Doch ab 1. August gilt an den Schulen ganz genau das, was wirklich gilt, was auch immer das ist. […] Sechs Tage, nachdem wir dies meldeten, schlug am 19. Juni die Nationalratskommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK) Alarm. Sie wolle sich «des Themas annehmen», drohte sie per Medienbulletin. Denn: «Das Chaos in der deutschen Rechtschreibung beschäftigt das Parlament.» Ach, wirklich? Und seit wann? Letztes Jahr jedenfalls, als die Orthographische Konferenz, unterstützt von der Konferenz der Chefredaktoren, «eine konsequente Verbesserung der missglückten Reform» forderte, war die WBK noch am Schlummern – oder mit ihrem eigenen Chaos beschäftigt. Was sie jetzt noch will, ist unerfindlich.
Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
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Hertach, Ruedi
Für die St. Galler Schülerinnen und Schüler sei die bereits praktizierte Anwendung der vorliegenden Schreibregeln «kein nennenswertes Problem». […] Es ist absehbar: Frau Nietlispach Jaeger wird sich an der nächsten Kantonsratssession von der Antwort unbefriedigt erklären. «Das Geschäft ist erledigt», wird daraufhin der Präsident mitteilen.
Frau Kantonsrätin fordert ein Moratorium: «Zehn Jahre Experimente sind genug.» Das ganze Regelwerk müsse überarbeitet werden. Von einem bitteschön neu zusammengesetzten Rat für Rechtschreibung. Und für all dies möge «die St. Galler Regierung ihren Einfluss geltend machen».
Es gibt eine Handvoll zumeist intellektuell wirkende Einsender, die uns ihre Beiträge unter Verwendung des Zeichens «ß» schicken. Wir filtern dann dieses Gebilde möglichst aus den Texten raus, da wir es nicht im regulären Gebrauch haben. […] Auch der jüngste «Sprachspiegel» […] bezeichnet es als «Überbleibsel aus der deutschen Schrift (Kurrentschrift und Fraktur)». Nichtsdestotrotz plädiert der dortige Autor dafür, dass wir uns «der bereinigten deutschen ss/ß-Regelung anschliessen». Nun ist besagtem Autor wohl beizupflichten, wenn er ausführt, in der Schweiz wolle man mit dem Buchstaben «ß» aus «unsachlichen Gründen» nichts mehr zu tun haben. Vielleicht erstreckt sich diese Unsachlichkeit sogar darauf, dass man sich von de Deutschen nicht ein erneutes SS-Problem aufhalsen lassen will. […] Und so schicken wir im schöne Grüße (!), wenn’s sein muss auch Küsse (!), und lassen es dann am liebsten so, wie wirs gewohnt sind.
Nur teilweise geläufig ist die Tatsache, dass es auch bei korrekter Neu-Schreibe in vielen Fällen mehrere «zulässige» Varianten gibt. Fast zu viele, wie ein Fachmann in der jüngsten Ausgabe des «Sprachspiegels», einer Zeitschrift für solche Dinge, meint. Besagter Herr Gallmann gibt denn auch seine Empfehlungen ab, wie man mit derlei Varianten fallen am zweckmässigsten umgehen solle. Er rät beispielsweise, wirklich «substanziell» zu schreiben und nicht «substantiell» […]. Mitteilen möchte ich Ihnen schliesslich noch, dass Herr Gallmann das «wackernagelsche Gesetz» dem «Wackernagel'schen Gesetz» vorzieht (wobei wir ein anderes Mal behandeln, worüber der Wackernagel überhaupt ein Gesetz erlassen hat).
Was werden die Geschichtsforscher des Jahres 3000 sagen, wenn sie ihren Leuten das Jahr 2000 erklären? […] Oder das seltsame Bemühen um eine abgeänderte Rechtschreibung (in jener urvordenklichen Zeit nämlich, als es noch Leute gab, die ganze Sätze niederzuschreiben pflegten).
Gewiss, die Folge davon wird eine zunehmende Verwilderung sein, doch das ist nicht die Schuld der normalen Schriftsprachbenutzenden: Es ist die Schuld jener Rechtschreibereformer, die es nicht fertig brachten, eine wirkliche Vereinfachung zu erfinden. Stattdessen haben sie das komplizierte Alte durch ein ebenso kompliziertes Neues ersetzt.
Zum Üben mit neuer Rechtschreibung, Version Schweizerische Depeschenagentur, verwenden wir folgenden inhaltlich sinnlosen, aber orthograph(?)isch klippenreichen Text: […]
Sichergestellt ist jedenfalls, dass die Gemse auch in unseren Spalten rechtzeitig zum Jagdbeginn zur Gämse wird. […] die neu ersonnenen Regeln […], zu deren verblüffenden Eigenschaften es gehört, dass per Saldo mehr gross geschrieben wird als bisher, obschon man zuvor jahrzehntelang von der gemässigten Kleinschreibung fabulierte.
Man fabulierte sogar jahrhundertelang, und man tut es immer noch. Das war nämlich schon immer «gestattet», denn schüler sind wir doch beide nicht mehr, lieber Ruedi?!
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