Ein langes Hickhack, bei dem sich die rot-grüne Regierung nicht gerade mit Ruhm schmückte, endete zum 1. Oktober. Durch Änderung des Schulgesetzes wurde die neue deutsche Rechtschreibung auch in Schleswig-Holstein eingeführt. Damit setzte sich das Kabinett über einen Volksentscheid hinweg, der das Reformwerk für Schleswig-Holstein als einzigem der 16 deutschen Länder abgelehnt hatte.
Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
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Goos, Diethart
Einstimmig hat sich der schleswig-holsteinische Landtag über den Volksentscheid vom 27. September letzten Jahres hinweggesetzt.
Lohnt es sich wirklich, um diese von einer deutsch-österreichisch-schweizerischen Germanistenkommission für den deutschen Sprachraum ausgearbeitete Minimalreform einen derart verbissenen Glaubenskrieg zu führen.
Zur Rolle ihres scheidenden Kabinettsmitglieds meinte Heide Simonis: "Sie ist eine sehr engagierte Frauenministerin gewesen, die erste in der Bundesrepublik. Sie hat sehr viele Sachen in der Bildungs- und Schulpolitik angefaßt. Sie hat aber auch genausoviel Widerspruch angetroffen, und ihr Job war nicht immer leicht." Zum eigentlichen Konflikt um die Bildungsministerin, dem Volksentscheid gegen die Rechtschreibreform und seinen umstrittenen Folgen, sagte die Ministerpräsidentin nichts.
Bürgerinitiativen in Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern planen nach Kieler Vorbild Abstimmungen gegen das Reformwerk.
Gegner der Rechtschreibreform werfen der SPD-Politikerin vor, sie versuche mit Tricks und Manövern den Erfolg des Volksentscheids vom letzten Sonntag ins Gegenteil umzukehren. Gestern verwahrte sich die Ministerin entschieden gegen diese Vorhaltungen. Nach pausenlosen Beratungen mit ihren Experten erklärte Gisela Böhrk, die von 1969 bis zum Wechsel in die Politik im Jahre 1975 als Lehrerin tätig war: "In den Schulen des Landes werden künftig ausschließlich die alten Rechtschreibregeln gelehrt. Aus der Verwendung von Schreibweisen entsprechend der Rechtschreibreform dürfen den Schülerinnen und Schülern aber keine Nachteile entstehen."
Gabriele Behler, die derzeitige Präsidentin der Kultusministerkonferenz, machte gestern Hoffnungen der Reformgegner zunichte, mit dem schleswig-holsteinischen Volkentscheid sei das Projekt für ganz Deutschland gescheitert. […] Die neue Schreibweise der deutschen Sprache werde weiterhin bundesweit problemlos unterrichtet. "Es ist viel Lärm gemacht worden um wenige kleine Änderungen."
Simonis: […] Die Rechtschreibreform ist kein isoliertes norddeutsches Thema, sondern ein gemeinsames Projekt aller Kultusminister, und ich hoffe sehr, daß der Volksentscheid vom 27. September Schleswig-Holstein eben nicht zu einer ,Insel der Rechtschreibung' werden läßt. Gesetzgeberische Maßnahmen gegen ein so zustande gekommenes Gesetz behält sich die Landesregierung vor.
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