[…] ein gewisser Sprachelitismus, dem wiederum eine Fehlkonzeption von Sprache zugrundeliegt, die eng mit der Vorstellung zusammenhängt, dass Sprache statisch sei: nämlich die Idee, dass es ganz klar richtige und falsche Formen gibt. Auch hier sind wir teilweise durch den Schulunterricht vorgeprägt: Wir denken über Sprache im Sinne von Normen nach. Wir fragen uns, was das standardsprachlich Richtige ist. Und tatsächlich gibt es ja auch Normen, die teilweise verbindlich sind – sowohl in der Schule als auch in Behörden müssen wir uns weitgehend an verbindliche Regelwerke halten. Das gilt vor allem für die Schriftsprache, wo es amtliche Rechtschreibregeln gibt. Auch diese gelten aber natürlich nur in offiziellen Kontexten – wenn eine Privatperson beschließt, von nun an nur noch klein zu schreiben, dann kann sie das tun, und wenn ein privatwirtschaftliches Unternehmen beschließt, ab sofort sein eigenes Regelwerk einzuführen, weil es die amtlichen Rechtschreibregeln für doof hält, hindert es auch niemand daran.
«… sowohl in der Schule als auch in Behörden müssen wir …» Wir? Für eine grosse mehrheit der bevölkerung gilt bezüglich der schule «mussten», und nur eine kleine minderheit arbeitet bei einer behörde. Für letztere ist auch nicht die behörde entscheidend, sondern der (ebenso freiwillige wie weit verbreitete) status als angestellter. Dass sich die behörden hinwiederum an die schulrechtschreibung halten, ist verständlich, aber nicht zwingend, wie Bismarck und mehrere schweizer gemeinden gezeigt haben.