Die Auseinandersetzung um die Rechtschreibung dürfte keineswegs deshalb so hart sein, weil die Neuregelung gegen das Prinzip der Erwartungshaltung einer lang anhaltenden Geltung der Konvention verstößt, sondern aus einem viel tieferen Grund: Der Mensch denkt, spricht, schreibt und handelt in Sprache, die Sprache ist seine geistige Lebenswelt, sie ist Träger von Kultur und Geschichtlichkeit und die Schreibung ist ja nur eine andere Ausprägung als die gesprochene Sprache, nämlich die schriftliche. Darum wird die Reform abgelehnt!
Darum wehren wir uns immer noch gegen die definitive einführung der substantivgrossschreibung! Nein, im ernst: Wenn die menschen einen solchen tieferen grund gegen änderungen verspüren würden, dann würde sich ja wohl erst recht die gesprochene sprache nicht ändern. Das tut sie aber, und wie! Das ist geschichtlichkeit! Warum soll das für die schreibung nicht gelten, wo sie doch «nur eine andere Ausprägung als die gesprochene Sprache» ist? Eine rein rückwärts gewandte, also aufgehobene, geschichtlichkeit kann man bei der englischen schreibung beobachten. Und wer hat etwas davon? Niemand (Rudolf Walter Leonhardt)!
Rolland, Maria Theresia:
Albtraum und Gräuel. Rezension: Duden, die deutsche Rechtschreibung, Band 1, 22. Aufl.
Wirkendes Wort,
4. 2001, nr. 1
Ein schwarzes Brett ist eben nur ein Brett mit der Farbe schwarz, aber keine Anschlagtafel wie das Schwarze Brett. […] Da Schrift und Sprache aufs engste miteinander verknüpft sind, wird durch die Neuschreibungen die Sprache selbst geschädigt. Die in der gesprochenen Sprache enthaltenen Bedeutungen müssen in den Schreibungen so wiedergegeben sein, daß sie nicht, wie durch die Reform geschehen, zerstört werden, sondern daß sie erhalten bleiben, wie es in der bewährten Schreibung der Fall ist.
Es ist eben! Auch in der gesprochenen sprache, in stenografie, blindenschrift usw.? Schrift und sprache scheinen doch nicht so eng miteinander verknüpft zu sein.