
Schrift ist eine junge Erfindung. Erst seit 5300 Jahren verwendet der Mensch sie in größerem Umfang. […] Die Fähigkeit, Schrift umfassend zu nutzen, also lesen und schreiben zu können, ist auch heute keineswegs selbstverständlich. Es handelt sich schließlich nicht um eine angeborene Fähigkeit, sondern um eine erworbene. Sie zu erlernen ist nicht einfach. Bewusst wird dies typischerweise dann, wenn die Fähigkeit zu schreiben unzureichend oder gar nicht ausgebildet ist oder wenn ihre Bedingungen infrage gestellt werden: Die weltweiten Bemühungen um die Steigerung des Alphabetisierungsgrades, die Orthographie-Reform, die Ergebnisse von PISA-Studien, die Entstehung digitaler Schrifträume und das immer wieder postulierte Ende der Gutenberg-Galaxis machen die Bedeutung von Schrift und Schriftlichkeit für viele moderne Gesellschaften offenkundig. Dabei wird deutlich: Schrift ist nicht nur eine komplexe Kulturtechnik, sie bedarf auch eines hohen Maßes an gesellschaftlichem Konsens.