Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
Geballter Widerstand gegen die neue Rechtschreibreform
Sprachspiegel, , 52. jg., nr. 6, s. 219 bis 220, Chronik
In Deutschland haben Deutschlehrer gegen die am 1. Juli 1996 in Wien mit staatlichen Unterschriften besiegelte «Gemeinsame Absichtserklärung zur Neuregelung der deutschen Rechtschreibung» ihren Protest angemeldet, bei dem sie von zahlreichen und prominenten Vertretern des kulturellen Lebens unterstützt werden. Als «Frankfurter Erklärung zur Rechtschreibreform» ist am 6. Oktober auf der Frankfurter Buchmesse der Einspruch der Öffentlichkeit vorgestellt worden. Zu den Unterzeichnenden der «Frankfurter Erklärung» gehören neben Lehrern und Buchhändlern Autoren, wie Ilse Aichinger, Alexander Giese (Präsident des österreichischen PEN), Günter Grass, Peter Flärtling, Herbert Heckmann (Präsident der Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt), Walter Kempowski, Siegfried Lenz, Martin Walser, aber auch Germanisten und andere Prominenz aus dem Kulturleben, wie der Politologe Kurt Sontheimer, der Verleger Joachim Unseld oder der ZDF-Moderator Roger Willemsen.
Die Unterzeichnenden verlangen von den verantwortlichen Politikern eine umgehende Aufhebung der Reform: Sie verschlinge unnütz Millionen von Arbeitsstunden, koste mehrere Milliarden Mark, stifte jahrzehntelang Verwirrung und schade im In- und Ausland dem Ansehen der deutschen Literatur. Eine der Erstunterzeichnerinnen, die Österreicherin Ilse Aichinger, erklärt in einer persönlichen Stellungnahme: «Sicher wäre eine Reform möglich, aber eine, die – wie bei den Brüdern Grimm – die ahnende Intelligenz ins Recht setzt und nicht die Gedankengänge irrwitziger kleiner Beamter, die ihr Inkognito unter dem autoritären Wort ‹Experten› bewahren.»
Am 13. Oktober hat im Anschluss an die «Frankfurter Erklärung zur Rechtschreibereform» die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung an ihrer Herbsttagung in Darmstadt einen Aufruf zum Boykott der neuen Rechtschreibreform erlassen, in dem «alle Schriftsteller, Gelehrten, Redaktionen, Verlage und anderen mit der deutschen Sprache und Schrift verbundenen Institutionen» aufgefordert werden, «sich der sogenannten Reform zu verweigern».