Inzwischen stehen auch die Verfechter der alten Rechtschreibung zusehends auf verlorenem Posten; zum einen, weil nach so langer Zeit des Hin und Her wohl kaum mehr jemand zuverlässig in der Lage ist, korrekt «alt» zu schreiben, zum anderen, weil die heute ins Berufsleben einsteigenden jungen Leute seit Beginn ihrer Schulzeit ausschliesslich von der neuen Regelung gehört haben. […] Bisher richteten sich die «Schaffhauser Nachrichten» nach den Empfehlungen der SOK, der Schweizer Orthographischen Konferenz […]. Diese Schreibweise stiess jedoch bei unseren Leserinnen und Lesern immer wieder auf Unverständnis und widersprach dem offiziellen Sprachgebrauch der Schulen. Zudem liessen die verwendeten SOK-Empfehlungen einen gewissen Interpretationsspielraum, was immer wieder zu unbefriedigenden internen Diskussionen führte und für Aussenstehende nur schwer nachvollziehbar war. Dies alles hat Redaktion und Korrektorat der «Schaffhauser Nachrichten» dazu bewogen, ab dem neuen Jahr im wesentlichen die neue Rechtschreibung anzuwenden.
Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
Aus presse und internet
2009-12-29
Ziel der SN-Regelung zur Rechtschreibung ist, dass jeder Leser und jeder Schreiber anhand der neusten Duden-Ausgabe und einer Reihe von hausinternen Richtlinien imstande ist, die Schreibweisen der SN nachzuvollziehen. […] Grundsatz: Wir halten uns an das, was in der jeweils neusten Ausgabe des Duden steht, bei Varianten an das, was vom Duden empfohlen wird (gelb unterlegte Variante).
2009-12-23
Seit 33 Jahren arbeitet er für die Wiesbadener Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS). Dabei ist Gerhard Müller eigentlich Literaturwissenschaftler […]. Mit Ende dieses Jahres geht der knapp 62-Jährige […] in den Vorruhestand. […] Neue Themenfelder sind in den vergangenen Jahrzehnten für die Gesellschaft hinzugekommen: Neben der Rechtschreibreform, der Anglizismen-Diskussion vor allem die der "Frauen-/Männer-Sprache" und der durch die neuen Medien Internet, E-Mail und SMS hervorgerufene Sprachwandel.
Zu "Bologna war etwa so geistvoll wie die Rechtschreibreform" (F.A.Z. vom 10. Dezember). […] Der Vergleich mit der Rechtschreibreform führt vor Augen, welches Desaster Eingriffe von Seiten der Politik anzurichten imstande sind.
2009-12-12
Deutschlehrer kriegen beim Spaziergang durch Basel die Krise. Im Grossbasel erblicken sie eine Gasse namens «Gemsberg». […] «Also doch, seit der Rechtschreibereform wird Gämse mit Ä geschrieben; also Gämsberg.» […] Der Gipfel der Frechheiten folgt aber wenig überraschend im Kleinbasel. Dort wird an einer Stelle aus der Riehentorstrasse die «Riehenthorstrasse». […] Basels Festhalten an alten Regeln erscheint manchen vielleicht schrullig, aber es ist vor allem höchst liebenswürdig.
Die Schultaschen sind - gerade für jüngere Schüler - viel zu schwer, das hat die Gewichts-Messung gezeigt. Was könnte Abhilfe schaffen? […] Elektronisches Schulbuch: Elektronische Medien könnten das klassische Buch ablösen. E-Book oder Netbook wären auf Dauer billiger als ständig neue Bücher […]. Auch Neuerungen wie G 8 statt G 9 oder die Rechtschreibreform wäre mit dem e-book schnell mitzuvollziehen, Lehrer könnten schnell auf neue Informationen zugreifen.
Die Schwächen der Bologna-Reform lassen sich nicht durch ein paar Korrekturen beheben. […] Für das Verhalten der Bildungspolitiker gibt es ein Muster: die Rechtschreibreform. Auch sie ging auf eine bürokratische Phantasie zurück, auch sie löste heftigen Widerstand aus, und als endlich überdeutlich wurde, dass sie ein Irrtum war, begann ein zähes Zurückweichen, das, in mehreren Etappen, zur weitgehenden Auflösung der Reform führte. In den meisten Veröffentlichungen deutscher Sprache wird heute, abgesehen vom "ss", wieder so geschrieben, wie das vor fünfzehn Jahren der Fall war. Die Kosten dieses Scheiterns aber waren immens - weil die Politik über diese Reform immer nur politisch verhandeln wollte, also in den Kategorien von Interesse und Durchsetzung, nie aber sachlich, in Form einer Auseinandersetzung über Sprache und Schrift. […] Die nächsten großen studentischen Proteste gegen "Bologna" sind so gewiss, wie es der nächste überarbeitete "Duden" in der Rechtschreibreform war.
2009-12-10
Diese "Vereinfachungen" in den Studienstrukturen waren so geistvoll wie sonst nur die Rechtschreibreform, die bekanntlich zu einer "Ortogravieh" geführt hat. Eine Reform der Reform bleibt in beiden Fällen die einzige Lösung, sofern sie nicht zu Verschlimmbesserungen führt.
2009-12-09
Es geht nur um ein paar winzige Änderungen. Dennoch hat eine geplante Reform der chinesischen Schrift eine grosse Debatte in der Volksrepublik ausgelöst. […] Erstmals wurden solche Änderungen nicht einfach beschlossen, sondern die Bevölkerung […] nach ihrer Meinung gefragt. Mit dem Wirbel, den sie mit dem Aufruf heraufbeschworen, hatte wohl keiner der Schriftreformer gerechnet. Vor allem im Internet regt sich heftiger Widerstand. […] Der Kalligraf Liu Jingbo sieht es gelassener: «Die chinesischen Schriftzeichen stammen zwar aus alten Zeiten, aber man kann sie – nach bestimmten Regeln – reformieren, wenn man damit den Leuten das Leben einfacher macht.»
2009-12-03
Die neue Rechtschreibreform in Deutschland. Sie schlug grosse Wellen und noch heute haben sich viele Deutsche der "alten Schule" nicht daran gewöhnt. Nun kommt eine noch grössere Revolution auf die Spanisch sprechenden Länder zu! Ab Freitag sind die ersten 2 Bände der "Neuen Grammatik der spanischen Sprache" im Handel. […] Dieses umfangreiche Grammatikregelwerk ist das erste, welches seit 1931 ausgearbeitet wurde. Seitdem arbeitet man an einer Ueberholung die alles bisher dagewesene uebertrifft. […] Wie der Akademiker Ignacio Bosque, einer der Referenten, mitteilt, ist dieses Regelwerk umfangreicher und ausführlicher als alles bisher dagewesene und enthält auch zahlreiche Neuheiten.
2009-11-30
Rechtschreibreform überflüssig: Alles bleibt falsch. Die schönsten Geschichten schreibt doch das Leben - und die schönsten Tippfehler sammeln die Suchexperten von Yahoo! jedes Jahr aufs Neue: […] Besonders kurios diesmal: Die "Abfrackprämie" auf Platz 5, die sicherlich nichts im Kleiderschrank zu suchen hat.
2009-11-25
„Sprache von Welt? Streiten über Deutsch“ lautete das Thema des Abends. Rund 150 Gäste waren der Einladung der Deutschen Welle und der Frankfurter Allgemeinen Zeitung gefolgt. […] Professor Reichert sprach sich ebenfalls gegen Deutsch als Staatsziel aus. […] Das „Desaster der Rechtschreibreform“ sei mahnendes Beispiel dafür, dass man Sprache nicht obrigkeitlich regeln könne.
2009-11-24
Die 25. Auflage des Rechtschreib-"Duden" hat die Verkaufserwartungen bisher nicht erfüllt. B.I.-Vorstand Ulrich Granseyer hofft nun auf das Weihnachtsgeschäft und kündigt weitere Investitionen in den Bereich Sprachtechnologie an. […] Der Verkauf des "Duden – Die deutsche Rechtschreibung" liegt derzeit 30 Prozent unter Plan. War die halbe Million, die bis Ende 2009 angepeilt war, zu hoch angesetzt? Granseyer: […] Wir haben möglicherweise bei der ersten Neuauflage – ohne den Rückenwind durch die Rechtschreibreformdiskussion – die Planung zu hoch angesetzt.
Ein kleiner Seitenhieb auf die Rechtschreibreform ("der Swinger-Club für Pluralbildungen") folgt, dann wieder Lieder von einer ebenso verhaltenen wie intensiven Zärtlichkeit: "Mohn und Kamille", das Klangbild eines verdämmernden Sommerabends, oder "Mein Herz geht fremd und sucht sich seine Sterne".
2009-11-23
Die Rechtschreibreform ist heute vor 15 Jahren beschlossen worden. Sie war umstritten und ihre neuen Regeln wurden seit Einführung bereits zweimal wieder geändert. Was hat die Rechtschreibreforn gebracht? Einen großen Erfolg, oder ein totales Wirrwarr? Bayerisches Fernsehen, Abendschau.
Sauerstoffflaschen und Nussstrudel? Hier hat sich in der Schweiz nichts und andernorts nur das eine geändert.
2009-11-19
Der Kulturausschuss des Bundestages ist das kulturpolitische Kontrollorgan der Berliner Republik. […] Er hat über Filmförderung und Erinnerungskultur diskutiert, Experten zur Rechtschreibreform und zum Urheberrecht angehört und einen Unterausschuss "Neue Medien" gegründet […].
2009-11-17
Sprache ist von stetem Wandel gekennzeichnet und lässt sich nicht total kontrollieren und ebenso wenig, allen Rechtschreibreformen zum Trotz, vereinheitlichen.
2009-11-12
Die Zeitung hatte zuvor den persönlichen, handschriftlichen Kondolenzbrief Browns an die Mutter eines gefallenen Soldaten, Jaqui Janes, veröffentlicht […]. Der […] Brief enthielt neben mehreren orthographischen Auslassungen auch eine fehlerhafte Anrede. Der Premierminister suchte in einem persönlichen Telefonat mit der Mutter den Schaden gutzumachen. Den Inhalt des aufgezeichneten Gesprächs machte die "Sun" gleichfalls öffentlich. Das Transkript des Telefonats erwies, dass Brown vor allem darum zu tun war, seine Rechtschreibung zu rechtfertigen, die Mutter des gefallenen James hingegen ihm bittere Vorwürfe machte - ihr Sohn hätte nicht verbluten müssen, wenn mehr Geld und mehr Gerät für den Einsatz in Helmand zur Verfügung stünden. So endete das Bemühen, eine Trauernde zu trösten, mit der Anfachung verheerender Zweifel am Führungsvermögen des Premierministers - wer schon orthographische Fehler mache und sie nicht eingestehen könne, der werde womöglich strategische Fehlentscheidungen in einem Militäreinsatz noch weniger korrigieren wollen.
2009-11-11
Und so hatte Kabarettist Wolfgang Trepper diese bei seinem Auftritt am Dienstag im ausverkauften „Dschungel” schon mal auf seiner Seite. […] Auch die Politik wurde auf die Schippe genommen: „Die Rechtschreibreform war die Kapitulation der Intelligenz vor der Doofheit. Als nächstes kommt die Mathematikreform. Da freut sich die Regierung, dann ist auch der Haushalt wieder im Plus."
2009-11-10
Ruhig, nachdenklich, so wirkt Reiner Kunze. […] Als am Montagabend im Salzstadel ein Film über ihn gezeigt wurde, hat er mit der LZ gesprochen. […] Sie sind ein entschiedener Gegner der Rechtschreibreform. Warum? [Reiner Kunze:] Weil sie eine Katastrophe ist! Die Reform ist teilweise eine Rückentwicklung um 200 Jahre. Beispielsweise die Getrennt- und Zusammenschreibung: Ich kann einen Stuhl "richtig stellen", aber doch kein Missverständnis. Das muss ich "richtigstellen". "Vor Kurzem" bedeutet "kürzlich", nicht "vor dem Kurzen", also gehört es kleingeschrieben.
Wenn es so klar ist, was man mit einem stuhl und mit einem missverständnis machen kann, weiss es auch der leser. Er weiss ja auch, dass stuhl und stuhl nicht dasselbe sind, ohne dass es unterschiedlich geschrieben gehört. Man stellt auch eine frage (im deutschen; englisch ask a question), und kein mensch überlegt, warum man die frage nicht legt.
2009-11-09
Politik ist gar nicht langweilig und Demokratie sogar äußerst spannend. Dieser Meinung sind nun rund 450 Schüler aus Bergkamen, die Besuch von Bundestagspräsident Norbert Lammert erhielten. […] Das freut Schüler: kein trockener Vortrag, sondern lebendige und einfach verständliche Erklärungen komplexer Sachverhalte. „Wie sieht das aus mit diesen unnötigen Rechtsschreibreformen? Keiner kommt damit wirklich klar”, beschwerte sich eine Schülerin. Nur war Norbert Lammert dafür nicht der richtige Ansprechpartner: „Für Rechtschreibung ist nicht der Bund zuständig, sondern die Länder. Ich habe genauso wenig wie du Einfluss darauf. Die Rechtschreibreform war ein Versuch, der nicht gelungen ist und der auch unnötig war”, so der Bundestagspräsident.
Diese erklärung des komplexen sachverhalts rechtsschreibreform ist vielleicht doch etwas zu einfach.
In der alten Rechtschreibung gab es einige Ausreißer, die dem Stammprinzip nicht folgten. Diese Ausnahmen hat die Neuregelung auf der Basis des heutigen Sprachgebrauchs beseitigt. Das heißt, dass einem Wort ursprünglich eine vom jetzigen Verständnis abweichende Schreibung oder Bedeutung zugrunde gelegen haben kann. Gesprochene Sprache, Bedeutungen verändern sich. Da ist es nur legitim, dass auch die Schreibung dem zeitgemäßen Gebrauch und Verständnis folgt.
2009-11-07
Dass Gesetze oder Reformen immer wieder auf Kosten der Gemeinden beschlossen werden, kennen wir auch von der Abschaffung des Abtreibungsparagraphen 218 oder durch die Rechtschreibreform […]. Die Schlechtschreibreform zu Ausgaben für neue Bücher usw. und wie ich kürzlich gelesen habe, fast zu einer Verdopplung der Rechtschreibfehler.
2009-11-03
Größere Sorgen machen sich einige Medien in diesen Tagen um die Studenten. Allen voran das Medium, das sich nicht erst mit seinem Kampf gegen die Rechtschreibreform als intellektuelle Vorhut des Landes profiliert hat. […] Wo sich die "Kronen Zeitung" als wahre Hochschule des Lebens anbietet, wie drei Millionen Dichands honoris causa beweisen.
2009-11-02
Am Donnerstag, 5. November, um 18 Uhr sind die Schleizer zu einem sprachlichen Leckerbissen in die Aula des Duden-Gymnasiums eingeladen: Prof. Dr. Mechthild Habermann, Lehrstuhl-Inhaberin für Germanistische Sprachwissenschaft der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg, referiert zum Thema "Von der Uhralten Teutschen HaubtSprache - Streifzüge durch die Geschichte des Deutschen". […] Prof. Habermann: […] Die Rechtschreibreform ist sowieso schief gelaufen, das kann man anders nicht sagen. Das sehen viele meiner Kollegen und ich genauso. Man muss gleichzeitig sagen, dass Menschen, die vorher in der Rechtschreibung sattelfest waren, jetzt viel häufiger zum Duden greifen. Wir sind verunsichert, wo Varianten erlaubt sind, was man zusammen oder getrennt schreibt. Eine gute Sache hat die Rechtschreibreform - das ist die Regelung der "S"-Schreibung. Man hat sich an das Doppel-S gewöhnt, ebenso an die Regel, dass nach kurzem Vokal Doppel-S kommt und nach langem Vokal "ß". Auf alles andere hätte man bei der Reform gerne verzichten können. Insbesondere die Groß- und Kleinschreibung, die gegen den Sprachtrend gerichtet ist. Man hat versucht, durch Normative den natürlichen Sprachwandel aufzuhalten. […] Sprache kann sich NUR aus dem Volk entwickeln. Jede Regelung von oben scheitert.
2009-11-01
Im Laufe ihrer Geschichte wurde die Zeitung wiederholt Zentrum von Kampagnen, etwa gegen die Rechtschreibreform: Nach der ersten Reform von 1998 kehrte die Zeitung im Jahr 2000 vorübergehend zur alten Schreibweise zurück. Ab Januar 2007 stellte sie dann doch auf weitgehend auf die neue Fassung um. Seitdem druckt die FAZ nach einer eigenen Hausorthografie.
2009-10-31
An der Videowand illustriert, galt Sicks erster „Angriff“ dem falsch gesetzten Apostroph. Aber wer diese einfache Regel nicht beherrscht, dem sollte man „von morgen’s bis abend’s recht’s und link’s“ die neue Rechtschreibreform unters Kopfkissen legen […].
2009-10-29
Im Rechtschreibwortschatz der Grundschulen betraf die Reform zwar nach amtlicher Zählung nur 24 Wörter (alle wegen der ss-Schreibung). Gleichwohl wurden von Anfang an auch Schul- und Leihbibliotheken durchforstet und von Büchern in "alter" Rechtschreibung gereinigt. Typische Vollzugsmeldung: "Alle Bücher in alter Rechtschreibung wurden ausgemistet." Die Dunkelziffer dürfte enorm sein; wahrscheinlich sind Millionen Bände vernichtet worden. […] Vergleichbare Verluste hat es in Friedenszeiten bisher nicht gegeben. Die Urheber der Rechtschreibreform allerdings dürften von solchen Schreckensmeldungen unbeeindruckt bleiben. Auf Warnungen vor einem Traditionsbruch antworteten sie schon 1992 mit der kulturrevolutionären These: "Das meiste, was gedruckt oder geschrieben wird, gilt dem Tagesbedarf […]. Geht man von 1995 als einem möglichen Reformdatum aus, so brauchen die Kinder, die ab dann lesen lernen, in den seltensten Fällen etwas von dem zu lesen, was vor 1995 geschrieben und gedruckt wurde."
Der ganze vorgang sowie die den reformern unterschobene beschwichtigung sind ausfluss des leider in Deutschland nach wie vor nicht überwundenen obrigkeitskomplexes. Unsere antwort auf warnungen vor einem traditionsbruch: Alles auf der welt wird von bösen menschen missverstanden und missbraucht; für die anderen kann das kein argument dagegen sein.
2009-10-24
Auf anderen Gebieten hapert es noch, wie der schriftgelehrte Redakteur ein paar Tage später enthüllte. Dafür legte er auf Seite 2 den Ausriss aus einer SPÖ-Broschüre vor. Schmied: Die Bildungsreform geht weiter. Utl: Jedes Kind, dass in Österreich zur Schule geht, muss Deutsch können. Diese offizielle Aussendung der SPÖ-Zentrale samt schwerem Rechtschreibfehler erreichte uns Mittwoch kurz vor Redaktionsschluss, so C. P., hin- und hergerissen zwischen Verständnis für geplagte Mitarbeiter der SPÖ-Zentrale […] und der Empörung über die unselige Rechtschreibreform.
2009-10-21
Wir werfen exklusiv mit Jürgen Schwertl von Microsoft, der die Übersetzung von Windows 7 ins Deutsche verantwortet, einen Blick hinter die Kulissen. […] Die verunglückte Rechtschreibreform ist immer noch nicht ausgestanden: Zur Zeit widersprechen sich etwa der aktuelle Duden und der Wahrig an vielen Stellen, obwohl sie aus dem gleichen Verlag stammen, es gibt massenhaft "sowohl als auch"-Möglichkeiten. Welche Schreibung benutzt Microsoft im Zweifelsfalle? Jürgen Schwertl: Unser Style Guide orientiert sich am Duden in der jeweiligen Fassung. Allerdings werden ja nicht bei jeder neuen Produktversion alle Texte komplett neu geschrieben. […] So kann es uns leider gelegentlich passieren, dass unsere Schreibweise nicht genau den formalen Vorgaben der Rechtschreibung entspricht. Natürlich versuchen wir aber, dieses Problem so klein wie möglich zu halten.
Wenn man die «‹Sowohl als auch›-Möglichkeiten» beklagt, sollte man wenigstens nicht noch eine weitere «‹sowohl als auch›-Möglichkeit» hinzufügen. Und «verunglückt» ist die rechtschreibreform schon ein bisschen, aber was kleine und grosse softwarehersteller releasen, macht es uns usern ja auch nicht leichter. Vgl. dazu auch Neue Zürcher Zeitung, 10. 1. 2009.
2009-10-20
Wer etwas verändern will, in der Politik oder anderswo in Deutschland, wer Ideen hat und Neues wagen will, der kriegt eine Breitseite aus den Floskelkanonen der Stagnation: 1. Das haben wir noch nie gemacht. 2. Das haben wir immer schon so gemacht. 3. Das haben wir alles schon ausprobiert, es hat aber nichts gebracht. Das Neue macht Angst; der Widerstand gegen Veränderungen ist selbst da noch groß, wo längst kein Weg mehr an ihnen vorbeiführt. Und die schlechten Erfahrungen mit „Reformen“ – von Hartz IV bis zur Rechtschreibreform – nähren diese Angst.
2009-10-17
Doch der baden-württembergische Kultusminister Helmut Rau will auch die besonderen Fähigkeiten junger Menschen gewürdigt wissen. Sie könnten die Informationsflut bewältigen und verfügten über mehr Basiswissen als frühere Generationen, hat der CDU-Politiker im Gespräch mit unserem Redakteur Andreas Schanz betont. […] Rau: […] Ein Thema ist die Rechtschreibreform, mit der wir selbst dazu beigetragen haben, dass Rechtschreibung beliebig geworden ist. Die Möglichkeiten und die Art und Weise, sich im Internet und auf dem Handy auszudrücken, tragen auch dazu bei. Ich bedaure diese Verwahrlosung von Sprache, aber Kommunikation ist trotzdem nicht unmöglich geworden.
Immerhin! Die kommunikation ist nicht nur nicht unmöglich, sie funktioniert sogar perfekt – sie ist der alleinige zweck von sms und internettexten und keine beliebigkeit.
2009-10-13
Eine nicht repräsentative Umfrage unter 143 Studenten hat ergeben: Nur 4 Prozent halten sich an die neuen Regeln.
2009-10-11
Während es draußen herbstlich kalt und nass ist, amüsiert sich das Publikum in der Wildberger Stadthalle prächtig. Grund sind »Nachtschattengewächse«, die von der Gärtnerin und Hauptdarstellerin des Chanson-Theaters, Stefanie Kerker, mit ihren Vorzügen überzeugend präsentiert wurden. […] An der nächtlichen Bushaltestelle sinnierte das Nachtschattengewächs Kerker […] trefflich über längst vergangene Schulzeiten und die Streiche mit ihrer Freundin Anke. Insbesondere machten den beiden die Verwirrungen um die ständigen Rechtschreibreformen zu schaffen, die Schüler und Lehrer ausbaden mussten.
2009-10-09
Als Schulmädchen war mir nichts mehr verhasst als zu Schreiben. […] Kommas setzte ich dorthin, wo sie mir passten und nicht wo sie Herr Duden, Frau Grammatik und meine Deutschlehrer sehen wollten. Am schlimmsten war aber die Gross- und Kleinschreibung. […] Leider zeigen Studien immer wieder, dass ein Text, der nur mit kleinen Buchstaben geschrieben wurde, schwer lesbar ist. Um Ihnen also ihr tägliches Lesevergnügen nicht zu vergällen, strenge ich mich an und besinne mich auf meine Deutschstunden zurück. Obwohl es andersherum viel leichter wäre.
Welche studien? Statt der rückbesinnung, die offensichtlich nicht von erfolg gekrönt ist, empfehlen wir einen blick in die zukunft: eigennamengrossschreibung.
2009-10-07
"Halte sie in Ehren hoch, unsere schöne Muettersproch." Mit diesen Worten führte sich der Mundartdichter Otto Meyer aus Endingen beim Herbststammtisch der Muettersproch-Gsellschaft Rund um de Kahleberg ein. […] Der Dichter geht mit wachen Augen durchs Leben und versteht es, Begebenheiten aus dem Alltag zu glossieren. So hatte er sich auch Gedanken um die Rechtschreibreform gemacht, die er teuer und unnötig fand, weil die Menschen doch so schreiben wie bisher und jeder es versteht.
Warum, so fragt sich und die Zuschauer der ehemalige Leiter der SZ-Kulturredaktion Rolf Waldvogel, schreibt man regelmäßig Sprachglossen? Sie haben sich zwischenzeitlich unter der Überschrift "Sprachplaudereien" zu einem besonders lieb gewordenen Bestandteil der Schwäbischen Zeitung gemausert. […] In Eifer gerät er aber dann doch noch, als es um die Folgen und die Auswüchse der Rechtschreibreform geht, mit denen sich gerade die Leute beschäftigen müssen, deren Beruf es ist zu schreiben, und die sich nun mit den zahllosen Möglichkeiten der Variantenschreibung herumschlagen.
Dazu kommen, wie figura zeigt, die komma-varianten, mit denen man sich schon immer herumschlagen musste.
2009-10-01
Wir wollten von euch wissen: Seit dem 1. August ist die neue Rechtschreibung in Kraft. Wendet ihr sie an? […] Bleiben noch 21 Umfrageteilnehmer oder umgerechnet 13%. Sie zählen zu den sturen Verweigerern der neuen Rechtschreibung, die sich nicht an das neue Reglement halten.
13 (nach unserer rechnung 14,7) prozent? Da müssen ein paar die alte rechtschreibung nachträglich gelernt haben. 90% der erstabschlussstudenten der uni Zürich haben die neue rechtschreibung in der schule gelernt, etwa 60% sogar in der primarschule.
Seit August ist die neue Rechtschreibung in Kraft, und die Studis müssen sich in schriftlichen Prüfungen und Arbeiten an die neuen Regeln halten. Bewusst ist das den Wenigsten. Eine Umfrage der Studentenplattform Students.ch zeigt, dass nur gerade vier Prozent der Studierenden die neue Rechtschreibung konsequent anwenden. […] Über 80 Prozent der Befragten verfassen ihre Arbeiten weiterhin nach den alten Rechtschreibregeln oder sind sich der Neuerungen gar nicht bewusst.
2009-10
Wir fragen uns: Wenn nun ein Schüler einen Fehler in einem Aufsatz schreibt, weil er mit veralteten Schulmaterialien arbeiten musste, ist dann nicht auch die Schule daran mitschuldig?
Wenn der schüler jurist werden will, wird ihm die klärung der schuldfrage sehr helfen.
2009-09-22
Dass Plätze auf den Berliner Gymnasien jetzt per Auslosung und/ oder Sozialquoten vergeben würden, verschlägt ihm die Sprache. Wo will eine solche Politik hin, fragt er. Wohin hat sie uns schon gebracht mit der Rechtschreibreform?
2009-09-15
Unsere Provinzpolitiker, die Kultusminister, haben mit dem "Babylonischen Irrsinn der Rechtschreibreform" (Focus) und der darin angestrebten Eindeutschung von Fremdwörtern unserer Sprache mehr Schaden zugefügt als einige - zugegeben - verunglückte "Denglisch"-Begriffe.
Die Diktate der französischen Schüler fallen immer schlechter aus. […] In diesem Jahr hat der Essayist François de Closets mit seinem Buch "Zéro Faute" die Debatte um die Rechtschreibreform zu neuen Höchsttemperaturen angeheizt. […] Noch stärker als in Deutschland ist die Debatte um die Rechtschreibreform in Frankreich eine Auseinandersetzung der politischen Lager. […] Die Heftigkeit der französischen Debatte um die Rechtschreibreform erklärt sich nicht zuletzt daraus, dass es sich um ein Problem der Schule handelt. […] Im 17. Jahrhundert herrschte, was "l'orthographe" anging, eine vordemokratische Gleichheit. Madame de Sévigné, die größte Briefschreiberin Frankreichs, schrieb nicht korrekter als ihre Köchin. […] Jetzt muss jedermann lernen, korrekt zu schreiben. […] Es ist außerordentlich mühsam, ein fehlerfreies, korrektes Französisch zu beherrschen. Wer diese Fähigkeit aber einmal erworben hat, ist nicht bereit, anderen die gleiche Mühe zu ersparen. Man setzt die eigene Distinktion nicht leichtfertig aufs Spiel. So ist, wie François de Closets schrieb, die Rechtschreibreform in keinem Land dringender notwendig als in Frankreich - und nirgendwo unwahrscheinlicher.
2009-09-06
Les précédentes réformes de l'orthographe ont d'ailleurs divisé les mariannautes. Certains considèrent qu'elle a déjà été assez réformée comme ça. D'autres, au contraire, y voient une preuve que l'orthographe peut, pourquoi pas, être de nouveau réformée. […] La réforme de l'orthographe soulève les passions. Et le débat se déplace, prenant une tonalité beaucoup plus politique. L'orthographe soulève le débat sur les inégalités, scolaires, puis sociales. Certains voient dans l'orthographe une réminiscence du passé, un conservatisme absurde.
2009-09-03
Ecrire sans faute, c'est se mettre en tête les milliers de cas particuliers qui ne découlent d'aucune règle grammaticale. Notre langue, magnifique dans son ordonnancement général, se démultiplie en des milliers de règles, puis de détails toujours particuliers, souvent déroutants, parfois aberrants. C'est alors que l'orthographe française devient diabolique. D'où la question récurrente depuis deux siècles: serait-ce un toilettage revigorant ou une chirurgie mutilante que de mettre un peu d'ordre dans ce fatras?
2009-09-02
Von Sartre bis Sarkozy hatten und haben viele mit der Orthographie ihre Probleme. […] Reine Schinderei im Dienste der Disziplinierung, schreibt François de Closets. "Zéro fautes" - null Fehler - ist der Titel seines Pamphlets. Für eine Reform sei es zu spät: Auf der Tastatur sollen die Kinder schreiben lernen und die Korrekturprogramme anwenden.