Sinn und Zweck einer geregelten Orthographie ist ja nicht ihre leichte Erlernbarkeit, sondern das mißverständnisfreie Lesen auch komplizierter Texte und das Ermöglichen einer hochdifferenzierten Sprachkultur […]. Denn in dieser Sprachkultur schult sich die Präzision des Denkens, ohne die es auch die wissenschaftsgestützte Technik mit all ihren Errungenschaften der Lebensbequemlichkeit nicht geben könnte.
Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
→ presseartikel →
autoren
neue personensuche
Krieger, Hans
Wer Klarheit und zweckmäßige Schreibregeln will, muss verlangen, dass die jüngste Duden-Auflage schleunigst aus dem Verkehr gezogen wird. […] Von alleine wird das Chaos sich schon deshalb nicht klären, weil die „Reform” auch das ruiniert hat, was man früher einmal Sprachgefühl nannte.
Die vom Rat für deutsche Rechtschreibung empfohlene und von den Kultusministern beschlossene Reform bringt zwar wesentliche Verbesserungen, löst die entscheidenden Probleme aber nur teilweise […]. Um so wichtiger wird es nun, daß die F.A.Z. an der bewährten Rechtschreibung festhält - unabhängig von der Entscheidung der Ministerpräsidentenkonferenz.
Das Bemühen um eine «bessere» Rechtschreibung ist als Geistesübung nützlich, weil es das Sprachbewußtsein schärft. Schreitet es zur Tat, so stiftet es heillose Verwirrung. Was die Sprachgemeinschaft sich in Jahrhunderten erschuf, läßt sich mit einem voluntaristischen Akt nicht neu konstruieren. Weisere Kulturen wie die englische oder französische schicken sich darum gelassen in die Schwierigkeiten einer Orthographie, in der Schriftbild und Lautung viel weiter auseinandergedriftet sind als im Deutschen.
Es gab auch Niederlagen und Fehlentscheidungen, und die ärgste und schmerzhafteste war die widerwillig gegebene Zustimmung zur Rechtschreibreform. Zehetmair ist viel zu sprachbewußt, um sie gutheißen zu können, sah aber angesichts massiven Druckes keine Chance, sie zu verhindern. Immerhin war er es, der im letzten Augenblick noch entscheidende Verbesserungen durchdrückte […]. Daß unter den Reformauswüchsen, die Zehetmair verhinderte, auch die Kleinschreibung des "Heiligen Vaters" war, hat mit katholischer Glaubenstreue nicht das geringste zu tun; die Großschreibung ist ein zwingendes Gebot der sprachlichen Logik. Welches Chaos die Rechtschreibreform in der Getrennt- bzw. Zusammenschreibung anrichten würde […], konnte Zehetmair 1995 ebenso wenig voraussehen wie irgend jemand sonst. Die Reformer selbst hatten eingeräumt, daß die genauen Auswirkungen der neuen Regelkonstruktion sich erst bei der Erarbeitung der neuen Wörterbücher herausstellen würden, und die lagen erst im Spätsommer 1996 vor. Noch einmal hat Zehetmair erwogen, das Ganze zu kippen, aber er glaubte […] nicht recht, daß er es "im Kreuz" hätte, das durchzustehen. Das war wohl sein Irrtum; Zehetmair hätte es "im Kreuz" gehabt. Heute sagt er unumwunden: "Wir hätten die Rechtschreibreform nicht machen dürfen." Sprache sei ein dynamischer Prozeß, und niemals dürfe die Politik sich anmaßen, hier mit Dekreten einzugreifen.
Sprache ist dynamisch, aber die rechtschreibung ist statisch vor allem wegen der schule, wo so oder so eine dekretschreibung gelehrt wird. Hier liegt der irrtum von Krieger und jetzt auch Zehetmair.
Bei der Feier zum 60. Geburtstag von Friedrich Denk […] trug Hans Krieger folgendes Gedicht vor: […] Der Schreibreformer-Klüngel kriegt die Kränk, / erblickt er Sie, greift schlotternd ans Gemächt sich / und alpträumt, daß man bald mit Fug ihn henk’, / zumindest in den Orkus ihn versenk’. / Die feige Bande ängstigt ganz zu Recht sich, / denn wer die Sprache schändet, der erfrecht sich / nicht lange ungestraft: der Frevel rächt sich.
Licht in ein dunkles Kapitel der Sprachgeschichte, das in allen historischen Darstellungen der Rechtschreibproblematik geflissentlich ausgespart blieb, bringen jetzt zwei junge Wissenschaftler aus Jena und Halle. […] Das vielleicht Erschreckendste jedoch ist der Nachweis der Studie, wie stark die Denkmuster von damals unerkannt bis in die Gegenwart fortwirken.
Hoffentlich wird wenigstens im buch nicht ausgespart, dass es noch eine Schweiz gibt, in der auch deutsch gesprochen wird. Vgl. z. b. «20 jahre Bund für vereinfachte rechtschreibung» aus dem jahr 1944.
Zwar handelt es sich nicht einmal ansatzweise um eine Reform der Reform rein quantitativ sind die Änderungen geringfügig. In der Substanz aber sind sie so folgenschwer, dass sie die Legitimationsgrundlage des gesamten Reformwerks in Frage stellen.
Wackersdorf, Schneller Brüter, Transrapid — der Sieg der Vernunft kommt manchmal spät. Auch für die ungeliebte Rechtschreibreform sollte er möglich sein.
[…] gelogen wird auch im Duden. Jedenfalls im „Großen Duden", dem neuen zehnbändigen. Mit manipuliertem Quellenmaterial wird der Eindruck erweckt, deutsche Schriftsteller wie Thomas Mann, Stefan Heym oder Edgar Hilsenrath hätten schon vor Jahrzehnten so geschrieben, wie es jetzt die Reformwillkür befiehlt.
Viele schriftsteller schrieben in fraktur, einige sogar mit einer überzeugung, die der von Krieger nicht nachsteht. Warum werden ihre zitate in den wörterbüchern nicht originalgetreu wiedergegeben? Und warum hat Krieger diese «manipulation» bisher nicht gestört?

Im Gehorsam vor der Idiotenregel "im Zweifelsfall getrennt" geben sich die Agenturen noch päpstlicher als der Papst; im Auseinanderreißen des Zusammengehörigen sind sie noch verbohrter als die amtliche Neuregelung. […] Nun müssen wir Mut maßen, daß auch Blitz gescheite Leute Grund verkehrt agieren können, wenn sie Brand aktuell sein wollen. Und wie werden die Zeitungsredaktionen reagieren, wo ja, wie man hört, noch immer Leute sitzen, die ihr Handwerk verstehen? Vielleicht werden sie ganz bescheiden bei den Nachrichtenagenturen anfragen, wer ihnen eigentlich das Mandat erteilt hat, an der Sprache herumzupfuschen und dabei noch rabiater durch den Porzellanladen zu trampeln als die Kultusminister.
Die Akademie hat sich unnötig ins Bockshorn jagen lassen. Sie ist ihrem Mitglied Peter Eisenberg auf den Leim gegangen, der seit Jahren das Kunststück fertigbringt, die Rechtschreibreform entschieden abzulehnen und zugleich für absolut unvermeidbar zu erklären.
Klammheimlich korrigiert sich der Duden, klammheimlich korrigiert er die Rechtschreibreform. […] In solchen diskreten Rückziehern kommt wohl der Praxisverstand der Deutschen Presseagentur zur Geltung, die zu beratender Mitarbeit zugezogen wurde […] Die Nachrichtenagenturen, die bisher weise Distanz zur Neuschreibung gewahrt haben, sind offenbar dabei, sich über den Tisch ziehen zu lassen. Am Verfehlten wird hinterrücks und konzeptlos herumgedoktert, aber zu dem klaren und ehrlichen Eingeständnis, daß die Reform fundamental vermurkst ist, mag niemand sich aufraffen.
Daß es nicht den sprachwissenschaftlichen Obergutachter spielen wolle, hatte das Gericht ja schon zu Beginn des Verfahrens angekündigt. Es hat sich aber doch zum sprachwissenschaftlichen Obergutachter aufgeschwungen, indem es über eine rein sprachwissenschaftliche Frage autoritativ entschied […]. Die Folgen des Fehlurteils sind verheerend vor allem darum, weil das Karlsruher Urteil unserer Demokratie erneut ein obrigkeitsstaatliches Korsett verpaßt. In einer Zeit des geradezu inflationären Geredes von ”Deregulierung” hat Karlsruhe die Minister ermächtigt, vorbei an den demokratischen Instanzen ihren Anordnungsspielraum weit in den vorstaatlichen Bereich hinein auszudehnen. Es hat ihnen das Recht zugebilligt, […] in die innere Beziehung des Menschen zu seiner Sprache einzugreifen. Dem Erwachsenen wird die Gültigkeit seines Sprachgefühls aberkannt, und Kindern wird es unmöglich gemacht, ein in sich stimmiges Sprachgefühl aufzubauen. Hier keine Persönlichkeitsrechte tangiert zu sehen, erfordert ein beachtliches Maß an Blindheit. Das vordemokratische Kaiserreich, das 1901 eine behutsame Anpassung der Orthographie vornahm, hat sich vergleichbares nicht unterstanden. Auf paradoxe Weise verschwistert sich in dem Karlsruher Spruch Staatsautoritarismus mit einem postmodernen Laissez-faire-Libertinismus. Das gleiche Gericht, das die Kultusminister bevollmächtigt, dem Volk sprachwidrige Schreibgewohnheiten zu diktieren, findet nichts dabei, wenn ein Bundesland aus der Reformfront ausschert. Denn dadurch werde die schriftliche Kommunikation nicht wesentlich erschwert. Dies ist die höchstrichterliche Verabschiedung der einheitlichen Rechtschreibung und der Freibrief für orthographische Beliebigkeit.
Der Sinn einer Rechtschreibregelung ist nämlich nicht, daß sie möglichst leicht zu lernen ist, und sie ist auch nicht dazu da, daß möglichst alle Leute im Sinne der Regeln völlig korrekt schreiben. […] Es ist keineswegs notwendig, daß jedermann die deutsche Rechtschreibung mit all ihren Raffinessen völlig beherrscht.
neue personensuche