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Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)

stichwort → russisch
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russisch

verweise

Zitate

als in rußland die arbeiter die macht in die hände bekamen, ſpielte auch die ſchrift­frage eine rolle, ebenso die recht­ſchreibung, deren reform mit »größter ent­ſchloſſenheit« durch­geführt wurde. der volks­kommiſſar luna­tſcharſki be­richtete im berliner tageblatt vom 22. märz 1929: »und bei dieser gelegen­heit fragten wir uns, ob man nicht gleichzeitig den ent­ſcheidenden ſchritt zur völligen europäiſie­rung unsers landes wagen sollte, indem man unser jetziges halb­griechiſches alphabet durch die lateiniſche ſchrift ersetzte. die befürchtung, einen zu großen riß zwiſchen uns und der ver­gangenen kultur zu ſchaffen, ließ uns vorerſt auf diese maßnahme ver­zichten. hätten wir doch damit der nächſten und den folgenden generatio­nen die verwertung des rieſen­haften, in alter ſchrift gedruckten literatur­ſchatzes, der ſich bei uns angeſammelt hatte, faſt unmöglich gemacht.«

Es kann keinen Zweifel daran geben, dass die Schrift- und Orthographie­reform von 1917/18 unumgänglich war, wenn die zu einem grossen Teil noch analphabeti­sche Bevölkerung Russlands lesen und schreiben lernen sollte.

Allerdings wurde die russische Orthographie­reform bereits von der 1904 ein­berufenen Kommission unter der Leitung des angesehenen Sprach­wissenschafters Alexei Schachmatow ausgearbeitet. Seine Vorschläge waren ziemlich radikal, auch aus heutiger Sicht. Damals lief die Bildungs­schicht Sturm gegen derartige Sprach­erschütterungen. Erst nach der Macht­übernahme der Bolschewiki wurde die Reform in abgemilderter Form […] umgesetzt. […] Freilich konnte die Kultur­revolution das Problem der Rechtschreib­fehler nicht lösen. Die russische Ortho­graphie ist sehr kompli­ziert und unregel­mässig: es gibt mehr Aus­nahmen als Regeln. Auch heute ist man vom Ziel einer fehler­freien Rechtschreibung weiter entfernt denn je. Selbst Zeitungen — die «Literaturnaja Gaseta» bildet dabei keine Ausnahme — erscheinen mit wunderlichen Rechtschreib­fehlern. […] Von einer neuen Rechtschreibe­reform, die noch in den siebziger Jahren die unter Leistungs­druck geratene Bildungs­bürokratie beschäftigte, ist im übrigen nichts mehr zu hören.

In den Augen besonders kon­servativer Menschen haben Reformer natürlich schon so manches Unheil angerichtet, besonders die linken. So mußte sich der „Schrift­kultur-Nihilist" Peter der Große den Vorwurf der Gottes­lästerung gefallen lassen, als er die geheiligten kirchen­slawischen Buch­staben durch eine leichter zu schreibende „bürgerliche" Schrift ersetzte. Und den sowje­tischen Kommunisten nahm man übel, daß sie kurzer­hand mehrere russische Buchstaben hinaus­warfen […]. Natürlich jammerten die Gebildeten, daß man nun die Wörter „Frieden" und „Welt" (russisch „mir") nicht mehr unter­scheiden konnte, da für beide nur noch ein und dasselbe „i" vorhanden war.