List führt Inderst einige besonders groteske Beispiele der Rechtschreibreform an »kommt aus dem Turm nicht nur ein *och, so schallt der Schall aus dem SchaLLLoch!«.
18. 6. 2002
Da das Rechtschreibenlernen keine Gedächtnisleistung sei, prägten sich «normabweichende Fehler auch nicht sofort ein», weiß Kochan. Das heißt eben auch, dass ein Kind ein Wort, wenn es es einmal geschrieben hat, nicht folgerichtig ein zweites Mal wieder genauso schreibt. Wissenschaftler fanden heraus, dass Kinder wie zu Luthers Zeiten schrieben. Sie machten die Schriftentwicklung durch, so deren Erkenntnis. Sie schrieben, was sie hörten. Auch in der lutherischen Bibel finde man unterschiedliche Schreibweisen für ein und dasselbe Wort, so Barbara Kochan. «Dass wir heute so schreiben, wie wir schreiben, sei ja nur Folge der Normierung», so die Professorin. Wie unterschiedlich die Schreibweise eines Wortes sein kann, zeige gerade auch die Diskussion zur Rechtschreibreform.
Lange war es ruhig an der Front der Gegner der deutschen Rechtschreibreform. Nun blasen sie zu einer neuen Attacke. Mit bundesweit erscheinenden Anzeigen sollen weitere Unterstützer mobilisiert werden. […] Zu den Initiatoren der Aktion zählen die Zeitung "Deutsche Sprachwelt", der "Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege" und der Verein "Lebendige deutsche Sprache". […] Zu den Unterzeichnern zählen unter anderem der ehemalige Regierende Bürgermeister von Hamburg, Klaus von Dohnany, der Schauspieler Manfred Krug und der Schriftsteller Reiner Kunze.
17. 6. 2002
Rechner Willi Vogel, im Normalfall ein Mann mit kultiviertem Sprachschatz, bemühte angesichts des mit Regenwolken verhangenen Himmels jenes unfeine Wort, das auch nach der Rechtschreibreform in der Mitte immer noch mit „ß“ geschrieben wird.
14. 6. 2002
Koreaner vergleichen die Insel, auf der die deutsche Fußball-Nationalmannschaft gerade ihr WM-Quartier bezogen hat, manchmal mit Hawaii […]. Von den Zuständigen für den Fremdenverkehr erfährt der interessierte Reisende, dass die Insel sich bis vor zwei Jahren Cheju schrieb, nun aber Jeju. Dies infolge einer Rechtschreibreform. Die soll den Ausländern alles leichter machen, Korea bedient sich ja eines eigenen Alphabets statt des lateinischen.
Herbert Knebel und sein Affentheater waren zu Gast im Bürgerhaus. […] ging dann schnell in einen Erklärungsversuch über die Entstehung des Ruhrdeutsch über. So befindet man sich mit "der Formelation als wie immer auf der richtigen Seite, schreibt "dat" auch nach der Rechtschreibreform mit scharfem "S" und regt sich über die Alt-68er und deren "diabetischen Materialismus" auf.
10. 6. 2002
Um die deutsche Sprache, jawohl, um die ist es im Grunde geschehen. […] Nicht wegen der Rechtschreibreform, Kinkerlitzchen, auch nicht wegen des vielen Englisch - sondern weil der Dialekt dahinsiecht.
7. 6. 2002
Die Debatte gestern im Bundestag über Volksentscheide hatte keine Folgen. […] Selbst wo es in den Ländern Volksentscheide gibt, machte sich am Ende oft Frust breit: Die Rechtschreibreform zum Beispiel ließ sich auch mit Unterschriften nicht verhindern, […].
Erst die neuen Postleitzahlen, dann die Wiedervereinigung, schließlich die Rechtschreibreform und jetzt die neue Währung wir kommen aus dem Umstellen gar nicht mehr raus, klagt auch Nico Enger, Pressesprecher des Cornelsen Verlags.
6. 6. 2002
Ich traute meinen Augen nicht ganz, als ich im o. g. Bericht über Reinhart Gaugg über das "Neuwort" Schofföre stolperte.
So leicht kann man alt und neu verwechseln. «Frühere Eindeutschung» steht im duden; d. h. früher stand «frühere» nicht dort. Und der BVR findet: Es müsste auch heute nicht stehen.
1. 6. 2002
Auf Schloss Rechtenthal in Tramin tagt die Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung. […] Von Anfang an begrüßte die Südtiroler Schulbehörde die Reform.
31. 5. 2002
In dem […] Dritten Bericht der zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung wird behauptet, es lasse sich kein Beleg dafür finden, daß die Rechtschreibreform der deutschen Sprache im Ausland geschadet hätte. Wie ich aber in einem Schreiben an die Kultusministerkonferenz nachgewiesen habe, trifft dies nicht zu. […] Hunderte von geläufigen und bisher unverfänglichen Zusammensetzungen, die im Schwedischen ihre genaue Entsprechung haben, sind nun als eigenständige Wörter aus den schwedisch-deutschen Wörterbüchern verschwunden.
30. 5. 2002
Wir wissen, die logischen Bocksprünge dieser Reform sind Legion. […] Wenn zum Beispiel jemand blau macht, dann macht er etwas blau. Dass er die Schule schwänzt, erschließt sich nur, wenn blaumachen zusammengeschrieben wird.
29. 5. 2002
X Reforme henn ma dorchgemacht. Steijareforme, Gebietsreform, Rechtschreibreform, Gsundheitsreform un imma wia Reform sinn extra fa uns ausgedenkt worn.
28. 5. 2002
"Nexte Lied" ist kein weiterer Coup der neuen Rechtschreibung. […] Cora Frost ist nicht nur mit der Art ihres Vortrages provokant, ihre Lieder scheuen kein Tabu, ihre Sprache ist mal subversiv subtil, mal kokett direkt niemals lehrmeisterlich.
25. 5. 2002
Noch gibt es nur die Gelbe Karte, aber hinten steht schon drauf, was die Sünden bald kosten werden. […] Den Katalog erarbeitet gerade Stefan Baron, Abteilung Gebührenerhebung im Fachbereich Stadtentwässerung und Abfallwirtschaft. […] Für das handliche Schriftstück verdienen die Autoren allerdings die Gelbe Karte der Rechtschreibreform. "Bussgeld" steht hinten drauf. Wie war das gleich mit dem "s" nach langem Vokal? Baron entschuldigend: "Es musste sehr schnell gehen."
Das ist doch ein argument!
Das prominenteste Mitglied im Podium, Guido Westerwelle, Kanzlerkandidat der FDP, nannte Eckpunkte: […] Eine Entmachtung der Kultusministerkonferenz, die sich Jahre mit der Rechtschreibreform befasst, aber den Unterrichtsausfall an deutschen Schulen regelte.
Dieses Debüt ist eine moderne Erzählung. Das erkennt man daran, dass 1. alles klein und ohne Kommata geschrieben wird und 2. E-Mail-Adressen darin vorkommen. Punkt 1 dient gemeinhin der Textbeschleunigung und soll die Wirklichkeit abbilden, wie sie ist: unmittelbar, ungeordnet, atemlos. […] Die dudenfeindliche Orthografie wirkt zwar immer etwas befremdlich und manieriert, hat aber ihren Reiz, nicht zuletzt weil sie das Lesen erschwert und das Gefühl gibt, etwas geleistet zu haben, […].
24. 5. 2002
Sabbelju Putsch, der Ober-Ami nich von Wählers sondern von Richters Gnadn, war da. […] Was hatter noch gesagt: Man müsse ja nich Axe des Bösn sagn, wenn alle wissn, was gemeint is. Also ne Axe Irak, Nordkorea, Kuba jeder Auto-Bauer, der sowas konstruiert, würd sofort entlassn. So ne Axe widerspricht alln Gesetzn. Aber Schorsch meint, Gesetze kann man ändern, auch die der Rechtschreibung un der Füßick.
23. 5. 2002
Zum Beitrag "Sprachgeschichten: Lebendig begraben" (F.A.Z. vom 26. April): Horst Haider Munske trauert um das "Wörtchen sogenannt", das "durch die Rechtschreibreform behördlich für tot erklärt und in den neuen Wörterbüchern des Deutschen getilgt" worden sei. Die Trauer muß nicht länger währen, denn den neuen Wörterbüchern folgen die neuesten: In dem soeben erschienenen "Deutschen Wörterbuch. Bedeutungsgeschichte und Aufbau unseres Wortschatzes" von Hermann Paul […] findet man das Wörtchen wieder zusammengeschrieben. Der in der Braunschweiger "Arbeitsstelle Deutsches Wörterbuch" erarbeitete "Paul" ist ein historisches Wörterbuch […] und kann muß wohl gar den verschiedenen Rechtschreibwinden trotzen.
Gerade im pädagogischen Bereich dreht sich heutzutage sehr vieles rückwärts oder im Kreis. Statt einer konsequenten radikalen Rechtschreibreform kam eine diffuse, statt der Abschaffung der Noten kamen kompliziertere und differenziertere Zensuren, und statt der Abschaffung der Schulpflicht kommt jetzt auch noch die Ganztagsschule.
22. 5. 2002
Wä schreibt, dä bleibt. Valleicht misst ma noch dezu sa: Wie ma schreibt...! Zum Beispeel isses nit egal (ach nit nooch de naje Rechtschreibreform), ob „ß“ ora „ss“. Wann ich wisse wollt, blouß mol oagenumme, wie die Ma„ß“e vun moina Elies sinn, waaß ich noch lang nix iwwa die Ma„ss“e.
Der Schriftsteller begann seine Lesung in der Grundschule Bergstraße mit einem Geständnis: Er hatte als Schüler große Schwierigkeiten mit der deutschen Rechtschreibung. Sofort schlug dem Kinder- und Jugendbuchautor Thomas Fuchs eine Welle von Sympathie und Solidarität entgegen, und die gemeinsame Distanz zur Orthographie hätte sicher noch länger als die geplanten zwei Stunden angehalten. […] "Zum Rundfunk und dort in die Kinderfunkredaktion kam ich eigentlich nur, weil man im Radio nichts von schlechter Rechtschreibung merkt."
21. 5. 2002
Als sie den "bekannten fränkischen Touripapst Nützel" alias Bernd Regenauer auf die Bühne rufen, bedankt der sich erst einmal ausgiebig […]. Mit Anzug und Krawatte, Brille und falschem Schnurrbart widmet er sich anschließend aus dem Blickwinkel des kulturbeflissenen, doch spießig-fränkischen Tourismusberaters Nützel Themen wie der Rechtschreibreform ("völlig überflüssig, in Franken ist die Sprache schon seit Jahrhunderten vereinfacht, Beispiel: Loddar Maddäus"), […].
Das Highlight war eindeutig die Parodie des Literaturkritikers Marcel Reich-Ranicki von Philosphielehrer Peter Reul, der bierernst ein literarisches Quartett leiten musste, das darüber schwadronierte, inwieweit ein klassisches Schimpfwort von der Rechtschreibreform betroffen sein darf.
18. 5. 2002
Der „Neubau“ soll noch in diesem Schuljahr erstmals erscheinen. Das ist die angehenden Schülerzeitung der Integrierten Gesamtschule (IGS) Wörrstadt. […] „Wir werden unsere eigene Rechtschreibung finden“, sagen die Jungjournalisten scherzend zur Frage der Formalia.
Wir haben eine!
16. 5. 2002
Jedenfalls haben die Reformer auch durch die willkürliche Schaffung von Varianten, Beliebigkeitsklauseln und grammatisch falschen oder semantisch irreführenden Schreibungen die Eindeutigkeit und Einheitlichkeit der Orthographie Konrad Dudens zerstört. Wenn kein eindeutiger Rechtschreibmaßstab mehr da ist, hat dies fatale Folgen für die Unterrichts-, Schreib-, Korrektur- und Benotungspraxis. Es ist daher ganz offensichtlich, daß […] erhebliche sprachliche und darüber hinaus demokratische, pädagogische und obendrein riesige weltweite wirtschaftliche Schäden entstehen, die nach Schätzungen allein in Deutschland viele Milliarden Euro betragen.
15. 5. 2002
Es war März, der April stand vor der Tür. Kurt Schwitter aber schloss dieselbe und so blieb es auf immer März, aber der Monat litt unter der Rechtschreibreform, er war schwach in Ortograffy und nannte sich folglich Merz. Und Schwitters Kurt widmete diese vier Buchstaben dem heiligen ComMerz, sodass die Börse boomte.
"Die Stadt am Fluß" heißt das unaufgeregte Motto der spannenden Bücher-Fete, dessen "ß" in Fluß die Rechtschreibreform ignoriert. Beim ersten Frankfurter Literaturfest vom 15. bis zum 23. Juni beschäftigen sich Buchpräsentationen, Lesungen und Vorträge auf mehr als 30 Veranstaltungen mit dem Thema Fluss.
11. 5. 2002
Viele Schreibweisen der Flurnamen entsprechen nicht den heutigen gesetzlichen Vorschriften. «Als im 19. Jahrhundert die ersten Vermessungen im Kanton Schaffhausen durchgeführt wurden, waren meist badische Geometer am Werk […]», sagt Richard Ammann. […] Auch die Schaffhauser Geometer machten es nicht besser: Sie wurden damals im Grossherzogtum Baden ausgebildet, so forcierten auch sie die Eindeutschung. Um dies zu unterbinden, regelte der Grosse Rat 1916 die Durchführung der Grundbuchvermessung und die Einführung des eidgenössischen Grundbuchs […]: «Die Namen sind in der ortsüblichen (mundartlichen) Aussprache aufzuzeichnen. Die Wiedergabe der Aussprache soll möglichst lautgetreu sein. Der Sammelnde soll, unbeeinflusst durch die übliche Schreibform und durch die Regeln der hochdeutschen Rechtschreibung, die Namen unbefangen so wiederzugeben suchen, wie er sie aus dem Munde der Leute hört.
Hans Fuchs hat für den Gartenbauverein in mühevoller Kleinarbeit die Chronik zusammengestellt. Um vor Augen zu führen, was die Welt in der Gründerzeit des Gartenbauvereins Burgkirchen bewegte, nannte Fuchs einige Ereignisse des Jahres 1902: Berlin feiert die Eröffnung der Hoch- und Untergrundbahn, Rechtschreibreform in allen deutschsprachigen Ländern, der Assuanstaudamm geht in Betrieb.
10. 5. 2002
Dann aber zog Westerwelle gegen die Kultusministerkonferenz (KMK) der Länder, die übergreifende Schulfragen regelt, zu Felde. "Wir werden sie entmachten müssen", forderte der FDP-Chef. Die KMK habe "zehn Jahre lang 100 Beamte" mit der Rechtschreibreform beschäftigt, aber die in der Pisa-Studie offen gelegten Versäumnisse nicht bemerkt.
7. 5. 2002
Wiesbaden solle sich künftig mit dem Titel "Stadt der deutschen Sprache" schmücken, hat Hoberg bei der Verleihung des Medienpreises vorgeschlagen […]. Klar, daß Wiesbaden sich eine solche Auszeichnung auch verdienen müßte. Daß das Stadtparlament kürzlich das "Binnen-I" aus dem amtlichen Wiesbadener Sprachgebrauch verbannt hat, war da schon ein respektabler Ansatz. Für eine "Stadt der deutschen Sprache" böte sich aber auch die Rückkehr zur bewährten "alten" Rechtschreibung an. Die auf so vielen Gebieten so schmerzlich vermißte überregionale Aufmerksamkeit wäre der Landeshauptstadt damit gewiß. Womöglich könnte Wiesbaden auf diese Weise ja sogar der Kultusministerkonferenz weiterhelfen. Der nämlich fehlt offenbar nur der Mut, ihre sogenannte Rechtschreibreform für gescheitert zu erklären.
Das mit der überregionalen aufmerksamkeit hat etwas für sich, wie die schweizer gemeinden bewiesen, die zeitweise die eigennamengrossschreibung anwandten. Bewiesen wurde damit aber auch, dass es auch konstruktiv statt destruktiv geht.
"Ich habe kein Verständnis dafür, dass die Kommission sich nach fast sechsjähriger Erprobung lediglich zwischen Pro und Contra bewegt und nicht einen konkreten Änderungsvorschlag einbringt", ärgert sich der Fraktionsvize der CDU-Landtagsfraktion in Düsseldorf, Bernhard Recker. Der Politiker forderte unlängst eine Erfolgskontrolle für die Rechtschreibreform. "Wer heute viel liest, wird mit den unterschiedlichsten Schreibweisen konfrontiert. Welches Kind soll dabei noch unterscheiden lernen, was richtig ist und was falsch?", fragt sich nicht nur Recker.
[…] so verwirrend die regionale Vielfalt des Bairischen ist, so unterschiedlich und mitunter peinlich sind auch die Schreibweisen. Es gibt nicht einmal Minimal-Standards, seufzt Professor Anthony Rowley, Mundartforscher an der Bayerische Akademie der Wissenschaften. […] Es braucht einen, der sich hinsetzt und eine bairische Rechtschreibung macht, sagt Rowley über das Chaos der Schreibweisen. Gegen ein Hochbairisch hat wiederum Hans Triebel seine Bedenken: Es gibt schließlich so viele Mundarten in Bayern. Ihm ist es lieber, wenn der Dialekt gesprochen und nicht geschrieben wird.
4. 5. 2002
[…] hat die in Darmstadt ansässige Akademie durchaus weiter gehende Ambitionen. Von ihrem ganzen Habitus her umgibt sie etwas Staatstragendes. Nicht nur ihr Eintreten für die alte Rechtschreibung weist sie als strukturkonservativ aus. Wer die Preisträger der vergangenen Jahre Revue passieren lässt, wird feststellen, dass auch ihr Literaturbegriff rückwärts gewandt ist. […] Preiswürdig ist, wer mit der Gegenwart nichts anzufangen versteht und diesem Gefühl auf artistischem Niveau Ausdruck zu verleihen versteht.
3. 5. 2002
Das "I" in seiner kapitalen Form hat künftig im amtlichen Wiesbadener Sprachgebrauch nur noch da etwas zu suchen, wo es der Duden auch heute noch, trotz Rechtschreibreform, haben will: nämlich dort, wo alle anderen Lettern gemeinhin auch groß geschrieben werden dürfen. […] Der Wiesbadener Magistrat wird "ab sofort auf die Verwendung des ,Binnen-I' verzichten" müssen, wie es ihm die Stadtverordnetenversammlung vorgegeben hat.
2. 5. 2002
Orthografie bleibt ein Reizthema.
Das Alte, wenn's auch schwierig war, wird für besser gehalten, als das Neue. Aber viele haben sich schon an die neue Schreibung gewöhnt. Auch, weil die Zeitungen umgestellt haben.
Der aussichtsreichste Weg wäre, wenn noch eine der großen Zeitungen zurückkehren würde, wie die F.A.Z.
Für Unterhaltung sorgten der Shanty-Chor Bingum, die Waldmusikanten aus Hesel und als Stargast Jan Willem. Mit Liedern, Döntjes und auch mit einer eigentümlichen Rechtschreiblehre brachte er die Leute zum Lachen. Alles, was zum Anfassen ist, wird groß geschrieben, alles andere klein: Po wird groß geschrieben, Ofen klein. Den sollst du ja auch nicht anfassen.
5. 2002
Die deutsche Sprache in ihrer schriftlichen Form macht nach dem staatlichen Eingriff einen unerfreulichen Eindruck. Das ist weithin bekannt, doch scheint die spezifisch deutsche Konstruktion einer Staatsorthographie es besonders schwer zu machen, den offenkundigen Mißstand wieder zu beseitigen.