Auch wenn es dank E-Mail und SMS seit Jahren einen starken Trend zur Kleinschreibung gibt, so findet man andererseits immer wieder großgeschriebene Wörter, die sich die Großschreibung gar nicht verdient haben. […] Auf unzähligen Schildern, Tafeln und Transparenten werden Reisende und Kunden mit den Worten "Herzlich Willkommen" begrüßt. […] Beim "bitte"-Schwesterwort "danke" ging die Verwirrung so weit, dass die Rechtschreibreformer beschlossen, die Großschreibung für zulässig zu erklären. […] In der nächsten Rechtschreibreform wird dann vielleicht "Herzlich Willkommen" für korrekt erklärt und "Neues Jahr" zum Namen ernannt. Das möchte ich aber "Bitte" nicht mehr erleben müssen!
Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
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Sick, Bastian
Pump Up Your Letters! Es Regiert Die Allwortgroßschreibung! So machen es iTunes und Amazon vor. […] Die Angelsachsen mögen ihre Lieder buchstabieren, wie sie wollen. Doch in Deutschland gelten andere Regeln - nämlich die der deutschen Orthografie. Und die hat niemals vorgesehen, dass Liedertitel durchgehend mit großen Anfangsbuchstaben geschrieben werden. Einerseits sieht das für deutsche Augen ungewohnt, wenn nicht gar befremdlich aus. Andererseits verstärkt die Allwortgroßschreibung die heute ohnehin schon starke Verunsicherung in Bezug auf unsere Schriftsprache. Wenn ein außenstehender Betrachter sieht, dass in E-Mails offenbar jedes Wort kleingeschrieben werden darf, während in Liedertiteln alles großgeschrieben wird, muss er zu dem Schluss kommen, dass sich die Rechtschreibung nicht nach Schulstandard richtet, sondern nach dem Medium. (Womit er allerdings recht hat.) […] In meinen Augen ist die Allwortgroßschreibung weder zeitgemäß noch praktisch oder schick, sondern einfach nur lästig. […] Aber dieses Problem betrifft ja nicht nur die deutschsprachige Musik: Auch französische, italienische, niederländische und schwedische Lieder werden mit großen Initialen geliefert. Und von diesen Sprachen weiß ich mit Sicherheit, dass die noch nicht einmal die Großschreibung von Hauptwörtern kultivieren. Das ist eine (von vielen oft verwünschte) deutsche Einzigartigkeit.
Tatsache ist: Nie wurden so viele Fehler gemacht wie heute. Aber die Menschen haben auch noch nie so viel geschrieben. […] Menschen, die mit der Rechtschreibung Probleme haben, hat es immer schon gegeben. Sie fielen früher bloß nicht so auf, da ihnen die Technik fehlte, um ihre Probleme regelmäßig unter Beweis stellen zu können. […] Folglich ist eBay eine Fundgrube - nicht nur in sammelsurischer Hinsicht, sondern auch in orthografischer. Denn jeder schreibt eben so, wie er es für richtig hält. […] Als Suchender muss man das berücksichtigen. Wer zum Beispiel Modelleisenbahnen sammelt und eine spezielle Dampflokomotive sucht, tut gut daran, nicht nur mit dem Stichwort "Dampflok" zu suchen, sondern es auch noch mit "Dampflock" zu probieren. […] All das ist jedoch kein Grund zu verzagen, beweist es doch nur, wie lebendig das Interesse der Deutschen am Gebrauch ihrer Schrift ist und wie niedrig die Schwellenangst vor dem Schreiben.
Im Zuge der Rechtschreibreform wurden alle Großschreibungen bei Duz-Formen abgeschafft. […] Was den einen eine Erleichterung, ist anderen ein Ärgernis. Das großgeschriebene Du war doch schließlich eine Respektsbekundung, die nun mirnichts, Dirnichts entfällt, sagen die Gegner des kleingeschriebenen „du“. […] So einen Unfug könnten sie nicht verantworten, sagen sie, und glücklicherweise müssen sie das auch nicht, denn die Abschaffung des großgeschriebenen „Du“ mag zwar inzwischen an den Schulen gelehrt werden; wie aber jemand in seiner privaten Korrespondenz verfährt, ist Gott sei Dank immer noch ganz allein seine Sache, da kann ihm keine Kultusministerkonferenz dieser Welt hineinreden. Viel schwerer aber haben es die Journalisten, die sich immer wieder fragen müssen, wie sie die Duz-Anrede im Interview oder in Zitaten zu schreiben haben. Die Antwort lautet: klein! Und das war schon immer so, also auch vor Einführung der Rechtschreibreform.
Für die private korrespondenz musste man dann aber den obrigkeitshörigen deutschen das «Du» offiziell «erlauben».
Zähneknirschend nahm man es hin, dass im trüben Fahrwasser der Rechtschreibreform mit einem Mal "Helga's Hähncheneck" und "Rudi's Bierschwemme" höchste Ehren erhielten und offiziell sanktioniert wurden. Der von vielen gescholtene so genannte Deppen-Apostroph war über Nacht salonfähig geworden. Nun ja, vielleicht noch nicht salonfähig, aber zumindest imbissbudenfähig. […] "Was habt ihr denn? Ist doch richtig so! Steht sogar im Duden's!" Tatsächlich: dort […] heißt es in Übereinstimmung mit den neuen amtlichen Regeln: "Gelegentlich wird das Genitiv-s zur Verdeutlichung der Grundform des Namens auch durch einen Apostroph abgesetzt." Man beachte die Wortwahl: Gelegentlich. Das klingt wie: "Einige können es eben nicht lassen."
Schluss mit den Apostrophen-Katastrophen! Der "Zwiebelfisch" verrät, wo im Deutschen ein Apostroph gesetzt werden muss, wo man auf ihn verzichten kann und wo er schlichtweg "nicht's" zu suchen hat.
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