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Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)

presseartikel1954-06-22 → Für gemäßigte Kleinschreibung
ortografie.ch ersetzt sprache.org ortografie.ch ersetzt in zukunft sprache.org
Tages-Anzeiger (Zürich),

Für gemäßigte Kleinschreibung aller Wortarten

Empfehlungen für eine deutsche Rechtschreibereform

Stuttgart, 21. Juni. . Die Empfehlungen für eine deutsche Rechtschreibereform, die von der deutsch-öster­reichisch-schweize­rischen Arbeitsgemeinschaft für Sprachpflege ausgearbeitet worden sind, wurden am Montag in Stuttgart veröffentlicht und damit zur allgemeinen Diskussion gestellt. Nach dem Vorschlag der Arbeitsgemeinschaft soll im Frühjahr 1955 eine große Konferenz der beteiligten Länder über die Vereinfachung der gegenwärtigen deutschen Rechtschreibung zusammentreten und Beschlüsse fassen.

Die Arbeitsgemeinschaft empfiehlt die gemäßigte Kleinschreibung aller Wortarten. Die großen Anfangsbuchstaben sollen nur für den Satzanfang, für Eigennamen, für Fürwörter der Anrede und für bestimmte Abkürzungen beibehalten werden. Auch der Name Gottes und andere Bezeichnungen für ihn (z. B. der Herr) sollen weiterhin groß geschrieben werden. Nach weiteren. Vorschlägen, die insgesamt in acht Punkten zusammengefaßt sind, sollen die Buchstabenverbindungen vereinfacht werden. Für »tz« wird »z« vorgeschlagen (z. B. spitzen = spizen). Das scharfe »s« soll in Antiqua mit »ss« geschrieben werden. Im Gegensatz zu anderen Konsonanten sollen aus Gründen der Deutlichkeit drei aufeinanderfolgende »s« stets ausgeschrieben werden (z. B. grossstadt).

Die Arbeitsgemeinschaft empfiehlt, Fremd­wörter mehr als bisher an die allgemeine deutsche Schreibweise anzugleichen. In Zukunft sollten ersetzt werden ph durch f (fotograf), th durch t (teater), rh durch r (katarr), kurzes unbetontes y durch. i (zilinder). Die Buchstabengruppe ti solle, soweit sie »zi« gesprochen wird, auch so geschrieben werden (nazion, sensazion). Das c in Fremdwörtern soll je nach Sprechweise als z, k, s oder Doppel-s, das v wie w, das eu wié ö (frisör), das ou wie u (turist) usw. geschrieben werden.

Schließlich empfiehlt die Arbeitsgemeinschaft eine Vereinfachung der Zeichensetzung. Das Komma solle sparsamer als bisher gesetzt werden, vor allem solle es vor »und« und »oder« bei gleichgeordneten Hauptsätzen sowie vor allen Infinitivgruppen »zu, um zu, ohne zu« wegfallen. Ueber diese Vorschläge hinaus hat die Arbeitsgemeinschaft besonders eingehend geprüft, wie die unterschiedliche Schreibweise des langen Vokals (mir – Tier – ihr, Tod – Boot – ohne) vereinheitlicht werden könnte. Doppelvokale sollen nach den Vorschlägen zur Unterscheidung gleichklingender Wörter beibehalten werden (meer = mehr). Das Dehnungs-h soll nur nach e bestehen bleiben (dehnen = denen). Nach anderen Vokalen sei es außer in Fällen wie »ihm = im« entbehrlich. ie solle ausgenommen vor ss zu i werden.

Die Arbeitsgemeinschaft gibt bekannt, daß sie in ihren Empfehlungen nur die wichtigsten Reformwünsche berücksichtigt habe, die -in den letzten Jahrzehnten in Aufsätzen, Denkschriften und Entschließungen geäußert worden seien.