Mit der deutschen Sprache geht es bergab. Wie ein Gespenst geistert diese Befürchtung seit Jahrhunderten durch die Medien und durch die Köpfe, neustens wiederbelebt in einem Warnruf der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung». Unter dem Titel «Studenten können keine Rechtschreibung mehr» berichtete eine Politikdozentin vom Sprachnotstand an deutschen Universitäten. […] Der Artikel löste eine Flut von Kommentaren aus, die den Mangel an Sprachkompetenz, die Nachlässigkeit im Bildungssystem und den Untergang des Abendlandes beklagten. […] Angesichts der Dramatik dieses «Sprachnotstands» und der spürbaren Emotionen in der Diskussion, stellt sich die Frage, ob die Lage tatsächlich so ernst ist. Handelt es sich bei der Verschlechterung der Sprachkenntnisse heutiger Studierender um eine auf Tatsachen basierende Beobachtung oder um eine Angst, die von Medien stets neu geschürt wird. Christa Dürscheid, Linguistikprofessorin an der Universität Zürich, kommt das Thema bekannt vor: «Empirische Untersuchungen widerlegen einen Sprachzerfall. Trotzdem verstummt die Sorge um die Sprache nicht.» […] Die Defizite bei Rechtschreibung und Zeichensetzung führt die Sprachwissenschaftlerin auf das grundsätzliche Problem mangelnder Normbeherrschung zurück.
Grundsätzliches problem mangelnder normbeherrschung? Ja! Die schlechte nachricht: Die menschen beherrschen die norm grundsätzlich nicht. Die gute nachricht: Die norm wurde von menschen gemacht und kann von den menschen geändert werden. Oder meint Christa Dürscheid, man solle weitere hundert jahre versuchen, den menschen an die norm anzupassen?