Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
Wieder eine Reform der deutschen Rechtschreibung
Die deutsche Rechtschreibung nach Dr. Konrad Duden hat seit ihrem Inslebentreten schon mehrmals eine Abänderung erfahren. Zumeist saßen Wissenschafter und Schulmänner am grünen Tisch, die die jeweilige Reform der Schreibweise nach ihren Anschauungen und ihrem Wissen vollbrachten. Dies wurde stets von uns Buchdruckern übel vermerkt, da auf das graphische Gewerbe, das ja täglich und stündlich sich mit dieser Materie befassen muß, wenig oder gar keine Rücksicht genommen und auch keine Fachleute für diesen Zweck herangezogen. wurden. Nun hat abermals der Reichsminister für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung von sich aus in dieses häufig kritisierte Volksgut eingegriffen und „Regeln für die deutsche Rechtschreibung“ erlassen. Sie würden wohl eine große Vereinfachung bringen, wenn nicht zum Schluß gesagt wäre, daß der gegenwärtige Schreibgebrauch vorläufig auch weiterhin in Geltung bleiben kann.
Doch schreiten wir zum eigentlichen Thema. Dozent Dr. Reumuth gibt in den „Leipziger Neuesten Nachrichten“ diesbezüglich eine klare Uebersicht über das 96 Seiten starke Büchlein, das in den nächsten Wochen den deutschen Schulkindern eingehändigt wird.
Nachdem sich im praktischen Leben, so führt Dr. Reumuth aus, schon längst die Schreibung Fotograf; Telefon, Frisör, Keks, Schal usw. durchgesetzt hat, so werden nunmehr alle Worte mit ph und th durch f und t ersetzt. Auch das h nach r fällt weg: Als Beispiele sind angeführt: Filosof, Fosfor, Difterie, Sfäre, Sinfonie, Strofe, Rabarber, rytmisch, Tese, teoretisch; die Buchstaben eur werden durch ör ersetzt: Frisör, Likör, Schofför usw. Eingedeutscht respektive fonetisch wiedergegeben werden viele Wörter, von denen nur folgende erwähnt seien: Kautsch statt couch, Majonnäse, Miliö, Ragu statt Ragout, Tambur, Träner statt Trainer, Tur statt Tour usw. Bisher konnte man in Zeitungen und Zeitschriften sehr häufig sehen: radfahren, holzhacken, maschinenschreiben, schlittschuhlaufen. Diese Kuppelung von Haupt- und Zeitwort kommt in Fortfall. Das Hauptwort gelangt wieder zur Geltung und muß hervortreten: Ich kann Rad fahren, du mußt Holz hacken, er geht Schlittschuh laufen, wir können alle Maschine schreiben. Bisher gab es einzelne Wörter, in denen der Mitlaut nur zweimal hintereinander geschrieben werden durfte, wie in Schiffahrt, Bettuch und andern. Es gab aber auch solche Worte, wo ein Mitlaut dreimal erschien. Von nun an gibt es nur mehr zwei Mitlaute hintereinander, jedoch bei der Teilung darf der dritte Mitlaut wieder angewendet werden. Die Trennung der Wörter erfolgt übrigens nach den neuen Regeln nach Sprechsilben. Nach Duden trennte man dar-um, dar-über, war-um usw., jetzt das Gegenteil: da-rum, da-rüber, wa-rum, dann Rüs-tung, Karp-fen, Fens-ter und so fort. Nur was man deutlich als Zusammensetzung empfindet, macht eine Ausnahme: kiel-oben, gar-aus. Neu ist auch die Bestimmung, daß bei zusammengezogenen Sätzen vor „und“ und „oder“ kein Beistrich mehr angewendet wird. Als Beispiel diene: Ich ging spazieren und mein Begleiter lagerte sich indes ins Gras; wir werden höchstwahrscheinlich eine Bergtur machen oder wir begnügen uns mit einem Badaufenthalt.
Soweit das Wichtigste über die neue Reform. Ich persönlich möchte noch folgendes dazu bemerken: Nachdem die alte Schreibweise nach Duden „vorläufig“ weiterbestehen kann, wird nur ein Durcheinander entstehen. Der eine Autor schreibt so, der andere nach den neuen Regeln. Kommen zwei solcher Aufsätze in einer Zeitschrift zum Abdruck, dann wird mancher Uneingeweihte beim Lesen den Kopf schütteln und sich über die Arbeitsweise in der Druckerei seine Gedanken machen. Soweit ich mich erinnern kann, wurde schon vor Jahrzehnten für die Ausmerzung des y Propaganda gemacht, indem man an dessen Stelle ein i setzen wollte. Bei dieser Reform wäre es nun möglich gewesen, da in der Aussprache kaum ein Unterschied besteht. Was soll meines Erachtens nunmehr auch das stumme e für einen Zweck haben? Siehe Filosofi statt Filosofie usw.
Franz Wessely (Wien)