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Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)

berichte → jahresbericht 1993
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Jahresbericht des vorsitzers für 1993

Generalversammlung
Publikationsorgan "Rechtschreibung"

«Wir haben genug der worte und entschliessen uns zur tat. Der Schriftbund sucht auf vielen, auch neuen wegen die rechtschreibe-frage zu lösen.» Seit dieser tat — der gründung des heute als Bund für vereinfachte rechtschreibung bekannten Schriftbunds — sind der worte noch viele gemacht worden. Das zitat aus dem protokoll der gründungsversammlung am 7. september 1924 soll daran erinnern, dass unser bund 70 jahre alt wird.

Allgemeines

Die abschliessende internationale konferenz der politiker in Wien ist einmal mehr verschoben worden; sie ist nun für 1994 zu erwarten. 1993 haben die politiker in den drei deutschsprachigen staaten die vorschläge beraten und erste trends erkennen lassen. Diese sind für das gesamte reformpaket eindeutig positiv — das ist immerhin etwas —, aber für der substantivkleinschreibung sehr negativ. Auch bei der gross-/kleinschreibung muss man anerkennen, dass die politiker den reformbedarf nicht verneinen. Sie sprechen sich nicht für die beibehaltung der heutigen regeln aus, sondern für den vermittlungsvorschlag der «modifizierten grossschreibung». Das ist zwar die variante, die gar niemand will, aber sie bleibt zwangsläufig übrig, wenn man niemanden erzürnen will.

Dass sich die besonders die deutschen mit der kleinschreibung schwer tun, ist nichts neues. Es ist auch ein bisschen verständlich, da sie ja auch noch den brocken s-schreibung haben, an den sie sich gewöhnen müssen. Aus politischer sicht haben die verzögerungen vielleicht sogar ihr gutes. 1994 ist in Deutschland ein «superwahljahr», das durchaus zu besseren voraussetzungen führen kann.

Dagegen ist der entsprechende entscheid der schweizerischen erziehungsdirektorenkonferenz (edk) für uns eine enttäuschung. Sie hat eilfertig so entschieden, wie es die deutschen und die österreicher vermutlich tun, statt in Wien wenigstens zu versuchen, einen schweizerischen standpunkt zu formulieren. Gewiss ist es schwierig, die meinung der «Schweiz» herauszufinden. Aber in bezug auf die «modifizierten grossschreibung» dürfte sie klar sein: Es ist uns trotz intensiver und objektiver aufklärungsarbeit nie gelungen, einen einzigen menschen zu finden, der sich dafür eingesetzt, ja sie überhaupt näher gekannt hätte. (Entsprechend schwierig ist es, dagegen unterschriften zu sammeln.) Folgerichtig wurde der entscheid der edk in der öffentlichkeit überhaupt nicht zur kenntnis genommen. Insofern hätten die erziehungsdirektoren noch eine chance, auf die wir sie anlässlich der überreichung der unterschriftenbogen aufmerksam machen werden.

In den medien wurde 1992 und anfang 1993 gesagt, was zum tema rechtschreibreform zu sagen ist. Somit ist das berichtsjahr sehr ruhig verlaufen. Ein sehr ausführlicher und lesenswerter artikel von Wolfgang Mentrup erschien (in kleinschreibung!) in der deutschen zeitschrift Spektrum der Wissenschaft vom juni. Die Neue Zürcher Zeitung veröffentlichte eine stellungnahme von Max Flückiger samt zwei leserbriefen. Mit einer pressemitteilung, die in der DAZ (früher Volksrecht) abgedruckt wurde, meldete sich märz eine «Beratungsstelle für inhaltbezogene Sprachschulung» in Liestal als anwalt der substantivgrossschreibung zum wort.

BVR

Die generalversammlung fand am 6. februar in Bern statt. Der vorstand traf sich einmal, nämlich im august. Als neue kassierin konnte frau Elisabeth Herold, Zürich, gewonnen werden.

Die unterschriftensammlung geht weiter. Da in der öffentlichkeit nicht viel lief, musste für inserate und zeitschriftenbeilagen verhältnismässig viel geld ausgegeben werden.

Als neues werbemittel, das gerade auch für die unterschriftensammlung eingesetzt werden kann, wurde ein textilabzeichen geschaffen. Für ausstellungen und stände wurden informationsblätter im grossformat erstellt.

An der lehrmittelausstellung anlässlich der lehrerfortbildungskurse des vereins Handarbeit und schulreform im juli in Chur beteiligte sich der BVR wieder mit einem stand, der natürlich auf die unterschriftensammlung ausgerichtet war.

Unser organ Rechtschreibung erschien unter der schriftleitung von René Schild wie gewohnt dreimal im umfang von insgesamt 24 seiten. In nummer 159 berichtete Arne Hamburger über «Apostrofitis auch in anderen sprachen». Abgedruckt wurde ein kritischer leserbrief aus der NZZ samt (in der NZZ nicht veröffentlichter) antwort des schreibenden und einer stellungnahme des geschäftsführers. Beigelegt wurde ein blatt mit der verkleinerten wiedergabe der stand-informationsblätter. Eine weitere nicht veröffentlichte leserbriefantwort des vorsitzers, diesmal für den Tages-Anzeiger bestimmt, sowie ein brief an das Spektrum der Wissenschaft wurden in nummer 160 abgedruckt. Arne Hamburger wies auf einen zuwenig beachteten vorzug der substantivkleinschreibung hin. Derselbe machte sich in nummer 161 aus skandinavischer sicht gedanken zum komma. Unter dem titel «Von allen guten geistern verlassen?!» kommentiert der schriftleiter den entscheid der erziehungsdirektorenkonferenz. Im weiteren wurden artikel von Guido Appius und Arthur Baur wiedergegeben, ebenso NZZ-leserbriefe von Arthur Baur und von Ernst Leisi.

Der mitgliederbestand ist leider erneut etwas zurückgegangen und beträgt nun 1315. Das ist wohl auf die verzögerungen und die «ruhe» in der öffentlichkeit zurückzuführen. Ein blick auf die zusammensetzung unseres bundes: 255 mitglieder sind «lebenslänglich», 12 sind kollektivmitglieder. Nur jedes vierte mitglied ist eine frau!

Im berichtsjahr starben fünf mitglieder: Hans Gerber, Steffisburg (mitglied seit 1972), Fritz Illi, Zürich (1945), Emil Landolt, Näfels (1980), frau Thildi Schuler, Arisdorf (1972) und frau Clara Zschokke, Zürich (1963).

Allen mitgliedern des BVR danke ich für ihre treue. Den vorstandsmitgliedern und anderen helfern danke ich für ihren einsatz. Besondern dank verdient Walter Neuburger, der auf die kommende gv seinen rücktritt aus dem vorstand eingereicht hat. Er hat den BVR geprägt wie kein zweiter. Für seinen endgültigen ruhestand wünschen wir ihm alles gute.

Zürich, 5. februar 1994

Der vorsitzer
Rolf Landolt