Radikale kleinschreibung oder eigennamengrossschreibung?
Rudolf Walter Leonhardt, Die Zeit,
Die sogenannte gemäßigte Kleinschreibung scheint mir ein unglückseliger Kompromiß. Wenn hier reformiert werden soll, dann gibt es wirklich gute Argumente nur für die radikale Reform: Weg mit den Großbuchstaben, alles wird klein geschrieben.
warum, wenn schon, nicht die großen buchstaben gleich komplett abschaffen? […] wenn es ein verschmerzbares zugeständnis sein soll, die großschreibung von substantiven (oder, wie ickler es etwas treffender beschreibt: der redegegenstände) zu verwerfen, dann können doch wohl keine ernsthaften skrupel bestehen, gleich die anderen fälle von großschreibung ebenfalls abzuschaffen. verlorengehende unterscheidungsmerkmale im schriftbild scheinen ja hingenommen zu werden, weil dem kontext anvertraut wird, ggf. unklare bedeutungen zu klären […]. die gemäßigte kleinschreibung benötigt immer noch eine beträchtliche regelhafte beschreibung. […] erklären sie mir doch z.b. mal, warum nach regel 2.4 "die firma Opel" geschrieben werden soll, nach 5.2 aber "ein opel corsa". […] mir ist klar, daß derlei feinheiten auch in der normalen orthographie eine rolle spielen, […] aber genau diese feinheiten halten sie doch offenbar im schriftbild für überflüssig. sonst würden sie sicher auch nicht die bisher übliche großschreibung im deutschen für entbehrlich halten. wieso also ausgerechnet bei satzanfang und eigennamen haltmachen?
Wenn die schrift jetzt erfunden würde, käme man kaum auf die idee, grosse und kleine buchstaben einzuführen. Es gibt ja buchstabenschriften, die das nicht haben, und auch von der deutschen sprache weiss man dank stenografie, blindenschrift, früherem fernschreiber, versalsatz usw., dass die kommunikation mit nur einer sorte buchstaben funktioniert. Es gab immer wieder (auch innerhalb des Bundes für vereinfachte rechtschreibung BVR) bestrebungen in diese richtung, vor allem in den dreissiger jahren. Als ziel des BVR wurde es aber nie definiert.
Es gibt zwei gründe, hier und heute die eigennamengrossschreibung anzustreben, einen «politischen» und einen inhaltlichen. Der erste betrifft die realisierungschancen; den zweiten kann man so umschreiben: Wenn wir schon grossbuchstaben haben, sollten wir sie optimal einsetzen. Daraus folgt, dass doch etwas mehr dahinter steckt als eine negative begründung und willkür («hinnehmen», «überflüssig», «verschmerzbares zugeständnis», «ausgerechnet bei satzanfang und eigennamen»). Und daraus folgt dann eben, dass das ziel gerade nicht eine mechanisch anwendbare, rein formal begründete regelung ist. «Sinnvolle statt grammatikalische grossschreibung!» Logischerweise entstehen daraus abgrenzungsprobleme, die sich aber qualitativ und quantitativ von denen der substantivgrossschreibung unterscheiden. Das resultat ist ein optimum sowohl für den leser als auch für den schreiber.
Aus dieser positiven begründung heraus ist «gemässigte kleinschreibung» als systematischer begriff ungeeignet, da er nur diachron verstanden werden kann und eine wertung enthält.
Was ist ein eigenname?
Stichwort nomen proprium in Dietrich Homberger, Sachwörterbuch zur Sprachwissenschaft, Stuttgart 2000:
Mit Nomen proprium werden Lebewesen, Dinge und dgl. bezeichnet, die so, wie sie sind, nur einmal vorkommen. Dies können bestimmte Menschen sein, Länder, Städte, Gebirge, Flüsse, Sterne, menschliche Einrichtungen oder künstlerische Schöpfungen. Hierzu gehören auch Pluraliatantum (die Niederlande) oder Personengruppen als kollektive Gesamtbezeichnungen (die Deutschen). Tier-, Pflanzen-, Monats-, Krankheits- und Verwandtschaftsbezeichnungen sind dagegen Appellativa.
königin
wörter bedeuten
Elisabeth
namen bezeichnen
Diese definition können wir fast übernehmen – mit der einzigen ausnahme der völkerbezeichnungen und mit einer engen auslegung der menschlichen einrichtungen. Generell wird man die grenzen bei einer neuregelung enger ziehen, als sie sich bei einer bestehenden regelung ergeben haben. Die «beweislast» bei der einzelentscheidung liegt selbstverständlich beim markierten fall, also bei der grossschreibung. Ein eigenname muss bestimmte kriterien erfüllen. Die folgenden semantischen und formalen kriterien sind nicht vollständig; sie sind nicht hinreichend und (mit ausnahme des ersten) nicht notwendig. Sie sollten aber für die praxis ausreichen.
Bezeichnung eines individuums, einzelwesens; definitheit
taufakt (mit entsprechendem spielraum des namengebers)
bedeutungsverlust
unvollständige grammatizität
übersprachlichkeit, fehlende übersetzbarkeit, schreibung auch sonst nicht regelhaft
Abgrenzung gegen andere wortarten
Ob eine abgrenzung der eigennamen für das textverständnis nötig ist, soll hier offen bleiben. Sicher ist, dass sie einen beitrag leisten kann und dass sie auch ausserhalb der ortografieproblematik sowie bei der regelung der substantivgrossschreibung nicht zu vermeiden ist.
Sinnvolle statt grammatikalische grossschreibung!
Die grenze zwischen substantiven und den übrigen wortarten ist künstlich, die zwischen den eigennamen und den wörtern einer sprache ist natürlich. Aus der sicht des lesers ist das ein entscheidendes argument. Für den schreiber kann es in vielen fällen eine erleichterung bedeuten, in anderen fällen eine erschwerung (gegenüber der substantivgrossschreibung). Eine grammatikalische grenze ist (teoretisch) klar zu ziehen, eine natürliche dagegen nicht. Daraus und aus der tatsache, dass die eigennamengrenze durch die substantivgrossschreibung teilweise zugedeckt wird, wird oft ein argument gegen die eigennamengrossschreibung abgeleitet, aber es ist eben ein vordergründiges, sekundäres argument.
Nicht akzeptabel ist eine argumentkombination, die einerseits den verlust an homografenauflösung bei den substantiven beklagt (ich habe liebe genossen) und anderseits den entsprechenden gewinn bei den eigennamen nicht sieht (Hilfe für Ungarn und Polen; zeitungsüberschrift, flüchtlinge in der Schweiz betreffend). Irritationen erklären sich aus der gewohnheit und durch eine isolierte betrachtung der wortebene (Polen / polen, firma Opel / ein opel corsa, Mond / mond). Dass ein wort sowohl zur einen wie auch zur andern klasse gehören kann, wird je nach argumentationszusammenhang als differenzierungsmöglichkeit (disambiguierung) oder als schreiberschwernis gedeutet. Sicher ist, dass es bei jeder abgrenzung unvermeidlich ist; das ist so selbstverständlich wie die existenz von homonymen. Abgrenzungsprobleme treten bei jeder regelung auf, die nicht rein mechanisch und damit irgendwie sinnvoll sein soll. Die frage ist nur, wo sie auftreten und – als sekundäre, aber auch berechtigte frage aus der sicht des schreibers – wie häufig. Die verschiebung der grenze von den substantiven zu den eigennamen bringt sowohl einen qualitativen wie auch einen quantitativen gewinn. Vergisst man ersteres und verabsolutiert man letzteres, entsteht der eindruck, man gebe differenzierungsmöglichkeit ohne «gegenleistung» auf. Das ist natürlich nicht der fall.
Falls die grossschreibung überhaupt einen praktischen beitrag zur homografenauflösung leisten kann, ist er an der natürlichen eigennamengrenze sicher wirkungsvoller. «Eine automatische Identifizierung von Eigennamen, die für die Informationsverarbeitung und z. B. auch für die Bibliothekswissenschaft von großem Nutzen wäre, ist […] vor allem auf graphemische Eigenheiten von Eigennamen als Kriterium der Identifizierung angewiesen.» (Rainer Wimmer, 1973) Den publikumswirksamen beispielen an der substantivgrenze (der gefangene floh) stehen logischerweise solche an der eigennamengrenze gegenüber: Deutschland braucht Bayern (das bundesland) / bayern (personen), Öland ist nicht nur für Schweden eine Trauminsel (NZZ). Geradezu ein spiel mit der abgrenzung treiben das restaurant Restaurant in CH-8037 Zürich und die stadt Siegen (Mit Siegen gewinnen).
In der reformdiskussion gibt es auch widerstand gegen den wechsel an sich: «Ich hätte die Großschreibung nicht erfunden; nachdem sie aber jetzt 250 Jahre gegolten hat, will ich sie nicht mehr beseitigen.» (Gerhard Storz, 1974) – «Würde die Großschreibung der Hauptwörter abgeschafft, so würden Beweglichkeit und Ausdrucksvielfalt unserer Schriftsprache gemindert; Schriftsteller, Wissenschaftler und Journalisten müßten auf wertvolle Stilmittel verzichten, die die neuzeitliche deutsche Syntax entwickelt hat, weil sie sich auf die Großschreibung der Substantive und Substantivierungen verlassen konnte.» (Arndt Ruprecht, 1974) Das dilemma der bestehenden substantiv- und der wünschbarkeit einer eigennamengrossschreibung veranlasste den reformgegner Jean-Marie Zemb vor etwa zwanzig jahren zum (nicht eingelösten) versprechen, eine regelung zu entwickeln, die beides leistet.
Generell führt der drohende verlust einer homografenauflösung (aber inkonsequenterweise nicht die aussicht auf eine andere) zu einer überbewertung dieser funktion der ortografie in der reformdiskussion. (Das ist auch im fall der neuregelung von 1996 so, z. b. bei schwerfallen / Stillleben.) Dagegen Horst Sitta (2000): «Es waren vielleicht 5 Prozent der Menschheit, die aus dem Unterschied zwischen ‹stehen geblieben› und ‹stehengeblieben› eine zusätzliche Information erhielten. Die Frage ist doch, ob die Rechtschreibung insgesamt die Fähigkeit hat, solche Differenzierungen auszudrücken. Zwischen ‹Lärche› und ‹Lerche› wird zwar unterschieden, aber ‹Kiefer› hat in ein und derselben Schreibweise zwei völlig verschiedene Bedeutungen. Dass sich dies in der Rechtschreibung ausdrücken soll, hat noch niemand verlangt.» – «Bedeutung – und Bedeutungsdifferenz – stiftet der Kontext, nicht die Schreibung.» (NZZ, 1998) «Zwar dürften Sprachstil und Rechtschreibung – in dieser Reihenfolge! – etwas miteinander zu tun haben, aber wer denkt denn beim gedanklichen oder mündlichen Formulieren gleich an das Schriftbild? (…) Die Leichtigkeit, mit der das Deutsche substantivieren kann, besteht auch ohne Großschreibung.» (Arndt Ruprecht, 1974) Der verweis auf den kontext darf nicht nur als beschwichtigung verstanden werden. Betrachtet man das system der sprache als ganzes und berücksichtigt man das ganze ausmass potenzieller ambiguität auf lexikalischer und syntaktische ebene (star als vogel, person, krankheit bzw. Frau mit Messer bedroht), verhalten sich kontext und rechtschreibliche differenzierungen (mögliche und tatsächliche) in ihrer wirkung etwa so wie ein bulldozer und ein spachtel. Dies schon deshalb, weil es den kontext immer und überall gibt, auch dann, wenn ein wort scheinbar allein steht. Ein spachtel ist gewiss hin und wieder nötig, aber sein nutzen ist im einzelfall umstritten und es gibt keinen anhaltspunkt dafür, dass eine ortografievariante ihn besser handhaben kann als eine andere.
Was ist ein deutscher eigenname?
Von erstrangiger bedeutung ist die tatsache, dass alle sprachen, die unsere (die lateinische) oder eine ähnliche schrift (griechisch, kyrillisch usw.) verwenden, satzanfang und eigennamen gross schreiben, während es die substantivgrossschreibung nur noch im deutschen gibt. Das ist auch ohne nähere begründung ein argument; daraus und aus der tatsache, dass auch das deutsche die eigennamen gross schreibt, ergeben sich aber auch praktische probleme. Dabei ist zu beachten, dass es für die abschaffung der substantivgrossschreibung präzedenzfälle gibt, für die abschaffung der eigennamengrossschreibung dagegen nicht.
Bei familien-, firmen- und ortsnamen (nur bei diesen drei gruppen) könnten sich durch eine umstellung auf eigennamenkleinschreibung juristische schwierigkeiten ergeben. Der standpunkt, Landolt und landolt seien dasselbe, ist sehr plausibel, aber seine akzeptanz ist keineswegs gesichert. Dafür gibt es in der deutschsprachigen Schweiz ein beispiel und ein gegenbeispiel. Die abschaffung des ß und damit der wechsel von Schießer zu Schiesser hat niemanden gestört. Es stört auch nicht, dass von Deutschland zuziehende Heß und Hess zu Hess eingeebnet werden. Dagegen hat sich die durch die schreibmaschine verursachte praktische ausrottung der grossen umlaute in den amtlichen namen festgesetzt. Das führt zur verkehrten situation, dass ss/ß als typografische variante, dagegen Ä/Ae als ortografierelevant behandelt werden. Aus dieser sicht ist die juristische bewertung der eigennamenkleinschreibung schwierig.
Praktische schwierigkeiten ergeben sich aus der frage, wie man mit fremdsprachigen namen umgeht bzw. wie deutsche namen in einem fremdsprachigen umfeld behandelt werden. Hier gibt es bekanntlich zwei strategien: schreibung gemäss herkunft und anpassung an den zieltext. Beide kommen in der praxis zur anwendung, was schon genug probleme gibt. Wenn noch das der grossschreibung dazu kommt, sind entscheidungen nötig, die sowohl den ersteller von regeln als auch den anwender überfordern dürften.
Herkunftsschreibung gibt es bei familiennamen (mit typografischen einschränkungen bei diakritischen zeichen und ß) sowie in den vielen fällen ohne sprachzusammenhang. Beispiele: adressverzeichnisse (besonders von städten wie Fribourg/Freiburg, Biel/Bienne), fahrpläne der bahn usw.; sie sind weder deutsch noch französisch. In solchen fällen werden namen nicht übersetzt; bei ortsnamen gibt es eine amtliche hauptform oder einen doppelnamen. (Einen umstrittenen grenzfall stellt die strassensignalisation dar.)
In fliesstexten bei «normalen», nichtwissenschaftlichen textsorten gilt jedoch die anpassung an den zieltext. Übersetzbare namen erscheinen in der textsprache: Genf, papst Johannes Paul, Eugen (nicht Jewgeni) Onegin, Alexander (nicht Aleksandr) Borodin, Warschau. Fremde schriften werden transskribiert, nicht transliteriert. Diakritische zeichen nichtvertrauter sprachen wie polnisch werden oft weggelassen. Demgemäss werden im deutschen fremdwörter gross geschrieben; rein fremdsprachige wörter werden zwar klein geschrieben, aber typografisch abgegrenzt (kursiv, antiqua innerhalb eines frakturtexts).
Werden in einer sprache eigennamen klein geschrieben, muss der schreiber entscheiden, welche der beiden strategien in einer bestimmten situation in frage kommt. Diese entscheidung ist zwar, wie die obigen beispiele zeigen, nicht neu; neu wird sie aber zur alltagssituation für den normalen schreiber.
Die anpassung an die textsprache ist in der handhabung einfacher. Dafür ist bekanntlich keine rückübersetzung möglich, was bei russischen namen zu verschmerzen ist, aber neu wegen der grossschreibung auch für täglich verwendete nachbarsprachen gelten würde.
Die herkunftsschreibung setzt spezialistenwissen voraus. Das ist zwar a priori kein argument dagegen, weil das bei eigennamen immer der fall ist; es ist ja ein unterscheidungsmerkmal gegenüber gattungsbegriffen. Die umstellung auf eigennamenkleinschreibung würde aber u. u. eine nachträgliche beschaffung der information bedingen: Für die telefonbücher müsste man in jedem einzelfall abklären, welche sprache eine person wünscht. In einer mehrsprachigen stadt bilden das aussehen des namens und die adresse keinen anhaltspunkt. Bei ortsnamen kommt die komplizierte exonymproblematik ins spiel. Einfach sind Praha/prag, Milano/mailand, aber oft ist es schwer zu entscheiden, zu welcher sprache ein name gehört und, wenn er nicht deutsch ist, ob es eine deutsche form gibt und ob diese allgemein, lokal oder gar nicht gebräuchlich ist. Manchester hat keinen deutschen namen, wäre also im deutschen klein zu schreiben. Raron (mit dem grab Rilkes) ist entgegen einer weit verbreiteten meinung deutsch (frz. Rarogne). Martigny (Wallis) ist natürlich französisch, aber ist es auch deutsch? Nein, es heisst martinach, aber das ist nur lokal gebräuchlich, also eben doch. Der deutsche name von Lugano ist lauis, aber das ist nicht mehr gebräuchlich. Und wie wäre Kołobrzeg (häufig eingedeutscht durch weglassung der diakritischen zeichen, aber daneben kolberg) zu behandeln?
Mehrteilige namen
Namen können aus mehreren wörtern bestehen, man denke etwa an juristische personen und werktitel. Klar ist, dass das erste wort gross geschrieben wird. Gross geschrieben werden auch wörter innerhalb des namens, die auch sonst gross geschrieben werden. Dazu bestimmen die bisherigen regeln (vor und nach der neuregelung, jetzt § 60), dass «alle weiteren wörter ausser artikel, präpositionen und konjunktionen gross» zu schreiben sind, also Karl der Grosse, Institut für Deutsche Sprache. Die schöpfer der 1996er regelung sahen das auch für die nicht verwirklichte variante mit substantivkleinschreibung vor.
Bei substantivgrossschreibung stellen die substantive innerhalb von namen kein problem dar. Hingegen wird die schreibung von adjektiven uneinheitlich gehandhabt: Institut für Deutsche Sprache gegenüber Gesellschaft für deutsche Sprache. Der duden stellte bis 1991 hilflos die «regel» auf, dass «die Schreibweise wechselt». Für diesen fall sagt der leipziger duden (1989) etwas präziser: «Nicht zum wesentlichen Substantiv gehörige Adjektive innerhalb eines Titels oder Eigennamens werden häufig klein geschrieben Vereinigung der gegenseitigen Bauernhilfe.» In druckereien galt in diesem sinn die regel, dass adjektive, die «zu einem grammatisch untergeordneten Substantiv» und nicht zum «regierenden Hauptbegriff» gehören, klein geschrieben werden (Gubler 1978). Der duden sieht die kleinschreibung nicht mehr vor; er macht nur bei den beispielen auf den sonderfall aufmerksam: «Aber: Gesellschaft für deutsche Sprache».
Dagegen wird im BVR-vorschlag das prinzip, dass der erste buchstabe gross ist, ohne umschweife auf die wortgruppe angewandt: Bund für vereinfachte rechtschreibung, Arbeitsgemeinschaft der rundfunkanstalten Deutschlands. Eine eigene regel ist nicht nötig; damit gewänne man (fast) nichts (eine mechanisch anwendbare regel ist nicht besser als gar keine), verliert aber die eigennamengrossschreibung (bzw. substantivgrossschreibung) innerhalb des mehrteiligen namens. Wenn das zu schwierig ist (das «fast» im vorherigen satz bezieht sich auf fälle wie Gelber fluss / Kleines Matterhorn), dann ist die grossschreibung auch sonst zu schwierig.
Das gilt prinzipiell auch in anderen sprachen, wird jedoch sehr oft durch die grossschreibung zusätzlicher bestandteile verkompliziert. Am ehesten kann das italienische als vorbild dienen.
Die praktischen probleme lassen sich gerade in diesem bereich reduzieren, wenn man die grenzen der eigennamendefinition eng zieht, also beispielsweise behörden, ministerien, historische ereignisse usw. nicht einbezieht. (Vgl. BVR-regeln.)
Wer dauernd mit Sprachen zu tun hat, die keine Grossbuchstaben kennen, weiss es zu schätzen, wenn Namen durch dieses einfache Mittel, vielleicht auch inkonsequent, hervorgehoben werden. Ja gerade das Verlangen, Namen von Nichtnamen besser zu unterscheiden, kann ein Grund sein, von der Substantivgrossschreibung zur gemässigten Kleinschreibung überzugehen.