Zu tun hat diese sinnfreie Willkür zum einen mit einer insbesondere bei Typographen und Werbeagenturen weit verbreiteten Abscheu vor dem Bindestrich, der als unschönes, die gestalterische Kreativität einengendes Element verschrien ist – mit der Folge, dass Buchcover gerne mal ein „Fontane Lexikon“ oder eine „Marcel Proust Enzyklopädie“ ausweisen. Substantivverbindungen mit Bindestrich durchzukoppeln gilt irgendwie als spießig und unelegant, ablesbar daran, dass Institutionen, Gesellschaften oder Unternehmen den klärenden Bindestrich meiden wie der Teufel das Weihwasser. Irrige Schreibungen wie „S. Fischer Verlag“, „BVB Fanclub“, „Anthony Powell Gesellschaft“, „ETA Hoffmann Theater“, „Allianz Arena“ und „Humboldt Forum“ verfolgen uns auf Schritt und Tritt. Sie nehmen insgeheim an, dass Bindestrichwörter provinziell wirken und international nicht vermittelbar sind.
Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
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Moritz, Rainer

In Stefan Austs Autobiografie werden sich nicht alle Freunde und Gegner angemessen dargestellt finden. […] „Zeitreise“ ist ein zeitgeschichtliches Lesebuch, und das macht einen Gutteil seiner Faszination aus. Mit großer, manchmal zu großer Freude am Detail evoziert er Meilensteine nicht nur der deutschen Politik. Filbinger, Strauß, Barschel-Affäre, 9/11, Hitler-Tagebücher, Mauerfall, Rechtschreibreform – fast nichts fehlt, und immer ist Aust in irgendeiner Weise als Reporter oder Kommentator mit von der Partie.
Das neue Jahr wird wieder allerhand Unbill und Unfug bringen. […] Auch die Handhabung der Rechtschreibung trägt derzeit zu meiner Verstimmung bei. Nein, ich rede nicht vom Gendersternchen, das es offiziell gar nicht gibt, sondern von der Schreibung zusammengesetzter Substantive. […] Wo allenthalben von einer «Service Station» oder einem «Coffee Shop» zu lesen ist, wundert es nicht, dass die Zusammenschreibung und der Bindestrich generell verloren gehen. Werfen Sie beim nächsten Restaurantbesuch einmal einen genauen Blick auf die Speisekarte, und Sie werden landauf, landab auf «Spargel Salat», «Linsen Suppe» oder «Erdbeer Törtchen» stossen. Wollen wir das? Ist das schön? Nein, deshalb möge dem 2021 Einhalt geboten werden.
1996 freilich büsste der Duden im Zuge der heftig umstrittenen Rechtschreibreform sein Monopol ein. Grundlage der Orthographie ist seitdem das vom Rat für deutsche Rechtschreibung herausgegebene Regelwerk, das die Norm amtlich fixiert.
Mit der Rechtschreibreform lässt sich kein Hund mehr hinter dem Ofen hervorlocken, und nur verwundert blickt man zurück auf das, was in den 1990er Jahren an Diskussionen über die Reform der deutschen Orthografie angezettelt wurde. Mit schweren Geschützen wurde da gekämpft, der sofortige Untergang des Abendlands an die Wand gemalt […].
Ich zum Beispiel gehöre zur sprachkritischen Spezies […]. Die Welt ist für mich ein einziger Setz- und Druckfehler. Ausnahmen (wie die vor Ihnen liegende Tageszeitung) nehme ich kaum noch wahr, denn das Chaos der alten und neuen Rechtschreibung hat aus meinem Sprachbeobachtungstrieb einen Fulltimejob gemacht. Überall Verstöße, in Büchern (ach, die Verlage ...), Frauenmagazinen, Packungsbeilagen und an Imbissständen, wo mich die Aufforderung Döner auch zum mitnehmen gar nicht mehr aufregt. Vor Jahren etwa führte ich einen einsamen Kampf gegen die Oswald-von-Wolkenstein-Gesellschaft, die sich trotz vehementem Briefwechsel mit mir nicht dazu bequemen wollte, die fälligen Bindestriche in ihrem Jahrbuch der Oswald von Wolkenstein Gesellschaft nachzutragen.

Wertkonservative Menschen führen gerne Klage über die allenthalben waltende Sittenverrohung. […] und so fällt es den Zivilisationskritikern nicht schwer, mit Inbrunst schlimmste Verfallsindizien aufzulisten: "Big Diet", die neue Rechtschreibung, die Schwulenehe, Kurt Biedenkopfs Wohnverhältnisse, der Zustand des deutschen Feuilletons ...
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