Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
Im namen unserer sprache
Zu Volker Müller, «Im Namen unserer Sprache; Friedrich Dieckmann zur Rechtschreibreform», Berliner Zeitung, 24. 11. 2003
Nachweis unter presse und internet
«Im Namen unserer Sprache, Friedrich Dieckmann zur Rechtschreibreform.» Aha, nach aller Unsicherheit und Verwirrung um anmaßende Reformer, Kommissionen und Politiker wissen wir endlich, wer im Namen unserer Sprache sprechen darf! Ich kann nur ehrfürchtig den Hut ziehen. Ich habe naiverweise geglaubt, den Unterschied zwischen Brötchen und Ehepaaren zu kennen; nun stehen mir die Haare zu Berge. Da liest man ahnungslos in der Zeitung: «hier zu Lande». Gescheite Leser wie Herr Dieckmann interpretieren ohne zu zögern: «Gemeint ist . . .», aber was macht unsereins? «Der Unterschied zwischen übertragenen und wörtlichen Bedeutungen wird verwischt, wird negiert.» Das ist etwas «noch nie da Gewesenes».
Die Reform wurde gemäß Akademiebrief «am grünen Tisch projektiert». War der Tisch wirklich grün? Hier bleibt eine quälende, das Sprachgefühl verstörende Unsicherheit zurück: Der Unterschied zwischen übertragener und wörtlicher Bedeutung wird verwischt, wird negiert, und zwar sowohl von der alten als auch von der frisch gebackenen Schreibordnung. Ebenso bei der oben erwähnten Kopfbedeckung und den Haaren. Dabei schreibe ich diesen Text ausnahmsweise gemäß «der erprobten Übereinkunft von Schreibenden und Lesenden».
Die Reform wurde «von oben herab» verordnet. Wir da unten sind den acht Akademiekumpels dankbar für diese Entlarvung und die Bewahrung vor weiteren Bedrohungen («die Freiheit führt dann auf eine falsche neue Norm»). Die ohnmächtige Schreibgesellschaft hat ja so an den alten Regeln gehangen und mühelos gelesen und geschrieben, und die aus lauter gewöhnlichen Leuten bestehenden Reformvereine, z. b. der 1924 gegründete Bund für vereinfachte rechtschreibung, haben wohl ein Problem mit unten und oben.
«Die Lage ist zu ernst für Polemik.» Sie ist noch ernster: Im Namen unserer Sprache stelle ich fest, daß es noch Schlimmeres gibt als Polemik (der Begriff steht nicht notwendigerweise für etwas Negatives). Die Art und Weise, wie die Wissenschafter im Akademiebrief über den Unterschied zwischen Brötchen und Ehepaaren philosophieren und wie sie die harmloseste Rechtschreibreform der Menschheitsgeschichte dämonisieren, gereicht den beteiligten Institutionen nicht zur Ehre. Stehen sie wirklich mit dem «vollen Gewicht» dahinter? In diesem Fall könnte es sein, dass sich ihr Gewicht um ein paar Kilogramm reduziert.
Bund für vereinfachte rechtschreibung, Rolf Landolt, Zürich (vorsitzer)