Somit dürfte klar sein, daß die nächste Rechtschreibreform 2022 eine Gender-Schreibreform sein wird, sofern sich keine massive Gegenwehr erhebt. Wörterbuchmachern und Sprachratgebern winkt ein neues Geschäft – auf Kosten der Sprache und der Sprachgemeinschaft.
Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
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Paulwitz, Thomas
Zwanzig Jahre Rechtschreibreform bedeuten auch zwanzig Jahre Widerstand. Nun wollen es die alten Haudegen der ersten Stunde noch einmal wissen – etwa der Rechtschreibrebell Friedrich Denk und der Verleger Matthias Dräger. Im Oktober 1996 hatten sie auf der Buchmesse 300 Intellektuelle davon überzeugt, eine „Frankfurter Erklärung“ gegen die Reform zu unterzeichnen. 2016 kehren sie mit einer neuen Aktion auf die Messe zurück. 20.000 Euro Preisgeld setzen sie für einen Schreibwettbewerb ein.
Daß eine Bücherei Bücher zerstört, die in besserer Rechtschreibung verfaßt sind, ist kein Einzelfall. Die Rechtschreibreform führte zur größten Büchervernichtung seit dem Zweiten Weltkrieg.
Die Kultusminister haben die Rechtschreibreform den Schulen verordnet, nicht der Allgemeinheit. Daher kann jede Kommune selbst bestimmen, was auf ihren Straßenschildern steht. Wir empfehlen, statt "Schlossstraße" […] weiterhin "Schloßstraße" […] zu schreiben. Das ist für die Bürger einfach besser lesbar.
Denn die traditionelle Rechtschreibung ist weiterhin richtig und gültig. Daß die Neuregelung lediglich für die Schulen rechtsverbindlich ist, geht aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 1998 hervor: „Personen außerhalb dieses Bereichs sind rechtlich nicht gehalten, die neuen Rechtschreibregeln zu beachten und die reformierte Schreibung zu verwenden. Sie sind vielmehr frei, wie bisher zu schreiben.“ Wer traditionell schreibt, zeigt damit also auch, daß er frei ist.
Toll, wie viele freunde die freiheit gewonnen hat! Wir fanden die freiheit, die bessere ortografie zu verwenden, schon immer wichtiger als die einheitlichkeit.
Gibt es bald eine neue Rechtschreibreform? Wenn man dem Reformer Hans Zehetmair, dem Vorsitzenden des Rechtschreibrats, Glauben schenkt, ist dies tatsächlich in Arbeit. Viel hören wir ja nicht von diesem Rat, der offenbar am liebsten im stillen Kämmerlein die Reform verwaltet. Doch hat sich vor kurzem der 77jährige Zehetmair in einem Gespräch mit dem Donaukurier zu Wort gemeldet.
Die nächste Reform läuft demzufolge auf eine Verringerung der Doppelschreibweisen hinaus. […] Doch sogar die scheinbar einfache Verringerung der Variantenzahl birgt Zündstoff. Der Rechtschreibrat ist hier nämlich in eine Duden- und in eine Wahrig-Fraktion geteilt. […] Wie erwähnt, hatte die 2006er-Reform zahlreiche bewährte Schreibungen wieder zugelassen, die reformierten Schreibweisen allerdings daneben weitergelten lassen. Für rund 3.000 Wörter gibt es nun zwei mögliche Schreibweisen. Dies nutzten Duden und Wahrig aus, um 2006 unterschiedliche und willkürliche Empfehlungen zu geben und sich ein sogenanntes Alleinstellungsmerkmal zu sichern. Während Duden dabei eher die reformierten Formen von 1996 bevorzugte („bei Weitem“), neigte Wahrig eher den traditionellen Schreibweisen zu („bei weitem“).
Als bayerischer Kultusminister (1986 bis 1998), als Präsident der Kultusministerkonferenz und als Vorsitzender des Rechtschreibrats (2004 bis heute) ist Zehetmair einer der Hauptverantwortlichen für die mißlungene Rechtschreibreform und auch dafür, daß Beliebigkeit einzog und viele Menschen Rechtschreibung nicht mehr als wichtig erachten. Im Jahr 2004, als die Rechtschreibreform kurz vor dem endgültigen Aus stand, war es Zehetmair, der die Aufgabe übernahm, die Neuregelung durch eine erneute Reform zu retten. Herr Zehetmaier, Ihre jüngste Pressemitteilung zeigt es deutlich: Sie haben versagt.
Nein, diese Lehrer sind nicht faul, sondern folgen der Propaganda des Grundschulverbands. Dieser bereitet den größten Anschlag auf den Deutschunterricht seit der Rechtschreibreform vor: die Abschaffung der Schreibschrift. […] Wie bei der Rechtschreibreform gehen die Reformer bereits Bündnisse mit Schulbuchverlagen ein.
Loriot hat die deutsche Sprache geprägt und bereichert. Er hat es darüber hinaus auch nicht an kritischen Bemerkungen zur Entwicklung seiner Muttersprache fehlen lassen. Das stieß nicht bei allen auf Gegenliebe. Rolf Landolt, der Präsident des „Bundes für vereinfachte rechtschreibung“ (Zürich), bescheinigt Loriot gar Humorlosigkeit […]. In Wirklichkeit bot Loriot gerade die Rechtschreibreform Gelegenheit zur Komik […].
In der tat. Wir erinnern uns an den visionären satz des frustrierten fernsehzuschauers: «Ich lasse mir von einem kaputten fernseher nicht vorschreiben, wann ich ins bett zu gehen habe.» Genau so fernsehmann Ulrich Wickert: «Ich fand die Rechtschreibreform von Anfang an total bescheuert, weil ich nicht möchte, dass Kultusminister mir vorschreiben, wie ich schreiben soll.» Vgl. auch stellungnahme zu Welt am Sonntag.
Wieder einmal droht unseren Schülern eine unnütze Reform, die keiner will. Wir Deutsche sind von ihr ebenso begeistert wie von der Rechtschreibreform. In Umfragen sprechen sich 80 bis 90 Prozent der Befragten dagegen aus.
So sieht Hahne die Sprache als einendes Band eines Volkes, das eine Schicksalsgemeinschaft ist, nicht etwa eine unverbindliche Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Dies spiegelt sich zum Beispiel in seiner Kritik an der Rechtschreibreform wider. In seiner Kolumne „Gedanken am Sonntag“ in der Bild am Sonntag schrieb Hahne einmal: „Sprache und Schreibe gehören zu den wenigen Gemeinsamkeiten, die ein Volk einen. Diese Gemeinsamkeit hat man uns ohne Not genommen, indem nun Alte und Junge, Dichter und Schüler nach unterschiedlichen Regeln und Gewohnheiten schreiben, und jeder schließlich macht, was er will. Wenn Sprache nicht mehr verbindlich ist, verbindet uns auch nichts mehr.“
Also: das deutsche volk gibt es nicht mehr. Das ist bedauerlich, aber die welt wird es verschmerzen. In der Schweiz finden wir es gut, dass jeder macht, was er will. Uns verbinden zwei, drei andere werte als die sprache. Nüd emal innerhalb vu dr tütschsprachige Schwiiz cha mä sägä, dass üs glarner nach der rächtschribreform weniger mit dä bärner oder dä walliser verbindet.
Dürftig fällt die neue Reform der Reform aus. […] Die Reform ist zum einen gerade einmal so groß, daß neue Wörterbücher zu drucken sind. Zum anderen ist sie jedoch so winzig, daß sie keinen wesentlichen Mangel behebt, wie zum Beispiel den Wirrwarr doppelter Schreibweisen.
Der Rechtschreibrat macht es spannend. Zwar hat er in seiner Sitzung am 1. Oktober den Abschlußbericht über die vergangenen fünf Jahre vorbereitet […]. Bislang ist jedoch lediglich ein unveröffentlichter Entwurf des Berichts vorhanden. […] Über die nächste Reform der Reform ist somit nur wenig bekannt. Ein paar Einzelheiten wissen wir aus einer Medienmitteilung der Schweizer Bundeskanzlei. Demnach stehen uns die „Streichung bestehender und Zulassung neuer Varianten“ bevor, was alles Mögliche bedeuten kann, und einige Änderungen bei den Fremdwortschreibungen. Es ist also ein halbherziger weiterer Rückbau der Reform zu erwarten.
Anfang dieser Woche gab Zehetmair seinen Rücktritt bekannt: „Sechs Jahre Opfer reichen“. Wie bitte, Opfer?!? Zehetmair war nie das Opfer der Rechtschreibreform, eher muß man ihn zu den Tätern zählen.
Inzwischen hat die Tagespresse auf die reformierte Reform umgestellt oder folgt einer eigenen Hausorthographie. Doch nach wie vor werden Zeitschriften und Bücher in traditioneller Rechtschreibung gedruckt, dazu gehört zum Beispiel ein Drittel der 15 Neuerscheinungen, die für den Preis der Leipziger Buchmesse 2010 benannt waren […]. Anspruchslose Bücher hingegen wie Helene Hegemanns „Axolotl Roadkill“ (Ullstein) erscheinen selbstverständlich in Reformschreibweise. Das weitere Nutzen der bewährten Qualitätsrechtschreibung ist jedoch richtig und wichtig, denn: „Einige müssen an der bis 1996 gültigen Schreibung festhalten, sonst gibt es eines Tages nichts mehr, woran man sich orientieren kann.“ Das meint jedenfalls der Dichter Reiner Kunze.
Eines tages wird sich das von selbst erledigen – wie damals bei der unentbehrlichen fraktur. (Vgl. Der Bund, 10. 8. 2000 und Neue Zürcher Zeitung, 30. 10. 2001.)
Konrad Duden würde sich im Grabe umdrehen: Die Einrichtung, die maßgeblich dazu beigetragen hat, sein Vermächtnis – die Einheitlichkeit der deutschen Rechtschreibung – zu zerstören, wird mit einem Preis ausgezeichnet, der seinen Namen trägt. Das Institut für deutsche Sprache (IDS) erhielt am 10. März von der Stadt Mannheim den mit 12.500 Euro dotierten Konrad-Duden-Preis. Als das IDS 1964 gegründet wurde, entwickelte sich die mit Steuergeldern finanzierte Einrichtung schnell zu einer Anlaufstelle der Rechtschreibreformer. Sie wurde zur Propagandazentrale für eine Reform, die niemand brauchte und kaum einer wollte.
Im Grabe umdrehen würde sich Konrad Duden allerdings – angesichts einer solchen interpretation seines vermächtnisses.
Schon wieder gibt es neue Rechtschreibwörterbücher: Am Montag, 20. Juli, kommt der neue Wahrig auf den Markt, am Dienstag, 21. Juli, der neue Duden. Beide Wörterbücher belegen, daß die Einheitlichkeit in der deutschen Rechtschreibung noch immer in weiter Ferne liegt. Nach wie vor geben sie in Tausenden von Fällen unterschiedliche Empfehlungen. […] Duden und Wahrig stellen zusammen mit dem Österreichischen Wörterbuch diejenigen Wörterbuchredaktionen, welche die Regierung durch Sitze im „Rat für deutsche Rechtschreibung“ privilegiert hat. Der von den Kultusministern im Jahr 2004 eingesetzte Rat hütet das Erbe der mißlungenen Rechtschreibreform. Er setzt sich nahezu ausschließlich aus Urhebern und Nutznießern der Reform zusammen. Im Rechtschreibrat ringen die Wörterbuchredaktionen von Duden und Bertelsmann-Wahrig um die Deutungshoheit über die Rechtschreibreform. […] Kurios bei diesen ganzen Gegensätzen ist, daß die beiden Wörterbücher seit kurzem unter dasselbe Dach gekommen sind. Im Frühjahr hat Langenscheidt nämlich das Bibliographische Institut, das die Dudenredaktion beherbergt, an die mächtige Schulbuchverlagsgruppe Cornelsen verkauft. Cornelsen verlegt jedoch gemeinschaftlich mit Bertelsmann auch den Wahrig. Die Vermutung liegt nahe, daß Cornelsen in den nächsten Jahren Duden und Wahrig miteinander vereinigt.
Die Deutschen lieben ihre Sprache. Mit dieser bahnbrechenden Erkenntnis hat das Institut für deutsche Sprache in Mannheim (IDS) nicht gerechnet. […] Der Sprachschützer, der nicht gefragt wurde, kann sich wenigstens bestätigt fühlen. Außerdem kann er sich über offensichtliche Erfolge seiner Arbeit freuen: Während 1997/98 nur 13 Prozent der Deutschen großes Interesse an der Pflege der deutschen Sprache bekundeten, sind es heute 35 Prozent. Fielen damals noch 53 Prozent der Deutschen Veränderungen in der deutschen Sprache auf, so sind es heute 84. Das ist beileibe nicht das Verdienst des IDS, das mit dem Verbrechen der Rechtschreibreform große Schuld auf sich geladen hat, sondern das der Sprachschützer, die […] für ein stärkeres Sprachbewußtsein kämpfen.
«Sprachschützer» gab es schon immer, die rechtschreibreform gibt es seit 1996 – worauf ist nun wohl ein wandel in der öffentlichen wahrnehmung in diesem zeitraum zurückzuführen?
Zwar sagte Herzog einmal, die Reform sei „überflüssig wie ein Kropf“, ließ aber 1997 auf Nachfrage antworten: „Hier hatte er allerdings nicht nur gesagt, die Rechtschreibreform sei ‚überflüssig wie ein Kropf‘, sondern im gleichen Atemzug auch ausgeführt, er halte die Aufregung über die Rechtschreibreform für genauso überflüssig.“ Und Rau ließ im Jahre 2001 über seinen Sprecher in einem Brief ausrichten: „Der Bundespräsident nimmt für sich die Regelung der Rechtschreibreform in Anspruch, daß außerhalb des Schulbereichs niemand an die neuen Regelungen gebunden ist. Er sieht seine Rolle aber nicht so, daß er seine Entscheidung anderen zur Nachahmung empfehlen möchte.“ Völlige Ahnungslosigkeit offenbarte 2006 ein Sprecher Horst Köhlers in einem Antwortbrief: „Es ist jetzt wichtig, daß nunmehr Sicherheit hinsichtlich der Rechtschreibregelungen herrscht.“
Die Wurzeln der Rechtschreibreform reichen weit zurück. Seit Bestehen der Bundesrepublik befaßt sich die Kultusministerkonferenz (KMK), von der Öffentlichkeit wenig beachtet, mit einer Reform der Rechtschreibung. Dabei griff man auf Pläne des nationalsozialistischen Reichserziehungsministers Bernhard Rust zurück.
Kunze räumt des weiteren mit der Propaganda der Kultusminister auf, die Rechtschreibreform diene dem Schreibwohl der Schulkinder. Er weist nach, daß es den Urhebern der Reform nicht darum ging, die Rechtschreibung zum Zwecke der besseren Verständigung zu ändern, sondern darum, die „Gesellschaft“ umzukrempeln; „die Orthographie war ihnen nur Mittel zum Zweck“.
Die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung will den „Mißstand” behalten, gleichzeitig aber ein neues „Missgeschick” unter die Leute bringen. So geht es nämlich aus der Doppel-„s”-Regelung des Kompromißvorschlags zur Rechtschreibreform hervor, den die Akademie soeben eingebracht hat. […] Der faule Akademie-Kompromiß soll wohl nur dazu dienen, die Arrangeure (Kultusminister) und Profiteure (Verleger) der Rechtschreibreform zu beruhigen.
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