Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
Rechtschreibung ist keine machtfrage
Zu Fatima Krumm, «Korrekte Rechtschreibung wird zur Machtfrage», wz.de (Westdeutsche Zeitung),
Nachweis unter presse und internet
Am 27. 2. 2020 als leserkommentar auf wz.de veröffentlicht.
Sprache ist Macht. Dazu zählt auch das geschriebene Wort. Wenn der grüne Ministerpräsident Baden-Württembergs meint, dass ein „Grundgerüst“ an Rechtschreibkenntnissen genüge, alles Weitere könnten „kluge Geräte“ richten, dann will er damit entweder alle gleich schlecht machen oder dafür sorgen, dass Machtpositionen nur den Privilegierten vorbehalten bleiben. […] Rechtschreibkenntnisse werden zur Klassenfrage. Im Grunde genommen ist Kretschmanns Vorschlag, Rechtschreibung zur Nebensache zu machen, eine Idee, um Machtpositionen zu manifestieren und Aufstieg zu verwehren.
Also: Entweder sind alle gleich schlecht – dann ist niemand privilegiert. Oder … oder was? Ist doch jemand privilegiert? Eine klasse? Gewissermassen eine schreibklasse? Wie ist sie zu ihren privilegien und zu ihrer macht gekommen? Gibt es vielleicht eine geheimgesellschaft, die die ortografie zu hauptsache macht, um die rechtschreibschwache gesellschaft zu beherrschen? «Ein sozialer oder beruflicher Aufstieg wird schon an fehlerhaften Bewerbungen scheitern.» Ja, natürlich, solange es noch 1 fehlerfreie bewerbung gibt, scheitern die anderen. Aber wenn alle gleich schlecht sind? Und wenn irgendwann die alten personalchefs gestorben sind? Dann steht entweder die welt still – oder irgendein machtloser schafft es doch, personalchef zu werden; er wird die dannzumaligen bewerbungen nach den dannzumaligen massstäben bewerten.
Vielleicht sind menschen mit migrationshintergrund in sachen machtpositionen benachteiligt, aber das ist einerseits wohl nicht in erster linie ein ortografieproblem und anderseits auch nicht einmal sicher, wenn man die schweizer managerszene anschaut.
Sicher ist, dass alle, gerade auch zuwanderer, von einer vernünftigeren ortografie profitieren würden. Wer die rechtschreibung für wichtig hält, kann nicht akzeptieren, dass – schon immer – beispielsweise das wort «Rhythmus» nur von jedem dritten richtig geschrieben wird. «Wenn erst der Gedächtniskram in Silbentrennung, Orthographie, Unterscheidung von ss und ß etc. aus unsern Schulen verschwände! Warum müssen wir Lehrer und Schüler für die Orthographiesünden des 17. Jahrhunderts büssen, da die Schriftsetzer nach eigener Willkür begannen, die Dingwörter mit Majuskeln zu bezeichnen, welches Vorrecht alle andern Sprachen doch nur den Eigennamen und den Satzanfängen zugestehen? Mit welcher Begründung benötigen wir des weitern für den gleichen Laut f die drei verschiedenen Bezeichnungen v, f, ph?» So seufzte die «Schweizerische Lehrerzeitung» schon vor 102 jahren!
Zum schluss noch ein tipp: Sprachlich privilegierte würden «nur … vorbehalten» als tautologie vermeiden.
Rolf Landolt, Bund für vereinfachte rechtschreibung, kleinschreibung.ch, gegründet 1924