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Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)

stichwort → reform 1996
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reform 1996

die neuen regeln

https://grammis.ids-mannheim.de/rechtschreibung

Einige Leitlinien der Reform:

  • Weniger Ausnahme- und Sonder­regelungen (z. B. Ver­doppelung von s unter den­selben Be­dingungen wie bei anderen Kon­sonanten­buch­staben, also Fass wie Fall; die einzige h-Schrei­bung nach au wird be­seitigt, daher rau; Silben­trennung von st wie bei s-p, s-k, f-t, l-t …).
  • In den Bereichen Groß-/Klein­schreibung und Ge­trennt-/Zu­sammen­schreibung anstatt seman­tischer Kri­terien solche der gramma­tischen Form und der Kollo­kation, die leichter objektivier­bar sind.
  • Verzicht auf manche semantisch motivierte Schreibungs­unter­schiede, die die Schreiben­den be­lasten, ohne den Lesenden nennens­werten Nutzen zu bringen […].
  • Einführung von Zonen der Wahl­freiheit (be­sonders inner­halb der Be­reiche Fremd­wort­schreibung und Komma­setzung).
  • In einigen Fällen neue Schreib­weisen auf­grund synchro­nischer As­soziier­barkeit (z. B. über­schwänglich wie Über­schwang, Quäntchen wie Quan­tum).

Niemand, der daran interessiert gewesen wäre

Die Reform war eine Beschäftigungstherapie für unterbeschäftigte Germanisten. Es gab keine Volksbewegung, keine Meinungsumfrage, keinen Schriftstellerverband, keinen Lehrerverband, überhaupt niemanden, der daran interessiert gewesen wäre, die deutsche Rechtschreibung zu reformieren.

Diese vielen niemand sind hier aufgelistet: chronik. Und das volk ist zu zwei dritteln nicht interessiert, korrekt zu schreiben: stichwort schreiben.

Verbrechen

, Süd­deutsche Zeitung,

Die Auseinandersetzung um die Regeln ihres Schreibens beschäftigt die Deutschen mehr, als es jede andere soziale, politische oder kulturelle Frage seit langem getan hat. Übereinstimmend berichten Redaktionen von Zeitungen und Sendern landauf, landab von einer so immensen Flut von Leserbriefen und Zuschriften auf ihren elektronischen Seiten, wie sie sie seit Ewigkeiten nicht erlebt haben.

, Schwei­zer Monats­hefte,

Es handelt sich um eine gra­vierende Be­schädigung der deut­schen Sprache, also um ein kul­turelles Jahr­hundert­ver­gehen.

, Bild, , Bild-Kommentar

Ein Verbrechen an un­seren Schülern und un­serer Sprache!

Bayerische Staats­zeitung,

Ein Ver­brechen an der Jugend

,

Ver­gewaltigung der Spra­che durch einige be­sessene Lin­guisten.

, Bild,

Ich appel­liere an den Kanzler, der Ver­gewal­tigung der deut­schen Sprache Einhalt zu ge­bieten.

, Frank­furter Rund­schau,

Das ist eine Ver­gewal­ti­gung der Sprache.

, Frank­furter All­gemeine Zeitung, Briefe an die Heraus­geber,

Diese Ver­gewaltigung — anders kann man es kaum nennen — ist ohne Bei­spiel.

, (Frank­furter All­gemeine Zeitung),

Ein Unglück der Sprach­geschichte.

, Frank­furter All­gemeine Zeitung, Briefe an die Heraus­geber,

Großes Lob an die Ver­gewaltiger im Recht­schreib­reform-Gremi­um. Sie haben ganze Arbeit ge­leistet.

, ,

Die Rechtschreibreform von 1996 entpuppt sich immer mehr als die politische deutsche Urkatastrophe der jüngeren Vergangenheit.

Nicht radikal

Dabei ist zu beachten, dass die jetzige Re­form beim besten Wil­len nicht als radikal bewertet werden kann. Sie lässt im Gegen­teil ver­schiedene be­gründete Forderungen früherer Reform­konzepte, be­ginnend mit dem »Schleizer Duden« von 1872, offen. Außer der gemäßigten Kleinschreibung wäre hier vor allem die Beseitigung der zahlreichen Doppel- und Drei­fachschrei­bungen für jeweils gleiche Laute (wie ei – ai, f – v oder a - ah – aa usw.) zu nennen.

, Frank­furter All­gemeine Zeitung, Briefe an die Heraus­geber,

Denn be­kanntlich ist nur ein winziger Pro­zent­satz der Schrei­bung be­troffen, in der Grund­schule kaum 30 Wörter.

, Bild am Sonntag,

Tatsächlich geht es nur um wenige Wörter. So müsste ein Viertklässler in Bayern von den 700 Wörtern des Grundwortschatzes, die er schriftlich beherrschen muss, [bei einer rücknahme der reform] gerade mal 24 neu lernen […].

In der Schweiz: 4!

Niemandem weh tun

, Tagesspiegel,

Die Experten wollten halt niemandem weh tun, die Ge­bildeten nicht ver­prellen und auch die nicht völlig ent­täuschen, die angesichts zu­nehmender Schwierig­kei­ten von Schülern mit der Recht­schrei­bung für eine radikale Ver­einfachung plädierten.

Es muſsten ſich alſo ver­ſchiedene Er­wä­gun­gen gegen­ſeitig in Schranken halten und nicht ſelten muſste auf das an ſich Richtigere und Beſſere verzichtet wer­den, weil es von den gegen­wärtigen Ge­won­heiten zu weit ablag und darum minder leicht durch­fürbar erſchien.

Um aber nicht unge­recht zu sein, darf ich einen grossen Nutzen nicht unerwähnt las­sen, den diese Neu­regelung der Recht­schreibung gestiftet hat: Sie hat der sakro­sankten „historischen Ortho­gra­phie“ den Glorien­schein der Un­ver­änderlich­keit und Un­verletzlich­keit vom Haupte ge­rissen und dadurch einer künftigen Reform die Wege geebnet. Das Werk der Männer, welche vor 25 Jahren die deutsche Recht­schreibung regeln sollten, hat kein Ueber­mass von Beifall und An­erkennung ge­funden.

Wer über das geringe Ausmaß an Ver­besserungen, welche die Reform bringt, ent­täuscht ist und meint, dass sie den Aufwand nicht lohnt, sollte bedenken: Wenn schon das wenige auf so viel Wider­stand stößt, zeigt dies, dass unter den gegebenen Umständen mehr an Reform nicht zu er­reichen war.

Unser standpunkt

, ,

Im Nachhinein betrachtet, nach Corona und so vielem anderen, ist es schwer nachvollziehbar, dass damals so erbittert gestritten worden ist. […] Heute erscheint es wie ein Luxusproblem. Und rückblickend war es viel mit Streit vergeudete Zeit!

, Der Bund,

Eines der kennzeichnendsten Merkmale der Diskussion traut man sich fast nicht hinzuschreiben, weil man Klischees vermeiden soll: diese Diskussion ist «typisch deutsch». Man vergegenwärtige sich einmal die effektive Bedeutung der neuen Rechtschreibung und ihrer Auswirkungen auf den Sprachalltag und den enormen Umfang dieser Diskussion mit ihrer völlig unangemessenen Heftigkeit und Aggressivität. […] Vielleicht hat die schweizerische Zurückhaltung etwas damit zu tun, dass wir in der Schweiz den pragmatischen Umgang mit Kompromissflickwerken gewohnt sind. Einige Töne in dieser Diskussion sind aus Schweizer Sicht ziemlich bedenklich.


verweise

stichwort norm

stichwort schichtenmodell