Zwar hatte die vereinheitlichung und amtliche regelung sicher praktische vorteile, besonders für den buchdruck und auch für die schule. Andererseits wurde dadurch die weitere reform erschwert, wenn nicht unterbunden. […] Und als dann 1918 nach dem politischen zusammenbruch des reichs eine mächtige reformbewegung auf dem ganzen weiten feld des erziehungswesens einsetzte, kam auch die ortografiereform wieder in fluss. […] Der neuerwachte nationale chauvinismus steht einer reform nicht günstig gegenüber, und so ist vorläufig von Deutschland kein vorangehen zu erwarten. Dagegen hat der reformgedanke in der Schweiz in den letzten jahren sich auszubreiten begonnen. […] Und im herbst 1924 fand dann endlich in Olten eine versammlung statt von freunden einer ortografiereform, die zur gründung des «Bundes zur vereinfachung der rechtschreibung» führte. […] Verehrte kollegen, scheuen wir uns nicht, mit forderungen an die öffentlichkeit zu treten, auch wenn unser schritt da und dort noch kopfschütteln hervorrufen sollte.
Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
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Haller, Erwin
Gehalten […] am 29. mai 1926 in Baden, an der interkantonalen konferenz zur besprechung der ortografiereform. […] Ich nehme an, dass sie alle sich in letzter zeit in irgendwelcher weise mit der ortografiereform beschäftigt haben […]. Und ich darf auch annehmen, dass sie alle empfinden: wir stehen hier vor einer frage, die wichtig ist für das öffentliche leben und ganz besonders wichtig für die schule, der wir unsere arbeit und unser denken widmen. Ich will gleich auf die hauptsache eingehen und zwei fragen stellen: 1. Ist eine reform, eine vereinfachung unserer gebräuchlichen deutschen rechtschreibung überhaupt wünschenswert? 2. Ist eine solche möglich? […] In erster linie steht da die grosschreibung. […] Die grossschreibung der substantive ist wie viel anderes überflüssiges in unserer schreibung ein kind der barockzeit […]. Das misslichste daran ist aber, dass man bei der grosschreibung der eigentlichen substantive nicht stehen blieb, sondern dass im 19. jahrhundert nun auch alle möglichen substantivisch verwendeten ausdrücke der «ehre der grosschreibung» teilhaftig wurden […]. Dadurch aber kommen wir zu einer komplizierung der schreibweise, die ans absurde grenzt […]. Ungefähr die hälfte aller schreibregeln betrifft denn auch die grosschreibung, und die fehler darin überwiegen weitaus. Davon habe ich mich letztes jahr durch einige statistische feststellungen in den heften meiner schülerinnen überzeugt.
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