Erst ab der dritten Klasse erlernen die Kinder die richtige Schreibweise. Kritiker warnen, so werde Schulversagen programmiert.
Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
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Kamann, Matthias
Die Floristin eröffnete "Gaby's Blumenladen", DaimlerChrysler führte die Doppelgroßschreibung ein, und 60 Jahre nach Kriegsende wurde "den Opfern gedacht". Doch statt zu überlegen, wie solchem Sprachverfall zu wehren ist, haben ihn unsere Kultusminister sowie die in Österreich und der Schweiz sich für zuständig Erklärenden beschleunigt, indem sie einen bald 20 Jahre währenden Streit um die Rechtschreibreform führten.
Im gesamten E-Mail-Verkehr, der für viele zur wichtigsten Form der Schriftlichkeit geworden ist, sind die Regeln der Groß- und Kleinschreibung weit gehend außer Kraft gesetzt, statt "ä" schreibt man mit Rücksicht auf englischsprachige Computersysteme "ae", genauso wird das "ß" durchs "ss" ersetzt. Die Praxis schafft sich informell Regeln, und niemand interessiert sich für den Glaubenskrieg, den Sprachpfleger und -reformer zu gleicher Zeit darüber führen, ob man "nichts sagend" oder "nichtssagend" oder "Nichts sagend" schreiben solle und wie man es denn wohl beim (sinnlosen) Superlativ "am nichtssagendsten" zu halten habe.
Die Sprache lässt sich nicht per Logik und bildungsreformerischem Gerechtigkeitsanspruch bis in die kleinste Regung hinein staatlich reglementieren. […] Warum überlässt man bestimmte Zweifelsfälle der Getrennt- und Zusammen- sowie der Groß- und Kleinschreibung nicht der Eigenverantwortlichkeit der Deutschen? […] man […] verzichte […] auf die Komma-Haarspaltereien beim erweiterten Infinitiv und aufs Hineinprügeln von Ka-tze statt Kat-ze. Dies überlasse man dem Einzelnen, ebenso Schreibungen wie „Schifffahrt“, „aufwändig“ oder „fantastisch“. Warum nicht zwei Möglichkeiten zulassen? Im Zweifel werden sich verantwortungsbewusste Bürger schon selbst helfen.
Abgesehen vom falschen beispiel «Ka-tze», hat der autor recht: Der freie bürger kann selbst entscheiden. Nur war das schon immer so. Der staat reglementiert nur für die schule.
Da nun die Rechtschreibreform nicht das einzige gescheiterte Projekt der Neuregulierung ist, sondern sich in jene lange Schlange einreiht, in der auch Stadtplanung, Sozialstaat und Frauenquote stehen, so wäre zumindest zu überlegen, ob man hier nicht ähnlich verfahren sollte, wie es für jene und andere Bereiche vorgeschlagen wird. Dort wird nach dem Scheitern der großen Reformprojekte nicht einfach eine Rückkehr zu Vorkriegsordnungen gefordert. Vielmehr seien die Spielräume des Einzelnen zu vergrößern. Müssen wir wirklich festlegen, ob man Pleite geht, pleitegeht oder pleite geht? Warum sollen wir die "f"s in Schifffahrt zählen?
Zu dieser Entwicklung in lebendiger Vielfalt in der auch der Eigensinn einer Frankfurter Tageszeitung und einiger Buchverlage einen gern zuerkannten Platz findet hat die Rechtschreibreform durch Regelaufweichung einen wesentlichen Beitrag geleistet. Sie ist eines der wenigen Deregulierungsprojekte, die den Deutschen gelungen sind.
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