Ob man "sitzen bleiben" oder "sitzenbleiben" schreibt, "bankrottgehen" oder "Bankrott gehen", "Recht haben" oder "rechthaben", ist einigermaßen belanglos; verständlich wird die Sache allemal. Weshalb die Kultusminister gut daran getan hätten, den Ball, der ihnen da zugespielt worden war, den Pfennigfuchsern zurückzugeben. Sie hätten Freiheit geben und nicht nur Doppelt-, sondern auch Dreifachschreibungen erlauben können, und das nicht nur für eine Übergangsperiode. Doch was wäre dann aus den Germanisten geworden, die mit Texten und Sätzen nichts anfangen können und sich deshalb aufs Silbenzählen und Kommasetzen verlegt haben? Sie würden arbeitslos: unvorstellbar für einen Lebenszeitbeamten, der nicht nur das Recht, sondern leider auch die Pflicht zum vollen Arbeitseinsatz hat. Vorschriften zu erlassen ist sein Beruf, den er mit derselben Leidenschaft erfüllt wie die Beamten im Finanzministerium den ihren. Was denen die Steuergesetzgebung, ist den Berufsrechtschreibern ihr Duden. An dem wollen sie weiterarbeiten, weshalb sie sich ihr Mandat zur Aufsicht über die deutsche Orthographie um fünf weitere Jahre verlängert haben.
Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
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Adam, Konrad
Wie glänzend stünde die KMK heute da, wenn sie der Versuchung widerstanden und die Rechtschreibung dorthin delegiert hätte, wo sie hingehört: ganz weit nach unten also, in die Hände der Bürger.
Die Geschichte der Rechtschreibreform gleicht der aller anderen Reformen, sie ist lang, beschwerlich, ruhmlos und chaotisch. […] Dies jüngste und traurigste Kapitel der deutschen Reformagenda begann vor sechs Jahren. Damals beschlossen die Kultusminister, sich der Rechtschreibung anzunehmen […]. Von da an ging's bergab.
Die kultusminister haben sich der sache nicht angenommen, sie sind dafür zuständig
"Mir war die konsequente Rechtschreibung immer ziemlich gleichgültig. Wie dieses oder jenes Wort geschrieben wird, darauf kommt es doch eigentlich nicht an; sondern darauf, dass die Leser verstehen, was man damit sagen will", meinte Goethe. Doch was ist Goethe gegen ein deutsches Kommissionsmitglied! Sie haben die menschenfreundliche Idee Konrad Dudens, mit einem Regelbüchlein den Druckern und Setzern ihre Arbeit zu erleichtern, zu einem unförmigen, von Widersprüchen und Willkür keineswegs freien Wälzer aufgeschwemmt, ständig vermehrt von einer Rechtschreibindustrie, die den Leuten weismacht, die deutsche Kultur ginge unter, wenn einer wagte, "Keiser" statt "Kaiser" zu schreiben. Dass diese Schreibweise von den ebenso sprachkundigen wie sprachbewussten Beiträgern zum Grimmschen Wörterbuch ausdrücklich verzeichnet wird, stört die Puristen wenig. Sie wollen die Vorschrift und die Regel, und zwar auch dort, wo sie zur Sache und zur Klarheit nichts beiträgt.
Warum ist nicht ein einziges Land auf die Idee gekommen, beim letzten und dümmsten Streich der Konsenspolitik, der Rechtschreibreform, rechtzeitig wieder auszuscheren?
Rolf Wernstedt, als niedersächsischer Kultusminister und Präsident der KMK so etwas wie der erste Herold der Reform, hat wahrscheinlich recht, wenn er die Sache zum Prüfstein für die Politikfähigkeit des Landes ausruft. Aber doch nicht deshalb, weil die Frage, ob wir „zum ersten Male“ getrennt und groß oder klein und verbunden schreiben, politisch belangvoll wäre oder auch nur wesentlich im Sinne der Juristen. Zur Entscheidung steht etwas ganz anderes, die Frage nämlich, ob der Untertan jeden Unfug und jede Pflichtvergessenheit, nur weil sie von oben kommt, hinnehmen muß oder ob er aus Eigenem, aus eigenem Recht, mit eigenen Ideen und auf eigene Kosten, dagegen etwas unternehmen darf. Auch dann, wenn die KMK bockt. Und dann vielleicht erst recht.
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