neu Adolf Muschg, Neue Zürcher Zeitung,
[Neue Zürcher Zeitung:] Greift die Reform in die Sprache ein? [Muschg:] Ja, fundamental.
Strukturierungsprinzip für die (technische) kommunikation.
Arbeitsteilung gemäss einem modell mit unabhängigen, austauschbaren schichten (layers).
Jede schicht …
Das schichtenmodell ist eine idealisierte vorstellung, es ist aber eine voraussetzung für wartbarkeit und weiterentwicklung von kommunikationssystemen. Gerade im fall der schrift lässt es erkennen, welch geniale erfindung die buchstabenschrift ist. Sie ist eine kulturelle errungenschaft, die im interesse von schreibern und lesern aufmerksamkeit und pflege verdient. Das modell ermöglicht u. a. eine klare unterscheidung von sprache und schreibung. Deutsch ist immer noch deutsch und russisch ist immer noch russisch, wenn es in lateinischer, kyrillischer, singalesischer schrift, in fraktur, steno, braille wiedergegeben wird.
neu Adolf Muschg, Neue Zürcher Zeitung,
[Neue Zürcher Zeitung:] Greift die Reform in die Sprache ein? [Muschg:] Ja, fundamental.
Ronald Lötzsch, Utopie kreativ, , s. 29 (umformuliert)
Die heillose Verquickung von Sprache und ihrer Schreibung, die sich von allem Anfang durch die gesamte Kontroverse zieht […]. Schreibnormen sollten sich zwar auf sprachliche normen stützen, aber gerade in der deutschen Orthographie sind sie weitgehend von ihnen unabhängig und völlig willkürlich festgelegt.
Rechtschreibung ist nicht dasselbe wie Sprache, wiewohl beides natürlich miteinander zu tun hat, So komplex das Verhältnis zwischen lautlicher und schriftlicher Existenzform von Sprache auch ist – es wäre abwegig, dermaßen bescheidene Veränderungen, wie diese Reform sie bringt, als Veränderungen der „Sprache“ anzusehen. Daher ist die in der Debatte vorkommende saloppe Bezeichnung „Sprachreform“ unzutreffend und irreführend.
Ronald Lötzsch, Utopie kreativ, , s. 46
Die gesprochene Sprache entwickelt sich im wesentlichen spontan. Die Sprecher bemerken diese Entwicklung im allgemeinen gar nicht, zumindest nicht sofort. Im Gegensatz dazu ist Rechtschreibung stets Konvention. Nicht nur die Art der Anwendung einer bestimmten Schrift auf die Schreibung einer Sprache kann von gesellschaftlichen Instanzen, herrschenden Individuen oder Gremien festgelegt bzw. vereinbart werden. Die Schrift selbst ist auswechselbar.
Michael Naumann, Die Zeit,
Recht hat er [Der Spiegel] allerdings mit der Behauptung, die Sprache »gehöre nicht der Kultusbürokratie«. Das hatte diese freilich nie behauptet – denn zwischen jeder Sprache und ihrer Rechtschreibung liegen geradezu metaphysische Abgründe. In diesen Abgründen sind schon manche Journalisten verschwunden.
Wolfgang Ullrich Wurzel, Neues Deutschland,
Wenn man nachvollziehen will, was eine Rechtschreibreform bedeutet und was nicht, so ist es zunächst einmal notwendig, zwischen der Sprache selbst und ihrer […] Orthographie zu unterscheiden. So kann es bekanntlich durchaus bessere und schlechtere Orthographien geben […], aber bessere und schlechtere Sprachen gibt es nicht. Eine Veränderung der Rechtschreibung bedeutet damit keinen unzulässigen Eingriff in die Sprache, wie es von Gegnern jeder Rechtschreibreform immer behauptet wird.
Peter Wapnewski, Süddeutsche Zeitung,
Wofern es der Obrigkeit einfiele, unsere Sprache zu verändern: in ihre Formationen, Fügungen, ihre Struktur und Ausdrucksmöglichkeit einzugreifen mit Hilfe von Erlaß und Gesetz, wäre Widerstand die erste Bürgerpflicht. […] Was jedoch die neuen Regeln vorschlagen, hat eine Veränderung der Sprache weder zur Absicht noch zur Folge.
Reinliche Beschränkung auf den eigentlichen Zweck ist überall gut, darum ist diejenige Orthographie die beste, welche, das historische Studium der Sprache den Gelehrten überlassend, nichts weiter will als treu und sonder Müh‘ das gesprochene Wort widergeben.
H. B. Rumpelt, nach Egger, Die Reformbeſtrebungen …, s. 1,
Die Schrift hat weder die Geſchichte, noch die Bedeutung, ſondern lediglich den Laut des Wortes feſtzuſtellen.