Die Rechtschreibreform ist nicht […] "Gesetz geworden". Ihre Durchführung war nur möglich, weil sie auf dem Verordnungswege an den Parlamenten vorbei betrieben wurde.
Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
Aus presse und internet
29. 10. 2003
27. 10. 2003
SDA
Akademie kämpft weiter an der Orthografiefront. Tages-Anzeiger, , s. 50, Kultur (86 wörter)Der Präsident der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, Klaus Reichert, will weiter gegen die Rechtschreibreform kämpfen und sich mit einer neuen Zeitschrift in die Debatte um die deutsche Sprache einschalten. Das sagte er bei der Vergabe der Herbstpreise der Akademie in Darmstadt.
[…] Einführungsworte von Klaus Reichert […]. Aus Anlass der Preisverleihung mutiert der Präsident zum Zeremonienmeister einer zu bewahrenden Sprachkultur. Seit Jahren schon eignet sich die desaströse Rechtschreibreform dazu, die Stimmung im Saal anzuheizen. Zur Zeit befinden wir uns im Stadium eines versuchten Kompromissvorschlags seitens der Akademie, weil "eine Rückführung in den alten Stand politisch nicht durchsetzbar" sei. "Politik", so Reichert, "hat mit Vernunft nichts zu tun." Anders als im vergangenen Jahr […] war diesmal kein hoher Politiker zugegen. Das Publikum konnte also aus vollem Herzen applaudieren, ohne unhöflich zu wirken. So recht es in der Sache der Rechtschreibreform hatte, das antipolitische Ressentiment schmeckte dennoch leicht säuerlich.
So wirkte es recht populistisch, als Klaus Reichert, der Präsident der Akademie, jetzt in seinem Rechenschaftsbericht erneut gegen die umstrittene Reform polemisierte und damit seinem Publikum schnellen Beifall entlockte. Doch was hätte Reichert sonst auch tun können? Außer einem in diesem Jahr publizierten Buch mit Reform-Vorschlägen und der turnusgemäßen Frühjahrstagung hatte er über die Arbeit seines Hauses wenig vorzutragen.
26. 10. 2003
Die Texte, mit denen man es in der Praxis zu tun hat, sind ein wildes Gemisch all dieser Orthographien. […] Um so wichtiger wäre es, dass die «Reform der Reform» die schlimmsten Schwachstellen der neuen Rechtschreibung ausmerzt. Dabei könnte man sich weitgehend auf die bei der NZZ getroffenen Regeln abstützen. Schreibungen wie Gämse oder aufwändig würde wohl niemand eine Träne nachweinen.
Wenn die (in der übergangszeit vorhandenen) varianten ein problem sind, ist es gewiss eine gute idee, noch eine weitere zu erfinden. Immerhin würde gemäss NZZ die schreibung überschwänglich bleiben, denn das hat sie schon immer so geschrieben.
In seiner Eröffnungsrede kündigte Akademiepräsident Klaus Reichert die Fortführung des Kampfes gegen die Rechtschreibreform an. Die Rückkehr zur alten Regelung wäre der beste Weg, sei aber politisch leider nicht mehr durchzusetzen. Deshalb habe die Akademie im Frühjahr einen Kompromißvorschlag vorgelegt, für den sie nun Mitstreiter in den Ministerien suche.
25. 10. 2003
Die letzte Rechtschreibreform ist ja nun auch schon wieder einige Jahre alt, aber durchgesetzt hat sie sich noch längst nicht. […] Ein Grund ist meiner Meinung nach der, dass die ganze Reform die Orthografie […] nicht wirklich vereinfacht hat […]. da hätte es doch ein paar vereinfachungen gegeben, die sich alle schreiberinnen und schreiber ohne weiteres hätten merken können, zum beispiel die, die grossbuchstaben einfach abzuschaffen. das wäre wirklich eine reform gewesen! […] Ich kenne einige Leute, die sich kaum trauen einen Brief zu schreiben, aus lauter Angst, sich wegen der Rechtschreibung eine Blösse zu geben.
"Wir wollen alles versuchen, bis das Fallbeil 2005 fällt", sagte Präsident Klaus Reichert […].
22. 10. 2003
Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung trifft sich vom 23. bis 25. Oktober zur ihrer Herbsttagung und der Verleihung des Georg-Büchner-Preises in Darmstadt. […] Das Präsidium wird zudem Stellung zur Entwicklung der Rechtschreibreform nehmen.
19. 10. 2003
Gebracht hat die Reform rein gar nichts es sei denn, man hielte die Rechtsunsicherheit, die seither besteht, für einen Fortschritt.
Rechtsunsicherheit? Der schulanfänger des jahres 2003 oder des jahres 2020 ist bestimmt sehr verunsichert, wenn ihm niemand mehr von der dreikonsonantenregel und den ck-/st-trennregeln erzählt. Und der NZZ-redaktor ist anscheinend unsicher, ob er sich jetzt an den volksschullehrplan halten soll und ob er sich vorher hätte daran halten sollen.
16. 10. 2003
Die Schreibweise der Nidwaldner Lokalnamen wurde letztes Mal in den Dreissigerjahren überarbeitet. In den folgenden Jahrzehnten hat man Flurnamen mehr oder weniger nach Gutdünken der einzelnen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen ins Grundbuch beziehungsweise in die Grundbuchpläne eingetragen. […] Hier wollen wir wieder Ordnung hineinbringen: Hobiel muss nicht als Hochbiel, Hochbühl, Hobühl oder Hobüel geschrieben werden. Ein zweiter Grund: Als man in den Dreissigerjahren die Namen bearbeitet hat, galt der Grundsatz, sie möglichst dem Hochdeutschen anzupassen. Dieser Grundsatz wurde nach dem Zweiten Weltkrieg fallen gelassen. Seither strebt man eine mundartnahe Schreibung an. […] Der Abschluss der Bereinigung heisst aber nicht, dass damit die neue Schreibweise überall angewendet wird. Wir rechnen, dass dies sicher 10 bis 15 Jahre brauchen wird. Ein Vergleich zur deutschen Rechtschreibreform drängt sich hier auf. Auch diese braucht länger, bis sie Allgemeingut geworden ist.
"Das Verantwortungsgefühl der Bevölkerung für die Sprache nimmt zu", meint Margot Heinemann. Eine Ursache sei die Diskussion um englische Vokabeln im Deutschen. Auch der Streit um die Rechtschreibreform hat das Interesse an Sprachpflege verstärkt.
13. 10. 2003
Gerade weil die betroffene Bevölkerung von jeder Mitwirkung ausgeschlossen wurde, müssen die Berichte der Kommission mit falschen Behauptungen über die fortschreitende Akzeptanz der Reform, über die "problemlose" Umsetzung an den Schulen und ähnlichen Konfabulationen arbeiten. Diese Unwahrhaftigkeit und nicht nur die sachliche Fehlerhaftigkeit der Reform ist es, was die gegenwärtige Lage so verfahren erscheinen läßt. Helfen kann nur ein Moratorium: Die bisherigen Schreibweisen müssen über 2005 hinaus gültig bleiben, damit Zeit gewonnen wird für eine sachgerechte Lösung, an der die gesamte schreibende und lesende Bevölkerung mitwirken kann.
12. 10. 2003
1998 trat die neue Rechtsschreibung in Kraft. Doch noch heute wenden laut Umfragen nur 22 Prozent der Bürger die neuen Schreibweisen tatsächlich auch an. Jedem zweiten sind die Regeln nach wie vor unklar. Grund genug, Bilanz zu ziehen und der Frage nachzugehen, ob die Rechtschreibreform in Hamburgs Behörden und Schulen, in Universitäten und der Wirtschaft angekommen ist. Am besten dürften sich Hamburgs Schüler mit den neuen Regeln auskennen, denn sie wurden frühzeitig auf die Reform vorbereitet. […] Viele Studenten beherrschten die neue Rechtschreibung nicht oder gäben sich keinerlei Mühe, ihre Texte noch einmal Korrektur zu lesen, klagt Walther von Hahn, Germanistik-Professor an der Universität Hamburg. "Die Konfusion ist größer geworden. Doch das liegt nicht allein an der neuen Rechtschreibung."
11. 10. 2003
„Ach, was für ein Hundeleben. . .“ Bis dato ein Ausdruck den man verwendet, um eine ärmlich-jämmerliche Situation zu beschreiben. Unsere Leserin Jeannette Ahrens wird mit der Aufnahme ihres Cocker-Mix „Tobby“ dazu beitragen, eine semantische Revolution auszulösen, die sich nahtlos an die Rechtschreibreform anschließt: Von jetzt an nämlich steht das „Hundeleben“ synonym für reinen Hedonismus […].
10. 10. 2003
Die neuen Rechtschreibregeln jedenfalls seien "minderwertig" […]. Das muss junge Menschen frustrieren, die seit Jahren nach dieser 1b-Orthographie unterrichtet werden. Weil sie zudem lernfaul sind und sich nicht verwirren lassen wollen, werden noch mehr aus den Lesetempeln vertrieben […]. Oder sie […] greifen zum Hörbuch. […] Nur prominente deutsche Schriftsteller können hören, ob nach der alten oder neuen Rechtschreibung vorgelesen wird.
Was die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung als "Kompromiß" und "zweitbeste Lösung" vorgeschlagen hat, ist erst recht widersprüchlich und weltfremd. Warum sollten wir uns mit einer "zweitbesten" Rechtschreibung zufrieden geben? Wir hatten doch eine sehr gute und haben sie immer noch.
[…] hat die Akademie […] einen Kompromißvorschlag erarbeitet. […] Woran sollen sich denn Schriftsteller und Lehrer halten? Es ist ja soweit, daß Lehrer bei einem Diktat dazuschreiben müssen, nach welcher Auflage des Duden sie korrigiert haben. Der Wildwuchs ist zu beenden. Eine Rückkehr zur Schreibung von vor 1998 ist nahezu auszuschließen. Manches an der Reform ist gut und zu übernehmen, anderes muß überdacht werden - wie gesagt, ein Kompromiß.
Der wildwuchs ist zu beenden – und dazu lässt man eine weitere variante wachsen.
Im Zentrum der Tagung stand die Berliner Wochenzeitung "Junge Freiheit". […] Über eine generelle Kritik der Rechtsschreibreform kommen Autoren zum Beispiel auf die Art, wie Ausländer Deutsch sprechen.
9. 10. 2003
Buchmesse, fehlt da nicht was? Na, Gott sei Dank, da ist er schon, der flammende Appell für die alte Rechtschreibung. […] Die FAZ macht es so, die Süddeutsche so und die Badische Zeitung wieder etwas anders. Doch merkwürdig: Wir wechseln problemlos von der einen zur andern und sogar Gryphius verstehen wir. […] die kleinen Unterschiede, die sich mittlerweile herausgebildet haben, sind ganz gut auszuhalten. Noch steht das Abendland.
8. 10. 2003
Dass die Flussschifffahrt seit der Rechtschreibreform mit drei "s" und drei "f" geschrieben wird, hat sich rumgesprochen. Dass die Straße mit "ß" Bestand hat, ist eigentlich auch klar. Doch Ausnahmen bestätigen die Regel: Auf der Autobahn 100 werden auf Hinweisschildern Regeln außer Kraft gesetzt. "Konstanzer Strasse" und "Mecklenburgische Strasse" steht dort in weißer Schrift auf blauem Grund.
Der Pulverdampf des Streites über die Einzelheiten wie das Ganze hatte sich in jüngster Zeit ein wenig verzogen. Schreibweisen und Interpunktionen zirkulierten eher unaufgeregt parallel, in ermattet friedlicher Koexistenz. […] Nun ist die Frankfurter Buchmesse zum Anlass für eine Erneuerung der Bataille geworden.
ddp
Autoren gegen neue Rechtschreibung. Die Welt, , nr. 234, s. 27, Feuilleton (135 wörter)Internationale Autoren haben sich anlässlich der Eröffnung der Frankfurter Buchmesse gegen die Rechtschreibreform ausgesprochen. In einem Schreiben forderten sie ihre Schriftstellerkollegen weltweit auf, künftig bei auf deutsch erscheinenden Büchern gegenüber dem Verlag "auf der bewährten deutschen Orthographie zu bestehen".
7. 10. 2003
Sieben Jahre sind vergangen, seitdem die "Gemeinsame Absichtserklärung zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung" unterzeichnet worden ist. In dieser langen Zeit ist am Regelwerk und in den Wörterbüchern unaufhörlich geändert und "verbessert" worden, und noch immer sind viele Fragen offen. Sieben dieser Fragen haben wir gemeinsam mit den Schweizer Monatsheften ausgewählt, Zweifelsfälle, die ein Licht auf das ganze Ausmaß der Verwirrung, Willkür und Inkonsequenz dieser mißglückten Reform werfen. Es ist Zeit, daß sich die Verantwortlichen der Öffentlichkeit erklären. […] I. Heißersehnt? II. Eszett? […] III. Gräulich? […] IV. Wer informiert uns korrekt? Der Paragraph 63 der neuen Regeln schreibt vor, die Fügung "Erste Hilfe" wie viele andere klein zu schreiben […]. V. -ig/-isch/-lich. […] VI. Der Drache? Im Zuge der Vereinfachung unserer Rechtschreibung hat man die Zusammensetzung "furchteinflößend" durch "Furcht einflößend" ersetzt. […] VII. Was wohl? […] Im späten zwanzigsten Jahrhundert hat die neue amtliche Norm alte und harmlose Adjektive wie wohlbekannt oder wohlgeraten zu Knacknüssen gemacht […].
Wer erklärt den leuten die rechtschreibung überhaupt?
Zur Eröffnung der Frankfurter Buchmesse haben 18 Autoren aus neun europäischen Ländern gegen die Praxis einiger deutscher Verlage protestiert, übersetzte Bücher grundsätzlich in reformierter Rechtschreibung zu drucken.
Das menschliche Gehirn ist flexibel. Warum sind es so viele in Deutschland nicht, allen voran die Gruppe von Schriftstellern […]? Natürlich ist die Reform ein Flop. Es gibt nicht zwei Orthographien, eine Schul- und eine Alltags-Regelung, wie die Edelfedern annehmen, sondern so viele, wie es Menschen gibt. Das war schon immer so, und das ist das Gesetz eines komplexen Systems: jeder interpretiert es anders, egal, was von oben verordnet wird. Unsere Schriftkultur ist anderweitig bedroht: von Bildermedien wie Fernsehen und Computer etwa, aber auch von unserem Bildungssystem, das Lesen und Schreiben an den Rand der Ausbildung drängt. Hier sollten sich die Schriftsteller engagieren.
Zur Eröffnung der Frankfurter Buchmesse wird ein erledigt geglaubtes Thema wiederbelebt: der Streit um die neue Rechtschreibung. Prominente deutsche und ausländische Autoren, darunter Günter Grass, protestieren gegen die Praxis deutscher Verlage, Übersetzungen ausländischer Titel in reformierter Orthografie zu drucken.
30. 9. 2003
Tatsächlich ist, was als Reform in den letzten Jahren begonnen wurde von der Rechtschreib- bis zur Bahnpreisreform immer als eine Verumständlichung, letztlich als Verschlechterung bei den Menschen angekommen.
24. 9. 2003
Daß dem Taubenfangen das Spatzenrupfen vorzuziehen ist, besagt nun einmal das notabene geflügelte Wort, nach dem sich in Deutschland alle erfolgreichen Reformer von Luther bis Brandt gerichtet haben. (Ausnahme: die von blinden Hühnern ausgeheckte Rechtschreibreform.)
23. 9. 2003
Die Frage ist ja: Werden sich diese Studiengänge auch bewähren? Denn durchgesetzt hat sich besser gesagt: wurde auch die Rechtschreibreform, daß sie sich bewährt habe, werden nicht viele behaupten.
22. 9. 2003
Mit Recht wurde dem beklemmenden Nachtmahr durch die Rechtschreibreform das b zurückgegeben, das den Alb wieder dem indoeuropäischen "albh", weiß, und den germanischen "Alben" und "Elben" genähert hat.
"Das Lesenlernen geht schnell. […]", beschreibt Doberer-Bey die Fortschritte ihrer Schützlinge. Mit dem Schreiben sei es schwieriger. […] Eine schwer zu meisternde Hürde sind die Besonderheiten der deutschen Rechtschreibung, beispielsweise Groß- und Kleinschreibung sowie Vokaldehnungen.
20. 9. 2003
Das Amt des Generalsekretärs der Kultusministerkonferenz (KMK) hat Erich Thies in einer Zeit übernommen, da die KMK einen beträchtlichen Ansehensverlust durch ihre Beschlüsse zur Rechtschreibreform erlitten hatte.
17. 9. 2003
Eine Sprache wird beschädigt", heißt es heute im Literaturhaus Berlin. Reiner Kunze, Hans Krieger, Sten Nadolny und Stefan Stirnemann sprechen über die Mängel der Rechtschreibreform.
"Rehbock" hieß unsere Ferienwohnung […]. Hätten wir uns mit der Gämse leichter getan? Wohl kaum, aber ich werfe diese Frage auf, weil ich seit der Rechtschreibreform auf eine Gelegenheit brenne, das viel zitierte Tier in der "neuen" Schreibung zu verwenden. Wann schreibt man schon "Gämse", fragte man sich doch damals, wann "Känguru"?
14. 9. 2003
Unter diesem Titel fand am letzten Donnerstag (11. 9. 03) in Zürich ein Anlaß statt. […] Was bedeutet dieser Abend? Es waren nicht allzu viele Hörer da: fünfzig. Aber man muß bedenken, daß die neue Rechtschreibung in der Schweiz bisher kein Thema gewesen ist; das Alarmzeichen Eszett fehlt.
12. 9. 2003
82 200 Patienten und 2300 Ärzte haben sich in Schleswig-Holstein mit ihren Unterschriften für eine "sinnvolle" Gesundheitsreform eingesetzt. […] Nur bei Aktionen für den Buß- und Bettag sowie gegen die Rechtschreibreform waren in den vergangenen Jahren mehr Unterschriften gesammelt worden.
11. 9. 2003
Fünf Jahre neue Rechtschreibung: Zwischenbilanz einer halbherzigen Reform. […] Die großen Umbrüche - etwa die Einführung der Kleinschreibung oder die komplette Streichung des "ß" - blieben wegen hartnäckiger (politischer) Widerstände aus.
Richard Schrodt, Germanist an der Universität Wien und Mitglied der "Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung", über die Zunahme von Anglizismen, die Gefährdung des österreichischen Deutsch und die Rechtschreibreform. […] Sind Sie also als Mitglied der Rechtschreibkommission mit der Reform zufrieden? Schrodt: Ja. Man kann objektiv sagen, dass sie einige Erleichterungen gebracht hat - wenn auch viel weniger, als wir ursprünglich geplant hatten. Die gemäßigte Kleinschreibung ist etwa aus politischen Gründen nicht durchgesetzt worden. Das erstaunlichste Phänomen bei der Rechtschreibreform ist sicher, dass es Gruppen gibt, die sich mit einem geradezu politischen Enthusiasmus gegen dieses Reförmchen gewehrt haben.
29. 8. 2003
"mein name ist robert und ich finde neugersdorf toll die natur und so und die tollen freaks." So wie hier nimmt die deutsche Sprache in den Gästebüchern nicht selten ungeahnte Formen an. "jeder so wie es er verdient" resümiert ein Olbersdorfer Fußballfreund ganz treffend. Punkt, Komma, Groß- und Kleinschreibung lässt fast jeder Schreiber außer acht. Der Leser wird’ s schon verstehen.
Und er tut es! Oder er tut es auch mal nicht, wobei formale korrektheit noch lange kein garant ist für das verstehen.
28. 8. 2003
Es ist dem Dichter nicht zu verargen, dass er sich zunächst mit der Sprache beschäftigte, mit den "Beschädigungen der deutschen Sprache durch die Rechtschreibreform".
27. 8. 2003
Rund 450 Besucher kamen am Dienstag in die Aula der Jenaer Universität, um Kunze zu erleben. […] Kunze schien von der großen Resonanz überrascht und gestaltete mehr als nur eine Lesung. So rückte er im ersten Teil des Abends den "Beschädigungen der deutschen Sprache durch die Rechtschreibreform" auf den Leib. Die Reform sei keine Reaktion auf die Entwicklung der Sprache, sondern ideologisches Diktat. Sie führe weg von einer eindeutigen und sofort verständlichen Sprache.
21. 8. 2003
Alle drei bis vier Jahre erfolgte eine solche Überarbeitung, die Anlässe waren verschieden: Mauerfall, neue Lehrpläne, Rechtschreibreform, Pisa-Studie.
16. 8. 2003
In den vergangenen Jahren ist Kunze als vehementer Gegner der Rechtschreibreform in Erscheinung getreten. Die neuen Vorschriften bringen ihn innerlich zum Kochen. 2002 erschien dazu seine Denkschrift Die Aura der Wörter. Es ist eine Katastrophe eingetreten, schimpft er. Jeder Schüler glaubt jetzt, er kann schreiben, wie er will.
Das eben ist der fluch der bösen tat (der diktatur), dass sie fortzeugend immer böses muss gebären (dass es auch ihr opfer eine katastrofe findet, wenn jemand einfach so etwas will).
„Baumaßnahme schreibt man doch mit h“, stellte er kopfschüttelnd fest und setzte zur Korrektur an. „Das hat dir doch deine Mutter schon immer gesagt“, versuchte Gattin Angelika Meeth-Milbradt die Situation mit einem Lachen zu retten. Doch Kultusminister Karl Mannsfeld hatte die bessere Idee. „Wir machen mal wieder eine Rechtschreibreform“, schlug er vor. Jawohl, und dann schreiben wir Baumaßnahme einfach alle ohne h, und weil wir einmal dabei sind, lassen wir auch das Eszett verschwinden, bevor da auch noch einer drüber stolpert.
12. 8. 2003
„Die Kinder sind sehr unvoreingenommen an die Sache herangegangen und haben damit in der Regel keine Probleme“, erklärt die Siegener Gymnasiallehrerin Asi Koerdt. In der Oberstufe spare sie seit der Liberalisierung der Kommaregeln „literweise rote Tinte“. Und Fünftklässler der neuen Rechtschreibgeneration machen nach ihren Beobachtungen „wesentlich weniger Fehler, weil es bei den Regeln nicht mehr so viele Ausnahmen gibt.“ Die Verunsicherung, die Reformgegner festgestellt haben wollen, hat die Deutschlehrerin mit ihren 37 Jahren Berufserfahrung auf jeden Fall noch nicht ausgemacht.
Herr Ehling behauptet, die Verschiedenschreibung von "zusammen hält" und "zusammenhält" sei aufgehoben. Das Gegenteil ist der Fall.
9. 8. 2003
Im Druck- und Verlagswesen Tätige erfahren hingegen täglich, dass die Reform ihre Arbeit ungemein erschwert hat. Sie müssen sich mit drei Varianten befassen: der alten Orthografie (die viele Autoren weiterhin verlangen), der offiziellen neuen Duden-Schreibung sowie ihrer Variante gemäss Duden-Praxiswörterbuch, das vielfach die herkömmliche Schreibung bevorzugt.
Und das mal 2 (mit/ohne ß)! Umlernen und das überstehen von übergangszeiten fällt naturgemäss denen am schwersten, die selten damit konfrontiert werden.
[…] das so genannte scharfe S ist wahrlich der schönste Buchstabe im Alphabet.
Vor dieser […] Schreibverwirrung haben wir […] seit Oktober 1996 gewarnt nicht als «selbst ernannte Sprachschützer», sondern als unmittelbar Betroffene, die sich wie die grosse Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger dem Diktat der deutschen Kultusminister und einiger so genannter Experten nicht unterwerfen wollen.
8. 8. 2003
Nachdem sich Herr Staatsminister Zehetmair mehrmals öffentlich von der Rechtschreibreform distanziert hat, sollte die Staatszeitung ernsthaft erwägen, zur seriösen, grammatisch einwandfreien Erwachsenenorthographie zurückzukehren, wie sie etwa die FAZ weiterhin pflegt.
Viele Bürger unseres Landes, denen seit etlichen Jahren in zahllosen Druckerzeugnissen eine geradezu erbärmliche Orthographie (in aller Regel ein Konglomerat aus traditionellen, "neuen" und grundfalschen Formen) zugemutet wird, fragen sich, warum der Germanist und Altphilologe Zehetmair erst jetzt sein Gewissen erleichtert und seine zweifellos schon viel früher gewonnenen Erkenntnisse über die Reform publik macht.
Es wundert mich sehr, daß ausgerechnet Zehetmair nun von Sprache und Schrift als einem dynamischen Prozeß spricht, der sich nicht für politische Entscheidungen eigne. Als Minister hat er seinerzeit die politische Entscheidung mitgetragen, durch die eine gewachsene Sprache mit ihren feinen Differenzierungen völlig undynamisch in einem Verwaltungsakt beschnitten wurde […].
Diese Reform […] würde bei 100-prozentiger Umsetzung zu einer Verarmung der Ausdrucksfähigkeit unserer Sprache führen. Es ist eben ein Unterschied, ob man zusammen hält oder es zusammenhält.
In der tat, im einen fall steht «es» und im anderen fall nicht.
7. 8. 2003
Zwar hält jeder zweite Österreicher dem "ß" als dem markantesten Beispiel des an die herkömmliche Orthographie gebundenen Zeichenbestands die Treue. Das heißt aber auch, daß die andere Hälfte "ss" schreibt. Zudem geht aus den Zahlen, die das Linzer Meinungsforschungsinstitut Spectra […] ermittelte, im Vergleich mit den Ergebnissen der Institute Imas und OGM von vor zwei Jahren hervor, daß immer mehr Österreicher den neuen Regeln folgten. […] Neben dem in Österreich ohnehin weitverbreiteten obrigkeitsstaatlichen Verhalten dürfte die Gewißheit eines "Reform"-Befürworters wie des Salzburger Germanisten Franz Viktor Spechtler, wonach "die Sache im wesentlichen erledigt ist", weitgehend auch auf das Verhalten der Publizistik zurückzuführen sein.
6. 8. 2003
Weite Teile der Bevölkerung hingegen sind verunsichert und ärgerlich ob des gegenwärtigen Durcheinanders in der Rechtschreibung. Daher wäre es konsequent, wenn die Kultusministerkonferenz ihren Reformversuch für gescheitert erklärte und zur Rückkehr zur bewährten Schreibung aufriefe.
Obwohl Zehetmair nach eigenem Bekunden inzwischen eingesehen hat, daß die Rechtschreibreform ein Fehler war, weil die Politik für die Rechtschreibung überhaupt nicht zuständig ist, und tätige Reue versprochen hat, sind Taten von ihm anscheinend genausowenig wie von den übrigen Kultusministern zu erwarten. […] Da nicht damit zu rechnen ist, daß die Kultusminister ihre Vogel-Strauß-Politik […] aufgeben werden […], sollte man ihnen die Entscheidung aus der Hand nehmen. […] Es gibt Indizien, die dafür sprechen, daß die dpa solche Überlegungen anstellt […]. Sie sollte nach Rücksprache mit ihren Kunden sobald wie möglich handeln. Die ganze Sprachnation würde es ihr danken.
Die beste und billigste Art, dieses Übel loszuwerden, ist die Rückkehr zur bewährten Schreibung bei gleichzeitiger Beseitigung einiger Ungereimtheiten des alten Duden. […] Die Reformer haben das Orthographiedesaster im stillen Kämmerlein ohne Kontrolle durch eine kritische Öffentlichkeit ausgebrütet, und einige Reformer haben ihr Herrschaftswissen dann auch lukrativ vermarktet. Die Sitzungen, in denen über die Beseitigung der Ungereimtheiten des Dudens beraten wird, müssen öffentlich stattfinden. Es wird sich dann sehr schnell herausstellen, wer wirklich etwas zu sagen hat.
Erschreckend bleiben die Uneinsichtigkeit der an der Reform beteiligten Politiker und die Gleichgültigkeit der Mehrheit der Deutschen.
Völlig anders und radikal äußerte sich Zehetmair vor einigen Monaten in einem authentischeren Interview: "Aber aus heutiger Sicht und noch deutlicherer Kenntnis der deutschen Wesensart würde ich die Sache heute ganz zum Scheitern bringen. […]"
Ja, das könnte es sein: die deutsche wesensart.
Die Freude darüber, daß die Rechtschreibreform zu einer intensiveren Beschäftigung mit der deutschen Sprache geführt habe, gleicht der Freude eines Museumswärters darüber, daß ein Verrückter Salzsäure über ein Rubens-Bild geschüttet hat, weil man sich nun doch immerhin intensiver mit Rubens beschäftige.
5. 8. 2003
Zu: "Congratulations in einem Kuhstall mit Saunaqualität" (F.A.Z. vom 30. Juli). […] Reines Deutsch benutzen nur die Langweiler, und das, obwohl man bei der F.A.Z. sich anerkanntermaßen für die Verwendung der alten Rechtschreibung einsetzt.
4. 8. 2003
Die "Mitteldeutsche Zeitung" aus Halle äußert sich zum fünfjährigen Bestehen der Rechtschreibreform: […] Tatsächlich ist bereits jene Statistik, die 70 bis 80 Prozent der Neuerscheinungen auf dem Buchmarkt stolz als reform-konform ausweist, eigentlich eine Bankrotterklärung.
1. 8. 2003
Vor fünf Jahren wurde die neue deutsche Rechtschreibung eingeführt. Noch heute löst die Reform zum Teil heftigen Widerstand aus. […] In der Schweiz dagegen hält sich die Aufregung in Grenzen oder anders gesagt, es gibt keine mehr. Auch wenn hier längst nicht alle mit der Rechtschreibereform einverstanden sind.
Das Thema zieht Käuze an.
Vgl. wer ist wer: personen.
Sein größter Feind war zuletzt die Rechtschreibreform: Sie bedrohte seinen ehrbaren Namen, indem sie ihn zum Stängel machte. Undänkbar!
Literaturverlage lassen Schriftsteller selbst entscheiden, welcher Orthografie sie folgen wollen. Auch Zeitungen kann man auf Alt oder Neu lesen.
"Die neuen Rechtschreibregeln sind von den meisten Lehrern noch nicht in all ihren Konsequenzen verinnerlicht worden", sagt der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus. Um wirklich ernst genommen zu werden, seien die neuen Regelungen allerdings auch viel zuwenig eindeutig.
Selbst entschiedene Reformgegner sehen die Lösung inzwischen nicht mehr in einer umstandslosen Wiederherstellung alter Zustände, also in einer bloßen Rückkehr zur bewährten Schreibung. […] Es wäre durchaus denkbar, daß die bisherige Rechtschreibung von einschlägigen Instituten erforscht und dargestellt wird und sich im Wettbewerb um die beste Darstellung auch die besten orthographischen Hilfsmittel herausbilden. Für eine Übergangszeit von etwa zehn Jahren könnten die Schreibweisen gemäß der Reform in ihren verschiedenen Auslegungen nicht als Fehler gewertet werden, allerdings müßte von Schülern und Studenten verlangt werden, daß sie sich für eine der beiden Schreibweisen entscheiden und nicht beide mischen. Allein daran ließe sich erkennen, ob die Schreiber wenigstens eines der Regelwerke beherrschen.
Beide schreibweisen? Warum dann nicht gleich die bewährte kleinschreibung in den wettbewerb um die besten ortografischen hilfsmittel einbeziehen?
Selbstverständlich war auch die Rechtschreibreform kein Endpunkt, da Sprache ein dynamischer Prozeß ist, der kein Ende kennt. Was es allerdings nicht geben sollte, ist eine weitere Reform, die von der Politik entschieden werden muß, weil sich Sprachwissenschaftler auf keinen Kompromiß einigen können. Sprache und Rechtschreibreform eignen sich nicht für politische Entscheidungen. Von einer neuen großen Reform einer Art "Gegenreform" halte ich nichts: Weite Teile der Bevölkerung haben von der neuen Rechtschreibung profitiert naturgegebenermaßen vor allem die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die mit ihr aufgewachsen sind oder sich mit ihr arrangiert haben.
Zur erinnerung: Was damals den kultusministern vorgelegt und von Zehetmair abgeändert wurde, war ein kompromiss; so einfach kann sich die politik nicht aus der verantwortung stehlen.
Kaum eine andere Reform hat wohl in der deutschen Nachkriegsgeschichte so heftigen Widerstand ausgelöst wie die Einführung der neuen Rechtschreibung vor fünf Jahren. […] Die neuen Schreibweisen sieht der Germanist und Vizevorsitzende der Zwischenstaatlichen Rechtschreibkommission, Gerhard Augst, inzwischen im Alltag angekommen. […] Ins Auge springen dabei besonders der Wechsel von "daß" zu "dass" und von "ein bißchen" zu "ein bisschen". Gleiches gilt vielleicht noch für den Erhalt von Konsonanten und Vokalen bei Wort- Zusammensetzungen wie Pappplakat oder Sauerstoffflasche […].
Hereingefallen mit der dreikonsonantenregel.
Das Schlimmste an der Rechtschreibreform, die heute vor fünf Jahren die Schulen und vor vier Jahren die Zeitungen erreichte, ist der Stil der Debatte um sie. Doch zugleich ist diese Diskussion das Kostbarste, das die Reform gebracht hat, denn sie hat die Rechtschreibung wieder zum Gegenstand persönlichen Nachdenkens gemacht. Die Entscheidung für eine der zahlreichen "Hausrechtschreibungen", wie sie Verlage, Zeitungen und Individuen pflegen, setzt eine Reflektion über das Für und Wider aller orthographischen Problemfälle voraus der alten wie der neuen. Wie man schreibt, ist zur Frage des Gewissens und des Stils geworden. Das gilt natürlich nur für die Gebildeten. Die überwältigende Mehrheit aus Irgendwie-Schreibern trägt zur Debatte nichts bei, denn es ist völlig egal, ob sie nun die alte oder die neue Schreibung nicht beherrscht.