Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
Zu F. Denk, «Tote Schriftsteller können sich nicht mehr wehren», Süddeutsche Zeitung, 18. 6. 1997
Nachweis unter presse und internet
Abgedruckt in der Süddeutschen Zeitung vom 3. 7. 1997
Mit Friedrich Denk bedaure ich auch, dass man die toten schriftsteller nicht mehr fragen kann. Die forderung von Siegfried Lenz nach einer volksabstimmung wäre dahingehend zu erweitern, dass auch die toten stimmberechtigt sind. Da die grossschreibung der substantive relativ jung ist, wäre eine mehrheit für eine wirksame reform im sinne des Bundes für vereinfachte rechtschreibung (gegründet 1924) sicher. Realpolitik wird allerdings für die lebenden gemacht und schulpolitik im besonderen hoffentlich eher für die jugend als für die rentner. Der lehrplan der volksschule ist nun einmal die einzige stelle, wo sich die rechtschreibnorm rechtlich fassen lässt. Das könnte man ändern, aber auch die gesetzgebung ist eine in die zukunft gerichtete tätigkeit. Der beschluss der kultusminister/erziehungsdirektoren ist vergangenheit, gefällt gemäss der im jahr 1996 geltenden rechtslage.
Denks argumentation mit dem urheberrecht einerseits und der unmöglichkeit eines nebeneinanders in der schule anderseits läuft darauf hinaus, der rechtschreibung jede änderbarkeit abzusprechen. Denn auch wenn die neuregelung inhaltlich anders aussähe, wäre mit dem widerstand lebender oder toter dichter zu rechnen. Wenn ich mir die historischen dimensionen vor augen halte, will es mir allerdings nicht so recht in den kopf, dass der entwicklungsstopp genau nach Lenz und Walser wirksam wird und nicht etwa nach Goethe, der bekanntlich Rath und Meubel schrieb.
Den schriftstellern, von denen einige erwiesenermassen mir dem lesen mühe haben und mehr der kurzform Denkscher resolutionen zugeneigt sind, möchten wir ein wort Jacob Grimms in erinnerung rufen. (Grimm verwendete substantivkleinschreibung, aber es ist auch nach duden 21. aufl. und duden 20. aufl. verständlich.) «Was sollte die änderung den schriftsteller angehn, dem daran liegt seine gedanken ungehemmt und ungezwungen zu äuszern, dem es lästig fallen musz sich und seine leser durch anstände in der form, die er längst bewältigt zu haben meint, aufhalten zu lassen? Die meisten schrieben, wie sie es in der schule oder sonst im leben sich angewöhnt hatten und überlieszen wiederum den setzern die schreibart nach belieben zu verändern, d. h. dem vorherschenden brauch zu bequemen.»
Bund für vereinfachte rechtschreibung, Rolf Landolt, Zürich (vorsitzer)