Noch problematischer dürfte der Vorschlag sein, männliche und weibliche Form etwa von Personenbezeichnungen im Wortinnern durch das grosse I (VerkäuferInnen), durch die Klammerung (Verkäufer(innen) oder durch den Schrägstrich (Verkäufer/innen) kenntlich zu machen. Der Nachteil liegt auch da auf der Hand: Rein orthografische Neutralisierungen lassen sich zwar schreiben, aber nicht sprechen.
Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
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Andreotti, Mario
Zehn Jahre nach der Einführung der neuen Rechtschreibung ist die Bilanz dieses obrigkeitlichen Gewaltaktes an der Sprache ernüchternd. Die mehrere Milliarden teure Rechtschreibreform, von der sich Bildungspolitiker und Lehrer eine Vereinfachung der deutschen Orthographie erhofften, hat in Wirklichkeit nichts vereinfacht.
Nimmt man die heftigen Debatten über die Rechtschreibreform vor gut 20 Jahren beim Wort, dann sind die Deutschsprechenden lauter Sprachliebhaber, denen nichts fremder ist als sprachliche Experimente, zumindest was die Mysterien der Orthographie betrifft. Hält man sich indessen an den Umgang mit der Sprache, wie er im Alltag […] geübt wird, so ist die deutsche Sprache ihren Benützern so gleichgültig wie nur weniges sonst, fortwährend verhunzt, ohne dass das noch besonders auffiele oder irgendwelche Folgen hätte.

[…] die 1901 erreichte Einheit der deutschen Rechtschreibung muss im ganzen deutschen Sprachraum gewahrt bleiben. […] Bis heute fehlt allerdings der Tatbeweis, dass die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung für die Schreibenden wirklich eine Erleichterung bedeutet. […] Die Reform muss weitergehen: früher oder später wird man unter anderem über jene beiden Probleme der Syntax, die unsere deutsche Sprache so schwierig machen, wieder diskutieren müssen: über die Grossschreibung der Nomen und über die äusserst komplexe, weil vorwiegend grammatischsyntaktisch begründete Kommaregelung, die kein Deutschsprachiger ganz beherrscht, selbst die Germanisten nicht.

Geht man von unserem Schichtenmodell der Sprache aus, so ist die Rechtschreibung zweifellos auf der untersten Ebene anzusiedeln. Das bedeutet ein Zweifaches: Zum einen stellt die Rechtschreibung eine Art vorgrammatische Disziplin dar, eine Disziplin also, die nicht zum Bereich des grammatischen Systems der Sprache gehört […]. Und zum andern leistet die Rechtschreibung im Hinblick auf die kommunikative Leistung der Sprache wenig bis nichts. […] wird die menschliche Kommunikation ganz wesentlich vom inner- und aussersprachlichen Kontext, in dem ein Wort steht, gesteuert. […] Die kommunikative Leistung der Rechtschreibung ist derart klein, dass wir sie fast vernachlässigen können. […] Ganz anders sieht es nun in Bezug auf die gesellschaftliche Wertung der Rechtschreibung aus. […] Ich kenne keine Sprache, in der die Orthografie einen derart hohen gesellschaftlichen Stellenwert hat wie im Deutschen. Im Italienischen — das versichere ich Ihnen — jedenfalls nicht!
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