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Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)

presseartikel4. 1920 → Eine Offenbarung
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Zur neuen Rechtschreibung

Mitteilungen des Deutschschweizerischen Sprachvereins (), , nr. 4, s. 1

Jedem Erwachsenen, der sich die Rechtschreibung an­geeignet hat, mutet eine Neuerung auf diesem Gebiet Opfer zu. Je älter er ist, desto schwerer wird ihm das. Es sind aber Opfer, die wir unsern Kleinen, den Kindern und Enkeln bringen. In der Uebergangszeit, zehn oder zwanzig Jahre lang, wird man jedem von uns noch ge­statten, bei der alten Uebung zu bleiben. Fürs Lesen aber werden wir uns sehr bald, in wenigen Jahren, voll­ständig an die neuen Wortbilder gewöhnen.

Die Neuordnung bietet Gefahren. Sie kann den Zu­sammenhang mit dem Gewordenen und mit der völkischen Eigenart verlieren, den Wert „vernünftiger“ Regeln überschätzen, einseitig alles vom Standpunkt des Erst­kläßlers und seines Lehrers betrachten und so viel zu weit gehen. Oder sie kann umgekehrt in Kleinigkeiten stecken bleiben, mit viel Lärm um nichts eine „Reform“ hervorbringen, die bei uns alten Herren eine gewisse Verwirrung anrichtet und doch keinen Fortschritt bedeutet.

Zur gegenwärtigen Bewegung möchte ich als Schweizer folgende drei Forderungen aufstellen:

1. Den Versuch lautgetreuer (phonetischer) Schrei­bung müssen wir ablehnen, weil damit die Aussprache festgesetzt werden müßte, ein Eingriff in die Sprache. Man denke an Länge und Kürze in Pferd, Schwert, wert, Garten, Bad, Rad, Buch, Vorteil, Gehöft. Wir Schweizer würden dabei wohl den Kür­zern ziehen und sprachliche Freiheiten opfern müssen.

2. Keine unsern deutschen Ueberlieferungen fremde Schreibungen, keine neuen Buchstaben, Häkchen, Punkte, Striche und Akzente über und unter den Buchstaben. Als Schweizer müßten wir gegen solche Neuerungen Einspruch erheben. Unsere Art war immer besonnene Entwicklung. Draußen im Reiche herrscht jetzt Neuerungssucht; wir sind berufen, da in mäßigendem Sinne zu wirken.

3. Sprachgemäße Entwicklung. Die nichtsnutzige „Reform“ von 1901 hat uns sprachwidrige Neuerungen gebracht, Schreibungen wie: zuungunsten, aufgrund, imstand, infolge. Auf diesem Wege darf nicht weitergegan­gen werden. Es scheint, daß man im Norden darin anders fühlt; unsere Sache ist es, unser ohne Zweifel feineres Sprachgefühl zur Geltung zu bringen. Entgegenkom­men dürfen wir auch erwarten bei Wörtern wie Fuchs, wachsen, wächst, Büchse, die nicht mit x ge­schrieben werden sollten.

Höchst erfreulich ist es, daß die Schweiz eine Ver­tretung bei der Beratung gehabt hat, und noch erfreu­licher, daß auch in dem eingesetzten Siebener Ausschuß unser Mitglied Prof. Bachmann Sitz und Stimme hat. Wir machen nur einen Dreißigstel der beteiligten mittel­europäischen Bevölkerung aus und haben doch einen von sieben Sitzen inne.

Als Sprachvereinler möchte ich bemerken:

1. Die Schweiz darf sich auf keinen Fall absondern, sie soll mitarbeiten, dann aber auch rückhaltlos das Er­gebnis annehmen und nicht versuchen, Liebhabereien, und wären sie noch so berechtigt, aufrecht zu erhalten. Ge­meindeutsch bleibe unsre Rechtschreibung.

2. Die für die Schule durch die vereinfachte Schrei­bung allenfalls gewonnene Zeit muß der Pflege der Muttersprache gewidmet bleiben. Es darf nicht heißen: so, nun braucht das Deutsche weniger Zeit, nun können wir fremde Sprache (oder: die andern Landessprachen) treiben.

3. Ueberhaupt muß bei der ganzen Angelegenheit vor allem an die Erhaltung und Verbreitung unsrer Sprache gedacht werden. Was ihre Erlernung, z. B. bei den deutschen Auswanderern oder bei den unter Fremd­herrschaft geratenen Deutschen (Elsässern, Böhmen, Ti­rolern, Balten) erleichtert, das muß entscheidend sein. Und auch das ist unser Gewinn, wenn Fremde unsre Sprache lieber und schneller lernen.

Nachschrift des Schriftleiters. Auf unsere Ein­ladung sind uns Meinungsäußerungen zur neuen Recht­schreibung in schöner Zahl zugekommen; es dürften aber noch mehr sein, besonders aus den Kreisen der Volksschullehrer, Beamten, Kaufleute und Handwerker. Nur so bekommen wir ungefähr ein Bild von den Bedürfnissen des Volkes. Wir erneuern die Einladung mit Frist bis 26. Ostermonat. In der Mainummer werden wir über die Ergebnisse unserer Umfrage berichten.