Statt „tätiger Reue“, wie sie der scheidende Vorsitzende des Rechtschreibrats, Staatsminister a. D. Hans Zehetmair, einst ankündigte, erkennt man bloß untätige Scheu vor den ungelösten Problemen. Nur ein Neuanfang mit unverbrauchten Kräften könnte hier Abhilfe schaffen.
Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
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Markner, Reinhard
Dieses überaus klägliche Ergebnis der jahrelangen Beratungen von immerhin 40 erwachsenen Menschen ist von der Kultusministerkonferenz bereits gutgeheißen worden. Die Politiker wollen von der verheerenden Rechtschreibreform nichts mehr hören. […] Die neuesten Vorschläge des Rechtschreibrats hingegen werden sich immerhin nicht negativ auswirken, sondern überhaupt nicht, da ja schon jetzt niemand „Sutane“ schreibt, wenn er „Soutane“ meint.

Wie groß aber ist nun der Umfang der vom Rechtschreibrat vorschlagenen Änderungen? Die ss-Schreibung bleibt unangetastet, so daß auf jeden Fall weniger als 10 Prozent der Reformschreibungen und weniger als ein Prozent der Wörter eines normalen Textes von der Revision erfaßt werden. Unverändert bleiben die Bereiche Laut-Buchstaben-Zuordnung (rau, Tipp) einschließlich der Drei-Konsonanten-Regel (Schifffahrt), ferner die Bindestrichschreibung (der 18-Jährige). Die Revision von Teilen der Getrennt- und Zusammenschreibung sowie der Groß- und Kleinschreibung führt überwiegend neue „alte“ Varianten wieder ein, so daß auch hier, ähnlich wie bei der Fremdwortschreibung, die Schreibenden entscheiden müssen. Durch die Ausschöpfung aller jetzt durch den Rat in Aussicht gestellten Freiräume könnten ein bis zwei Prozent der Reformschreibungen vermieden werden, zusätzlich zu den Zugeständnissen von 2004. Andererseits dürfen Anhänger der Reform praktisch unverändert wie bisher (seit 1996) weiterschreiben, da die Reformschreibung nur vereinzelt aufgehoben wird […].
Falls die Vorschläge des Rechtschreibrats von den Kultusministern akzeptiert werden, womit zu rechnen ist, wird sich die amtliche Rechtschreibung in gewissem Maße der herkömmlichen annähern. Diese bleibt jedoch auch der ein weiteres Mal reformierten Reformschreibung überlegen. Wer bisher an der gewöhnlichen Orthographie festgehalten hat, darf sich bestätigt sehen.
Die Teilung in eine Leipziger und eine Mannheimer Ausgabe hatte das nach Duden benannte Wörterbuch rasch überwunden. Mit den Folgen der 1996 erlassenen Rechtschreibregeln aber kämpft es bis heute. Eine 1995 in hoher Auflage gedruckte Neuausgabe wurde eingestampft, nachdem Bayerns Kultusminister Hans Zehetmair gegen den „Frefel“ und für den „Heiligen Vater“ eingetreten war.
Josephine Ahrens möchte nicht als Fehler angestrichen bekommen, was außerhalb der Schule weithin nicht als Fehler angesehen wird. Mit diesem Wunsch ist sie jedoch vor Gericht in Hannover nicht durchgedrungen.
Die allgegenwärtige Verwendung von Reformschreibungen beruht also größtenteils nicht auf Überzeugung der Schreibenden, sondern auf Zwängen und Vorgaben – dienstlichen Anweisungen ebenso wie Voreinstellungen der gängigen Textverarbeitungsprogramme.
Ja, natürlich! Die allgegenwärtige verwendung der rechtschreibung, ob alt oder neu, beruht grösstenteils nicht auf überzeugung der schreibenden, sondern auf zwängen und vorgaben – dienstlichen anweisungen ebenso wie voreinstellungen der gängigen textverarbeitungsprogramme.
Die Kommission ist von der KMK damit betraut worden, auf die "Wahrung einer einheitlichen Rechtschreibung im deutschen Sprachraum" hinzuwirken. Diese Aufgabe zu erfüllen ist unmöglich, da die zu Beginn des 20. Jahrhunderts herbeigeführte Einheit der deutschen Orthographie durch die Reform zerstört wurde […]. Was das mangelhafte Regelwerk selbst betrifft, so glaubt die Kommission ihrem Auftrag zur "Wahrung einer einheitlichen Rechtschreibung" durch die Einführung immer neuer Schreibvarianten gerecht zu werden. […] Für die nähere Zukunft fordert die Kommission, weniger einschneidende Änderungen auch ohne vorherige Konsultierung der politischen Gremien beschließen und durchsetzen zu können. Da in der genannten Vorlage nicht definiert ist, welche möglichen Eingriffe "von grundsätzlicher Bedeutung und Tragweite" und damit weiterhin zustimmungspflichtig wären, würde ein entsprechender Beschluß der KMK die Kommission ermächtigen, eine Vielzahl bisher gescheiterter Vorschläge sukzessive einzuführen. Der Weg wäre grundsätzlich frei für "Ältern, Apoteke, Flopp" und "Pitza" […].
Mit dem Verzicht auf das ß hat die Schweiz in der Rechtschreibung vor dem Zweiten Weltkrieg einen Sonderweg gewählt. Gegenüber der fragwürdigen Rechtschreibreform haben offizielle Stellen leider wenig Widerstandsgeist mobilisiert, obwohl über 90 Prozent der Deutschschweizer dagegen eingestellt waren.
Die Rechtschreibreform ist nicht […] "Gesetz geworden". Ihre Durchführung war nur möglich, weil sie auf dem Verordnungswege an den Parlamenten vorbei betrieben wurde.
Der von der Darmstädter Akademie vorgelegte Kompromißvorschlag ist weder Wörterbuch noch Regelwerk. Er basiert auch nicht, wie ursprünglich beabsichtigt, auf der bewährten Rechtschreibung des Deutschen und ihren Entwicklungstendenzen. […] Die Motive für die Festlegungen des Kompromißvorschlags bleiben über weite Strecken dunkel […]. Der Kompromißvorschlag soll also die Rechtschreibreform nicht "grundsätzlich" infrage stellen. Daher gebricht es ihm in jeder Hinsicht an gedanklicher Konsequenz. […] Die Akademie hat es vorgezogen, ihren Diskussionsbeitrag in der bewährten Rechtschreibung zu veröffentlichen. Wer auf ihre Empfehlungen Wert legt, sollte ihrem Beispiel folgen. Das erspart viel unnütze Arbeit.
Bekanntlich haben den Reformern diese von ihnen so genannten "Einzelfälle des Typs Substantiv + Verb" besonders große Sorgen bereitet. […] So sagen die Dänen "gå bankerot", und auch vor dem 1948 erfolgten Verzicht auf die Groß- und Kleinschreibung nach deutschem Muster schrieb sich das mit kleinem b. Noch deutlicher zeigt der englische Usus, wie abwegig die von den Reformern wohlgemerkt für eine obligatorische Neuschreibung ins Feld geführte "substantivische Auffassung" ist.
Warum aber schlägt der Verfasser solch einen resignativen Ton an? Gewiß stimmt die Erfahrung der letzten Jahre nicht eben hoffnungsfroh. Dennoch sollte sich kein guter Demokrat mit der Einsicht zufriedengeben, daß sich ausgerechnet die für das Schulwesen zuständigen Minister als dauerhaft lernunfähig erwiesen haben.
Es ist psychologisch verständlich, wenn die Reformer das Scheitern ihrer Bemühungen nicht eingestehen wollen. Den Verantwortlichen für das orthographische Chaos darf jedoch nicht erlaubt werden, das Herumpfuschen an der deutschen Sprache im staatlichen Auftrag fortzusetzen.
Der Journalist Thomas Steinfeld macht in seiner Laudatio deutlich, worum es geht um den spektakulär fehlgeschlagenen Versuch, »selbst zu gestalten, was sich selbst gestaltet«. Gemeint sind die unter dem irreführenden Begriff »Rechtschreibreform« bekanntgewordenen Bemühungen sprachpolitischer Kleingärtner, den Wildwuchs der deutschen Sprache den eigenen rigiden Ordnungsvorstellungen gemäß zu beschneiden. […] Icklers empirisches Vorgehen repräsentiert den linguistischen Kenntnisstand unserer Tage. An die Stelle der systematischen Entmündigung der Sprachgemeinschaft tritt ein liberales Konzept von Orthographie, das der Durchsetzung per Erlaß überhaupt nicht bedürfte.
In der tat, es bedarf keines erlasses für die durchsetzung irgendeiner ortografie, wenn die siebenjährigen frei wählen können.
Die FAZ fand keine Nachahmer. Es rächte sich nun, daß man ein Jahr zuvor selbst dem Konformismus gehuldigt hatte und sich ganz ausdrücklich wider besseren Wissens den Anordnungen der deutschen Unterrichtsminister gebeugt hatte.
A erlässt für B eine anordnung und C «beugt» sich ihr? Hier wird «wider besseres wissen» (akkusativ) die rechtslage vernebelt.
Politisch bedenklich an der jüngsten Rechtschreibreform ist daher nicht allein der Versuch der beteiligten Staaten, sich eine »Hausorthografie« zu schaffen, unbeeindruckt davon, was deren Bürger oder auch nur die Büchner- und Literaturnobelpreisträger davon halten. Nicht übersehen werden sollte zudem ihr lange verdrängter theoretischer Anachronismus, der sich bei näherer Betrachtung als Fortsetzung eines in den dreißiger Jahren eingeschlagenen Sonderwegs erweist.
Staat = Haus? Und was ergäbe eine nähere betrachtung von Leiss, Pöppel und Paulesu aus den neunziger und nuller jahren?
Die Umstellung der Süddeutschen Zeitung […] offenbart […] ein obrigkeitsstaatliches Denken von erschreckendem Ausmaß. Chefredakteur Gernot Sittner legt es an den Tag, wenn er verkündet: "Verstöße gegen die neuen Regeln werden nicht geahndet, zumindest nicht bis zum Jahr 2005." Er scheint zu erwarten, dass von 2005 an eine Bundessprachpolizei Bußgelder für die Nichtanwendung des Neuschriebs ausstellen wird.
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