Konrad Duden, Zukunftsorthographie, , s. 57 (in fraktur, ausgenommen gelb markierte stellen)
Welche Bewandtnis es mit der Berechtigung des ai hat, ſei noch kurz angedeutet. Unſer heutiges ei ift zum Teil aus dem mhd. î entſtanden. Das Mhd. hatte aber auch ſchon ein ei; dieſes iſt im Nhd. zuweilen in ai übergegangen, meiſtens iſt es ei geblieben. Die Dialekte unterſcheiden nun das ehemalige mhd. ei in der Ausſprache noch ziemlich durchgehends von dem aus î entſtandenen. Die nhd. Gemeinſprache aber unterſcheidet beide ei nicht mehr: Reif (mhd. reif) und Reif (mhd. rîfe) lauten ganz gleich, und wenn man hie und da das aus ei entſtandene ai anders ſpricht als das unverwandelte ei und als das aus î entſtandene, ſo geſchieht das eben der verſchiedenen Schreibung wegen. So gut wie man für Getraide die mhd. Form mit ei wider zur Geltung gebracht bat, könnte es auch bei Laib und den übrigen geſchehen; es war lediglich der noch feſtſtehende Brauch z. B. in Kaiſer, Rain, ferner der Umſtand, daſs Homonyme zur Seite ſtehen z. B. bei Laib, Saite, Waise, was dem an ſich überflüſſigen ai das Leben gefriſtet hat.