In Gestalt von Peter Eisenberg, der von Manfred Bierwisch laudiert wurde, erhielt ein Sprachwissenschaftler den Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa, der nicht nur erheblich dazu beigetragen hat, das Elend der Rechtschreibreform nachträglich so weit wie möglich einzudämmen, sondern auch souverän und prägnant die Macht und Eleganz der Prinzipien, auf denen Sprache beruht, zu deuten und darzustellen versteht.
Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
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Spiegel, Hubert
Die Darmstädter Akademie für Sprache und Dichtung tagte in diesem Jahr in Galizien. […] Wie groß umgekehrt das Interesse an Deutschland in Lemberg ist, zeigte sich vor allem, als fünf deutsche Autoren aus ihren Werken lasen und der Hörsaal 405 aus allen Nähten platzte. Vor den Lesungen skizzierte Heinrich Detering den Wandel und die Entwicklung der Germanistik der vergangenen Jahrzehnte und bewies ebenso wie Peter Eisenbergs Vortrag über die Tücken der Rechtschreibreform, dass deutsche Professoren sehr wohl in der Lage sind, komplexe Sachverhalte verständlich darzustellen.
Einer seiner anderen größten Fehler sei eine fatale Neigung, Dinge um ihrer selbst willen zu tun, hat Klett von sich gesagt und die Selbsteinschätzung eindrucksvoll belegt, als er sich zum Kummer seiner Geschäftsführer vehement gegen die Rechtschreibreform stellte. Wenn diese Neigung ein Fehler sein sollte, dann einer, der jedem Verleger zur Ehre gereicht.
Jeder, der mit Fragen der Rechtschreibung zu tun hat, wünscht sich nach langen Jahren des Streits und der Verwirrung nichts sehnlicher als ein klares und einheitliches Regelwerk. Das Hin und Her muß endlich ein Ende haben. Dieser Wunsch geht über alle Gräben hinweg […]. Erfüllen kann er sich jedoch nur, wenn alle Beteiligten die Einheitlichkeit der Rechtschreibung über die Einzelheiten stellen, die nach wie vor strittig sind. Deshalb wird diese Zeitung vom 1. Januar 2007 an ihre Rechtschreibung weitgehend dem Schulgebrauch angleichen. […] Wir fühlen uns auch den Kindern gegenüber in der Verantwortung, die in der Schule die reformierten Regeln erlernen müssen. Ihnen und allen anderen sind wir es schuldig, daß wir für die Einheitlichkeit der Rechtschreibung alles tun, was in unserer Macht steht.
Richtige entscheidung mit falscher begründung.
Der Rat für Rechtschreibung will zahllose klassische Varianten wieder zulassen und verspricht, daß es dadurch jedem wieder freigestellt ist, weitgehend der bewährten Rechtschreibung zu folgen. Das wird zu prüfen sein. Bewährte und neue Rechtschreibung sollen sich nicht länger ausschließen, sondern gleichberechtigt nebeneinanderstehen. Ist das eine salomonische Entscheidung? Nein, es ist nur die dürre Weisheit derjenigen, die nicht mehr wissen wollen, was falsch und was richtig ist. Die meisten Menschen lassen ihr Sprachgefühl über ihre Rechtschreibung entscheiden; sie mußten ohnmächtig erleben, wie dieses Sprachgefühl im ewigen Hin und Her der vergangenen Jahre verunsichert und beschädigt wurde. Diesen Schaden kann auch die Reform der Reform nicht beheben.
Herrje, jetzt ist das sprachgefühl kaputt! Wir haben das angeborene gefühl dafür, was falsch und was richtig ist, beschädigt. Es ist ja auch verantwortungslos, wenn wissenschaft und politik etwas in frage stellen und eine diskussion anzetteln. Es ist zeit, dass sie von den sprachmullahs in die schranken verwiesen werden.
Der Rat für deutsche Rechtschreibung hat in seiner Sitzung am Freitag letzter Woche deutlich gemacht, daß er die Rücknahme verfehlter Teile der Rechtschreibreform nicht länger ausschließt. […] Die Sprache und die Sprachgemeinschaft lassen sich nun einmal keine Vorschriften machen. Das hätten die Politiker vorher wissen können.
«Keine Vorschriften» – was hatten wir denn vorher?
Unter den zahlreichen Kämpfern gegen die unsinnige Reform läßt sich Ickler an Engagement, Kenntnisreichtum, Genauigkeit und polemischem Temperament nicht übertreffen. Unermüdlich weist er den Urhebern der Reform Fehler, gebrochene Versprechen, Halbwahrheiten, Lügen und Inkompetenz nach.
Drei Jahre später sieht die Zeitung keinerlei Anlaß, ihre Entscheidung zu bereuen. Die Situation ist unverändert: Im siebten Jahr nach der Einführung der neuen amtlichen Regeln in den deutschen Schulen ist die Lage chaotisch, wenn nicht gar anarchisch. Aber es ist keine fröhliche, sondern eine trübsinnige Anarchie am Werk.
Wenn die Sprachregler ihren Bericht ernst nähmen, könnten sie sich dessen Botschaft nicht länger verschließen und müßten zur alten Weisheit der Dudenredaktion zurückkehren. Dort weiß man schon lange, daß die Sprache ein lebendiger Organismus ist. Die Regeln, nach denen er existiert, kann man beobachten und beschreiben, aber nicht vorschreiben.
Das ist es, liebe schüler, was ihr eurem lehrer sagen müsst: Sie können beobachten und beschreiben, aber nicht vorschreiben!
Aber ach, der süße Schlaf ist stärker. Wie sonst ließe sich erklären, daß auf die letztjährige Ankündigung, die Akademie werde einen eigenen Vorschlag zur Rechtschreibreform unterbreiten, jetzt wieder nur eine Absichtserklärung folgte? Daß die Akademie in dieser Angelegenheit nicht gefragt worden war, geschweige denn aus eigenem Antrieb sich zu Wort gemeldet hätte, hatte ihr Präsident Christian Meier im vorigen Jahr freimütig mit den Worten kommentiert, man habe die Sache wohl einfach verschlafen. Jetzt gab sich Meier kämpferisch, […] spottete mit spitzen Worten über Kultusminister und andere Bürokraten. Er schwang sich sogar zu der Behauptung auf, der Streit um die Rechtschreibreform sei nur ein Symptom unter vielen für die allgemeine Geringschätzung der Kultur.
Als letzter Redner tritt der Abgeordnete Höllein ans Pult. Er spricht für die Fraktion der Kommunistischen Partei und erklärt, daß seine Fraktion dem Antrag zustimmt, "um den Anfang für eine einheitliche Durchführung der Rechtschreibung in Deutschland zu machen, um so von unten her in dieser Frage endlich zur Einigkeit zu gelangen". […] Es kommt zur Abstimmung, der Antrag wird angenommen, die Rechtschreibreform an die Ausschüsse verwiesen, die Sitzung geschlossen. Die geschilderte Debatte hat in der 61. Sitzung des Deutschen Reichstages stattgefunden, und zwar am 16. Mai 1925 […]. Allerdings sprachen Theodor Heuss und seine Kollegen nicht über die Rechtschreibreform, sondern über die Reform der Stenographie und die Einführung der Einheitskurzschrift
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