Teresa Brinkel, Volkskundliche Wissensproduktion in der DDR, Münster
Steinitz betrieb intensive Feldforschungen zur Sprache und Kultur der Volksstämme der Ostjaken und Wogulen in Westsibirien. Schließlich beteiligte er sich an der Volksalphabetisierung, an der Regelung der Orthographie und der Entwicklung von Schulbüchern in Russland. Seine völkerkundlichen Studien gerieten jedoch in den Fokus der dortigen Nationalitätenpolitik, die ihn zunehmend denunzierte. Die stalinistische Wende in den 1930er Jahren hatte in der Nationalitäten- und Sprachenpolitik unter anderem eine „Russifizierung“ aller schriftlosen Minoritäten bewirkt. Steinitz hatte aber aufgrund seiner Feldforschung eine Orthographie für das bisher schriftlose Ostjakisch vorgeschlagen. Diese Orthographie beruhte unter anderem auf lateinischen Grundbuchstaben, weshalb er beschuldigt wurde, den Ostjaken das Erlernen der Schriftsprache zu erschweren.
In seinen Veröffentlichungen zur Rechtschreibreform betonte Steinitz, dass eine Rechtschreibung kein »heiliges Kulturgut« sei, das man nicht antasten dürfe, sondern eine soziale Vereinbarung, die im Interesse der Gesellschaft, der Schreiber und Leser, durchaus verändert werden könne.