Die Rechtschreibreform war keineswegs eine Schlechtschreibreform, nur geben sich einige Leute alle Mühe, sie zu einer solchen zu machen.
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Schmachthagen, Peter
Der Duden, der bis 1996 so stur an den Widersprüchen der Orthografie festgehalten hat (toll, Tolpatsch; in bezug, mit Bezug etc.), bis die Rechtschreibreform nicht mehr zu vermeiden war, knickt heute immer mehr ein oder schäkert sogar mit dem Genderstern („Ich kenne meine Pappenheimer*innen“).
Satzzeichen müssen nicht nur richtig ausgewählt und gesetzt werden, sie haben auch einen festen Platz in der Riege. […] Das Komma zur Abtrennung des Begleitsatzes muss trotz des Fragezeichens (oder eines Ausrufezeichens) am Ende der Rede gesetzt werden. Das war früher anders. Diese neue Vorschrift ist die einzige zwingende Regeländerung der Interpunktion durch die Rechtschreibreform 1996.
Die Krux des großen Du ist nämlich, dass alle Welt diese Ausnahme nicht auf den Brief beschränken, sondern auf alle möglichen und unmöglichen Stellen der deutschen Sprache übertragen will. […] Einige Leser fragten, ob die Möglichkeit des großen Du nicht nur im Brief, sondern auch in einer SMS, E-Mail oder WhatsApp-Nachricht gelte. […] Liebe Leute, ein Brief ist seiner Definition nach auch dann ein Brief, wenn er nicht auf Papier geschrieben worden ist! Als Konrad Duden 1880 sein erstes Wörterbuch herausgab, hatte er keine Vorstellung von den Möglichkeiten des Internets in unseren Tagen, sonst hätte er bestimmt die Du-Regel digital erweitert.
Leider sind die meisten Kommaregeln fakultativ, das heißt, an der besagten Stelle kann ein Komma stehen, aber Sie können es auch weglassen. Wenn die Konjunktion „und“ zwei Hauptsätze verbindet, steht vor „und“ ein Komma. So klar, so deutlich? Leider nein! Da Fritzchen dieses Komma ohnehin nie beachtet hat, erlauben die Rechtschreibreformer jetzt, das Komma zwischen zwei Hauptsätzen mit „und“ zu setzen, das Komma aber auch nicht zu setzen.
Selbst Leute, deren orthografische Leistungen eher an eine Geisterfahrt wider Schule und Duden erinnern, werden eines mit Sicherheit nie auslassen: das „große Du“, von dem sie irgendwann einmal gehört haben.
Mit der Präposition „am“ ein Substantiv und groß, ohne „am“ ein Adverb und klein? Ich erlaubte mir die Anmerkung, dass die Rechtschreibreform auch für diese Regel eine Vereinheitlichung und damit eine Verbesserung gebracht habe. Wir brauchen uns jetzt nur zu merken: Tageszeiten immer groß – gestern [am] Abend.
Gestern „abend“ waren wir im Kino. So schrieb man jahrzehntelang, doch so ist es seit der Rechtschreibreform nicht mehr. Viele Ältere können sich daran nicht gewöhnen. […] Die laute Kritik an dieser Neuerung war unüberlegt, denn genau genommen handelte es sich bereits damals bei den Tageszeiten um keine Adverbien, sondern um Substantive.
Die Rechtschreibreformer versuchten, nach Möglichkeit getrennt zu schreiben. Nach dem Diktat eines einzelnen Wortes oder einer einzelnen Fügung können wir die unterschiedlichen Bedeutungen nicht erkennen. Dazu benötigen wir den ganzen Satz. Wenn aber der Kontext erforderlich ist, um den Sinn zu ergründen, brauchen wir auch keine unterschiedliche Schreibweise eines Wortes, die sich erst im Satzzusammenhang feststellen lässt. Die Rechtschreibreform wurde verwässert und so kompliziert gemacht, bis sie semantisch mit einem Schuss Esoterik daherkam.
Nehmen wir die kurzen deutschen Wörter „hin“ und „über“, die eigentlich auch ein Schüler ohne Mühe erkennen und also als „hin-über“ trennen könnte – könnte, aber schon zu Großvaters Zeiten selten tat. Es hagelte Fehler im Diktat, sodass die Reformer auch die Trennung nach Sprechsilben erlaubten: „hi-nüber“, was mir und den meisten Älteren noch immer einen orthografischen Schock versetzt.
Treffen drei gleiche Konsonanten aufeinander, so fällt keiner von ihnen weg: Schifffahrt, Schlossstadt, Balletttruppe, Auspuffflamme, Sauerstoffflasche, fetttriefend oder helllila. Bevor Sie nun auf diese Errungenschaft der Rechtschreibreform schimpfen wollen, sei gewarnt: Vier dieser sieben Beispiele schrieb man bereits vor der Reform so – amtlich, korrekt und dreifach.
Nehmen wir die kurzen deutschen Wörter hin und über, die eigentlich auch ein Schüler ohne Mühe erkennen und also als hin-über trennen könnte – könnte, aber schon zu Großvaters Zeiten selten tat. Es hagelte Fehler im Diktat, sodass die Reformer auch die Trennung nach Sprechsilben erlaubten: hi-nüber, was mir noch immer einen orthografischen Schock versetzt […].
Ein alter Herr schrieb, ein Wort werde nicht „großgeschrieben“, sondern „groß geschrieben“. Der Herr irrt – oder sagen wir besser: Er hat die orthografischen Zeitläufte nicht mitbekommen. Laut der Rechtschreibreform wird ein Wort großgeschrieben oder kleingeschrieben – also mit einem großen oder kleinen Anfangsbuchstaben versehen –, aber von der Lehrerin groß an die Wandtafel geschrieben […]. Selbst die Liebe zum Vaterland wird, falls es so etwas heutzutage überhaupt noch gibt, groß geschrieben. Vor 1998 war es genau umgekehrt (die Schreibweise, nicht die Vaterlandsliebe).
Die liebe zum vaterland wird großgeschrieben. Es ist nicht genau umgekehrt; die änderung besteht darin, dass das schreiben mit grossem oder kleinem anfangsbuchstaben, also gewissermassen die mittlere der drei bedeutungen, von der wörtlichen zur übertragenen bedeutung wechselt. Was die willkür des begriffs «übertragene bedeutung» und damit der unterscheidungsschreibung illustriert.
Beim Absuchen der runden Jahrestage waren einige Kollegen auf „20 Jahre Rechtschreibreform“ als Sommer-Thema gestoßen. Auf dieses Jubiläum hätten wir gut verzichten können. Erstens wurde die neue Rechtschreibung in den meisten Ländern am 1. August 1998 nur probeweise eingeführt. Wer in der Schule nach alter Norm schrieb, bekam keinen Fehler, sondern den Hinweis „veraltet“. Die Medien folgten erst am 1. August 1999 (fürs nächste Jahr vormerken!), aber nicht in Schleswig-Holstein.
Es juckt in den Fingern, um mit aller Süffisanz Glossen und Satiren über den Kampf um den Genderstern (Vorsicht! Maskulinum!) und Genderstern*innen zu verfassen. Die Dudenredaktion witterte eine neue Auflage und das große Geschäft, der dubiose Rat für deutsche Rechtschreibung stellte während seiner Tagung in Wien fest, dass er noch uneiniger war als die CDU und CSU in Berlin […].
Heißt es a) Ohmsches Gesetz, b) ohmsches Gesetz oder c) Ohm'sches Gesetz? Die Schreibweise unter a) ("Ohmsches Gesetz") war bis 1996 die einzig korrekte, ist es seit der Rechtschreibreform jedoch nicht mehr. Die beiden Möglichkeiten unter b) und c) sind orthografisch richtig.
Häufig treffen wir auf die Bedeutung „etwas versprechen, fest zusagen“: Ich versichere dir, dass die Rechtschreibreform viele Erleichterungen gebracht hat. Derjenige, der der Versicherung Glauben schenken soll, wird dabei in den Dativ (3. Fall) gesetzt (dir, wem?).
Eine der wichtigsten Regeln der Rechtschreibreform lautet „Verb und Verb immer getrennt“ (obwohl uns die überflüssige Reform der Reform im Jahr 2006 einige Ausnahmen ins Nest gelegt hat). Wenn wir das Verb schwimmen und das Verb gehen zu schwimmen gehen zusammenbringen, wissen wir also, dass wir auch tanzen gehen, spazieren gehen, einkaufen gehen, schlafen gehen oder essen gehen getrennt schreiben müssen.
Sagen oder besser schreiben wir eigentlich Hallo oder hallo? Groß oder klein? Beides ist möglich. Hier haben wir es wieder einmal mit einer der unsäglichen fakultativen Schreibweisen zu tun, was bedeutet: Sie ist der freien Wahl überlassen. Das Gegenteil von fakultativ (wahlfrei) ist obligatorisch (verbindlich). Ein Ziel der Rechtschreibreform ab 1996 sollte es sein, zu obligatorischen Schreibweisen zu gelangen.
Häufig treffen wir auf die Bedeutung „etwas versprechen, fest zusagen“: Ich versichere dir, dass die Rechtschreibreform viele Erleichterungen gebracht hat. Derjenige, der der Versicherung Glauben schenken soll, wird dabei in den Dativ (3. Fall) gesetzt (dir, wem?). Fritz versicherte ihm bei seiner Freundschaft, dass er ihn stets unterstützen werde. Früher wurde auch der Akkusativ gebraucht: Er versicherte sie (wen?), dass er sie ewig lieben werde. Allerdings gilt der Akkusativ heutzutage in diesem Zusammenhang als reichlich verstaubt.
… hätte Cäsar fast das Fragezeichen erfunden, wenn er nicht vorher hinterrücks ermordet worden wäre. […] Gehört das Fragezeichen zu einer Anführung, dann steht es vor dem schließenden Anführungszeichen. „Wie geht es dir?“ Der Schlusspunkt entfällt. Folgt hingegen ein Begleitsatz, muss seit der Rechtschreibreform immer ein Komma hinzugefügt werden: „Wie alt bist du?“, fragte er.
Ist die neue Rechtschreibung leichter als die alte? Auch die Reform hat ihre Tücken, aber sie ist systematischer. […] Zur Einführung der Reformschreibweise in den Medien hatte ich im Juli 1999 im Abendblatt ein Rechtschreibquiz nach alter Norm gebastelt. Es bestand aus 40 einzelnen Ausdrücken und Fügungen, hinter denen zwei Kästchen standen, eins für richtig, eins für falsch. Die Leser sollten also nur jeweils ein Kreuz machen, ob die Schreibweise nach den Regeln des Jahres 1901 richtig oder falsch sei. Das höchste Gebot waren acht Richtige, doch alle 40 Beispiele waren nach damaliger Norm richtig – nur hatte es niemand geglaubt.
Wie trennt man Eisenach?, fragt eine Leserin. Eigentlich Eisen|ach, denn der zweite Bestandteil -ach entspricht einem alten Wort für „Gewässer, Fluss“. Da diese Kenntnis aber nicht sehr verbreitet ist, darf seit der Rechtschreibreform auch nach Sprechsilben getrennt werden: Eise|nach.
Dieses Sommerloch wurde in den Zeitungen bis vor wenigen Jahren stets mit dem Ungeheuer von Loch Ness überbrückt, das angeblich wieder einmal gesichtet worden war. Seit 2008 hat das große Eszett das schottische Fabeltier abgelöst.
Ein großes Eszett ist also weder Mitglied des Alphabets noch Gegenstand der Rechtschreibung. Vielleicht hätte Gutenberg es einführen können. Jetzt ist es zu spät dafür.
Als wenn es nichts Wichtigeres gegeben hätte, wurde die Änderung von „belemmert“ in belämmert von den Reformgegnern zum orthografischen Weltuntergang hochstilisiert. Schließlich stamme die Schreibweise mit „e“ vom niederd. Verb belemmeren (hindern, lähmen) […]. Sicher, diese etymologische Erklärung ist Allgemeingut … Wir werden Klein Fritzchen erst in ein altsächsisches Proseminar schicken, damit er die Schulreife für die 1. Klasse erlangt. Belämmert, in der Tat!
Wenn es nicht so genau auf die Minute ankommt, wird die Helferin am Telefon vielleicht sagen: "Kommen Sie Freitag Morgen." Oder Freitag "morgen"? Nein, seit der Rechtschreibreform werden die früher als Adverbien angesehenen Bezeichnungen für die Tageszeiten in Verbindung mit einem Wochentag jetzt den Substantiven zugeordnet und großgeschrieben […]. Das sieht für ältere Leser etwas ungewohnt aus, sollte aber als Beweis eines gewissen Rechtschreibniveaus beachtet werden.
Die Rechtschreibreformer unternahmen 1996 den gut gemeinten Versuch, schwierigen Fremdwörtern ein deutsches Mäntelchen umzulegen. Dieser Versuch entpuppte sich als Rohrkrepierer. […] Ich gehe einmal davon aus, dass Klein Fritzchen nicht in der Lage sein wird, das Wort Portemonnaie aus dem Kopf richtig zu schreiben. Das gilt jedoch auch für den Ersatzvorschlag „Portmonee“. Wenn Fritzchen jedoch ohnehin im Wörterbuch nachschlagen muss, kann er ja gleich beim Original bleiben.
Ich kann in einer Folge der „Deutschstunde“ unmöglich alle Beispiele zur Zeichensetzung aufführen. Deshalb beginnen wir mit einer guten Nachricht an die Älteren: Trotz der Rechtschreibreform können Sie 99 Prozent der früheren Interpunktionsregeln weiterhin anwenden.
Unsere Lehrerin […] hatte eine praktische und kindgerechte Erklärung für diese Buchstabenform parat. „Alles, was ihr anfassen könnt, müsst ihr großvschreiben“, erklärte sie. Das klang einleuchtend – das Haus, die Wand, die Tür oder die Bank konnte man anfassen, und diese Wörter bekamen demnach einen großen Buchstaben am Anfang. Selbst die Lehrerin mit großem „L“ hätte man anfassen können, was wir natürlich nicht taten und durften, denn damals ging es im Unterricht noch diszipliniert und respektvoll zu. Allerdings beeinflusste diese Anfass-Regel die Rechtschreibkenntnisse bis zum Abitur, und das nicht unbedingt zum Guten.
Um gleich die Standardausrede älterer Mitbürger zurückzuweisen: Vor der Rechtschreibreform gab es weitaus mehr Stolpersteine und unlogische Ausnahmen bei der Orthografie als heute.
Dabei ist die Erinnerung an die gute, alte, klassische Rechtschreibung, die jeder fehlerfrei beherrschte, häufig genauso falsch wie die Erinnerung an die gute alte Zeit, in der immer die Sonne schien. Ein ehemaliger Moderator der "Tagesthemen" erklärte seinen Zuschauern stets bei jedem neuen Diskussionsbeitrag, drei gleiche Buchstaben hintereinander habe es früher nicht gegeben. Das war, wie der Hamburger sagt, natürlich "dumm Tüüch".
Leute mit Lücken in Deutsch pflegen gern die Rechtschreibreformer […] für die eigenen Defizite verantwortlich zu machen […], aber sie irren sich in der Annahme, das Eszett wäre durch die Reform abgeschafft worden. Im Gegenteil, die Reformer haben mit der ss/ß-Regel klar und einfach festgelegt, wann "ss" und wann "ß" geschrieben werden muss.
Insofern war es eine der wichtigsten Taten der Rechtschreibreformer zu bestimmen, Verb und Verb seien immer getrennt zu schreiben. Immer! 1998 schrieb man in den Schulen demnach schwimmen gehen, sprechen lernen, spazieren fahren, lesen üben und sogar kennen lernen, stehen lassen oder liegen bleiben. Diese Regel war eine enorme Erleichterung der Rechtschreibung. Die Schüler übernahmen sie ohne Schwierigkeiten, und wer dagegen an moserte, versuchte meistens nur zu kaschieren, dass er bereits die alte Schreibweise nicht beherrscht hatte.
Meine überaus geschätzte Kollegin Angelika aus dem Seitenflügel des 7. Stocks sah zweifelnd auf die drei t in "fetttriefend", runzelte die Stirn und erklärte kategorisch: "Das gab es früher nicht!" […] Wörter mit drei gleichen Buchstaben hintereinander gab es bereits vor der Reform, eben fetttriefend, Sauerstoffflasche, Pappplakat, Auspuffflamme oder Balletttruppe, was einige Reformverweigerer nicht wahrhaben wollen. Ich schlug die 20. Auflage des Rechtschreibdudens von 1991 auf, die letzte vor der Reform, und präsentierte dort die Regel 204. "Das ist ja der blanke Horror!", staunte meine Kollegin, "aber Schiffahrt schrieb man damals doch mit zwei f?" Auch hierbei drohte eine böse Falle. Rutschte das Wort ans Zeilenende und musste getrennt werden, trat der dritte Konsonant wieder ein. Schiff-fahrt wie auch Brenn-nessel oder Wett-turnen wurden ergänzt.
Die Groß- und Kleinschreibung bei der Bezeichnung einer Sprache ist ein bisschen verzwickt. […] Eigennamen sind auch das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF), die Deutsche Bahn oder der Deutsch-Französische Krieg (1870/71), Ausnahmen die Bank deutscher Länder und die Gesellschaft für deutsche Sprache.
Glücklicherweise hat weder die Kultusministerkonferenz noch der Rat für deutsche Rechtschreibung die plattdeutsche Orthografie verschlimmbessern dürfen wie bei der hochdeutschen Rechtschreibreform. Doch auch auf Platt muss sich die Redaktion an gewisse Normen halten. Das Germanische Seminar der Universität Hamburg hat seit 1917 fast eine Million Belege für hamburgische Ausdrücke gesammelt und seit 1956 in 30 Lieferungen publiziert. Schreibweise und Aussprache werden dort mithilfe diakritischer Zeichen dargestellt, was für den Laien ein wenig unübersichtlich ist. Wir benutzen deshalb nach Möglichkeit die Schreibweise nach Johannes Sass, die auch Hartmut Cyriacks und Peter Nissen übernommen haben. Ein Beispiel: Ein langer Vokal wird in offener Silbe einfach geschrieben (sno-pen = naschen), in geschlossener Silbe, also in einer durch einen Konsonanten beendeter Silbe, jedoch verdoppelt: Snoop-kraam = Naschzeug.
[…] fragwürdige Untersuchungen, nach denen die Rechtschreibfehler in Abituraufsätzen um 120 Prozent zugenommen haben. Das mag ja sein, die Frage bleibt nur, ob die Rechtschreibreform daran schuld ist und wie die Aufsätze nach alter Norm ausgesehen hätten. Um hier einen Vergleich ziehen zu können, hätten wir eine Kontrollgruppe zehn Jahre lang nach alter Rechtschreibung unterrichten und von der Reform abschirmen, sie andererseits aber der stetig zunehmenden Lese- und Schreibfeindlichkeit, dem Internet, dem Fernsehen, den PC-Spielen, der Handy-Sprache und den leistungsfremden Lehrplänen aussetzen müssen.
Die deutsche Rechtschreibung, die 1901/02 vom Kaiser und Bundesrat genauso amtlich und "undemokratisch" verfügt worden war wie später die Rechtschreibreform angeblich von den Kultusministern, Ministerpräsidenten und Landesparlamenten, hatte nach Auffassung von Konrad Duden vom ersten Tag an Reform- und Ergänzungsbedarf. Es dauerte jedoch bis zum 1. August 1998, bis eine Reform, die diesen Namen verdiente, an den Schulen und in den Behörden eingeführt werden konnte.
Umfangreicher als je zuvor, ist er zur Wiederherstellung des Rechtschreibfriedens nur bedingt geeignet. […] Der Grund, dass diese Auflage so schnell der 23. Auflage (August 2004) folgen konnte, waren wohl weniger die 3.000 neuen Begriffe, die aufgenommen worden sind (darunter Publikumsjoker, USB-Stick und Telenovela), sondern die Unzahl der erlaubten Varianten, die der Rat für deutsche Rechtschreibung noch vergrößert hat. […] Wer bisher glaubte, dass Fremdwörter aus lebenden Sprachen nicht eingedeutscht werden sollten, findet richtigerweise Polonaise oder Malaise im neuen Duden, aber Dränage mit ä.
Wer glaubte bisher so etwas?
Doch stets wenn die Kommission einen Zwischenbericht vorlegte, erhoben sich die Gegner mit dem Erlanger Linguisten Theodor Ickler an der Spitze und proklamierten den Untergang des Abendlandes. Jetzt kursiert eine Vorlage für eine unter Umständen entscheidende Sitzung am kommenden Donnerstag durch die Kultusministerien, und die Feuilletons der deutschen Großblätter wittern Verrat. Die "Süddeutsche" bezeichnet die Kommission gar als "obskuren Kader", der sich selbständig machen möchte, "als bräuchte dieses Land eine Sonderbehörde für Rechtschreibung mit nahezu geheimdienstlichen Kompetenzen".
Auf Schalke haben sie einen Manager namens Rudi Assauer, […] der ein neues Stadion, nein: eine Arena schuf […]. Und als Rudi Assauer sein Werk betrachtete und sah, dass es gut war, gab er der Arena den Namen AufSchalke ohne Leerzeichen und mit einem großen S mitten im Wort. Seitdem streiten sich Leser und Redakteure, ob man ihm bei dieser manieristischen Schreibweise folgen müsse, und fragen: WasSollDennDas? Haben sie auf Schalke jetzt auch noch die Rechtschreibung außer Kraft gesetzt?
Die letzten Proteste verlieren an Niveau. Eine Initiative verteilt Flugblätter, anonym, und die Antworten bitte hauptpostlagernd. Auch die Reformgegner sollten wissen, wann sie verloren haben. Wir haben in Deutschland wahrlich wichtigere Probleme zu lösen als permanent Konrad-Duden-Gedächtnisspiele zu veranstalten.
Doch wer ein richtiger Deutscher ist, strebt nach Regeln, die in erster Linie klar und erst in zweiter Linie plausibel zu sein haben. […] Die "neue" Rechtschreibung von 1998/99 soll einfacher sein als die "alte" von 1901/1902. Ist sie einfacher? Für Klein Fritzchen im Deutschunterricht wohl kaum. Ausnahmen wurden aufgehoben, andere dafür neu geschaffen.
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