Es werden schon noch mehr werden, die sich dem Diktat der gesamtdeutschen Kultusministerkonferenz beugen werden (müssen)! Frau Gehrer unterschätzt hier die Untertanen gewaltig. Wir gehen mit ihr, wenn sie sagt, daß die übliche deutsche Rechtschreibung ihre Tücken, Hürden und Fallstricke hat. Aber gerade sie als ehemalige Lehrerin wird ja wohl niemandem weismachen wollen, daß die neuen Regeln einfacher oder gar logischer wären. […] Eine Reform täte not, aber sie muß einleuchten, sie muß eine klare Verbesserung mit sich bringen.
Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
→ presseartikel →
autoren
neue personensuche
Scheidl, Hans Werner
Vertieft wurde 1999 die Unsicherheit in den Zeitungshäusern dadurch, daß sich manches Blatt eigene Regeln zurechtlegte, die dann im täglichen Hausgebrauch nur mühsam durchgehalten werden konnten. Denn ein Verlag beschäftigt nicht nur Redakteure. Nein, da kommen alljährlich neue Schulabsolventen hinzu, da lebt und zwar recht munter eine jugendliche Lehrredaktion, da gibt es Info-Graphiker, die ja auch Texte zu gestalten haben. Und dann hat der Verlag meistens noch eine außerhäusige Werbeagentur. Die ist nicht auf die spezielle Schreibweise ihrer Kunden verpflichtet. Da kommen von auswärts Filme mit Annoncen, fix und fertige Einheitssujets für jede Zeitung natürlich gleich. Da langen Beiträge ein, die Wissenschaftler mittels E-mail oder auf Diskette übermitteln, da sind die Leserbriefschreiber. Und jene ausgelagerten Firmen, die unter einem gemeinsamen Dach für eine Zeitung Sonderseiten gestalten, Beilagen, Reports, die Fernsehprogrammseiten, das Wetter usw. Schließlich die armen Damen, die Kleinanzeigen in den Computer tippen müssen.
Eine missliebige gegenwart verklärt die erinnerung. Brauchte eine (seriöse) zeitung vorher keine hausregeln für doppelformen, fremdländische namen, stilistische und typografische besonderheiten usw.? Gab es vorher redaktionelle texte, für die man keinen korrektor brauchte? Kannten inserenten und werbeagenturen die lebensweisheit «Wer zahlt, befiehlt» nicht?
In der Tat waren es die Schriftsteller und die Journalisten, diese Kärrner an der Front der Literatur, die sich mit der amtlich verordneten "Neu-Schreibung" nie abfinden konnten. Sie hatten — ein unverzeihlicher Fehler — im Vorfeld der Reformbemühungen viel zu lange geschwiegen, ihr Protestgeheul kam in einem Augenblick, da die deutschen Kultusminister und ihre österreichische Kollegin Gehrer die Sache bereits perfekt gemacht hatten.
Was die Warner vor dem ominösen 1. August 1999 vorausgesagt hatten, ist — leider — wirklich eingetreten. Der Wildwuchs hat beängstigende, verwirrende Formen angenommen; heute schreibt jeder, wie er will.
Wir haben schon immer geschrieben, wie wir wollten. Und alle anderen auch, wenn man unsere Fundsachen betrachtet. Was soll das gejammer über ein paar «verwirrungen» in einer kurzen übergangszeit?
Die ersten Tage in "neuer Rechtschreibung" haben die Zeitungsredaktionen wacker überstanden. "Hoppalas" nahmen die Leser langmütig hin. […] In der ersten Woche nach der Umstellung konzentrierten sich alle Schreiber dieses Landes besonders auf die Einhaltung der Regeln, die so gebieterisch über sie hereingebrochen sind. […] "Die Presse" hat sich an dieser "Reform" nicht beteiligt, gestützt durch die jüngste Leser-Umfrage. Aber sie hat natürlich spiegelverkehrt die selben Probleme wie jene Redaktionen und Nachrichtenagenturen, die umgestellt haben (umgestellt wurden).
Dieselben schreibt man allerdings alt und neu zusammen.
neue personensuche