Die Verfassung regelt nicht, wie lange ein Volksentscheid gilt.
Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
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Der Beschluss des Landtags müsse unverzüglich außer Kraft gesetzt werden, sagte der Vorsitzende des Schleswig-Holsteinischen Elternvereins, Ulrich Kliegis. Er werde im Namen seiner beiden schulpflichtigen Kinder wohl einen Eilantrag stellen. Das Verfassungsgericht könnte dann schnell vorläufig und Jahre später endgültig entscheiden.
Mit schlechtem Gewissen und guten Gründen hat der schleswig-holsteinische Landtag die Korrektur des Volksentscheides gegen die Rechtschreibreform eingeläutet. […] Bildungsministerin Ute Erdsiek-Rave (SPD) brachte das Dilemma auf den Punkt: "Wie die Volksvertretung mit dem Volkswillen umgeht, das ist mehr als ein Wermutstropfen. Da braucht man schon sehr gute Gründe. Für mich liegen sie allein im Wohl unserer Kinder."
Der Innen- und Rechtsausschuss des Landtages will in den nächsten Wochen klären, wie und wann die direkte Demokratie reformiert wird. […] Das Parlament kann theoretisch den Volkswillen schon nach einigen Tagen mit einfacher Mehrheit korrigieren. […] Der neue Erlass soll nach den Herbstferien greifen. Vom Montag, dem 1. November, an ist die neue Rechtschreibung dann auf dem Stundenplan.
Nach Recht und Gesetz müssen die Lehrer von heute an zwar weiter die alten Regeln lehren — trotz absehbarer Gesetzesnovelle. Es gebe aber immer einen pädagogischen Spielraum, der in der Verantwortung des Lehrers liege, meinte ein Abgeordneter. Im Klartext: Die Pädagogen könnten schon früher die reformierte Schreibweise anwenden, allerdings auf eigenes Risiko.
Ihre Modernisierungskur für die Nord-CDU setzten Rühe und seine Getreuen gestern auch in inhaltlichen Fragen fort. Der Landesvorstand akzeptierte ohne Gegenstimme den Vorschlag der Fraktion zur Kehrtwende bei der Rechtschreibreform. Allein der Landesvorsitzende Peter-Kurt Würzbach soll sich enthalten haben. Er gilt nun als weitgehend isoliert.
Die Union habe die Rechtschreibreform für fehlerhaft gehalten, wolle jetzt aber vor allem im Interesse der Kinder die neue Lage akzeptieren, verkündete CDU-Spitzenkandidat Volker Rühe zur Überraschung der anderen Parteien. […] Der Lübecker Verleger Matthias Dräger, der mit seiner Initiative "Wir gegen die Rechtschreibreform" den Stopp erkämpft hatte, will dennoch nicht klein beigeben. Die Politiker dürften den Entscheid nicht einfach nach weniger als zehn Monaten korrigieren, meinte er. Sollten sie es dennoch tun, werde man vor die Verwaltungsgerichte ziehen. […] Die CDU begründete ihren Schwenk damit, daß Schleswig-Holstein sonst wohl eine Sprachinsel bleibe. Sie verkündete ihre 180-Grad-Wende mit Blick auf die bevorstehende Kabinettsentscheidung zur Amtssprache im Norden.
Das rot-grüne Kabinett steht damit vor einem Dilemma. Sind die Kieler bundestreu, wird in den Schulen anders geschrieben als in den Amtsstuben - übrigens auch in den Schulämtern. Und die Schülerinnen und Schüler würden sich zu Recht fragen, warum sie als einzige in Deutschland die alten Regeln pauken und sie verbindlich anwenden müssen. Zeigt das Kabinett aber Herz für die Pennäler, dürften einige Staatsdiener rotieren.
Die Schülerinnen und Schüler in Schleswig-Holstein müssen weiter als einzige bundesweit die alten Rechtschreibregeln lernen. […] Nach der klaren Entscheidung aus Schleswig dürfte der Elmshorner kaum eine Chance haben, den Alleingang Schleswig-Holsteins gerichtlich zu stoppen. Den Anschluß an den Rest der Republik könnten die Schüler im Norden allerdings trotzdem Ende 2000 finden. Dann wird in Schleswig-Holstein der Erlaß im Schulgesetz, der mit dem Volksentscheid verfügt worden war, überprüft. Wird die Reform bis dahin nicht auch in anderen Bundesländern gekippt, dürfte Schleswig-Holstein zu den reformierten Regeln zurückkehren.
Das Amt sei eben ein Schleudersitz, sagte Böhrk. "Daß es mich nun ausgerechnet über die Rechtschreibreform erwischt, ist etwas überraschend", erklärte sie und bot damit den Dauerstreit über die per Volksentscheid gestoppte Neuschreibung als Abtrittsgrund an. Über eine Ablösung von Böhrk war in der Staatskanzlei von Simonis aber schon im Sommer nachgedacht worden.
Die Gegner der Rechtschreibreform wollen nach ihrem Sieg beim Volksentscheid in Schleswig-Holstein die Neuschreibung komplett aus den Schulen im Norden verbannen und das notfalls gerichtlich durchsetzen. Bildungsministerin Gisela Böhrk (SPD) verteidigte dagegen im Landtag ihren geplanten Erlaß, wonach die alte Schreibweise gelehrt und die neue geduldet werden soll. […] Die Reformgegner wollen zudem nur alte Duden zulassen. Schulbücher in Neuschreibung sollen "so bald wie möglich" in Handarbeit korrigiert werden. Die Lehrer könnten dies mit ihren Schülern gemeinsam im Unterricht machen, meinte Initiativensprecher Matthias Dräger. Die Zahl der Änderungen sei begrenzt. Lehrer könnten die Bücher auch mit nach Hause nehmen und die Änderungen dort "an einem Abend" machen.
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