Warum hat man den Rechtschreibrat nicht an Ort und Stelle hinter Schloss und Riegel gesetzt, als er Restorant und Butike einführte?
Kommentar 1. 1. 2011.
Warum hat man den Rechtschreibrat nicht an Ort und Stelle hinter Schloss und Riegel gesetzt, als er Restorant und Butike einführte?
Kommentar 1. 1. 2011.
Jahrelange Debatten waren vorausgegangen, alle Argumente waren ausgetauscht, und die Freunde der Glühbirne hatten die Abstimmungen deutlich verloren. Doch es ist wie bei der Rechtschreibreform: Noch lange nach dem Beschluss lässt sich mit alten Argumenten neue Publicity erzielen.
Jüngst sind wir in Zürichs adventlichem Gedränge an der Bahnhofstrasse im Warenhaus Globus gestrandet. […] das bediente Restaurant […] bietet […] eine breitere Auswahl an Gerichten […]. Wir fanden eine Spezialkarte vor, angeschrieben mit «Dezember Menu's». Wie soll der Nachwuchs je die Orthographie kapieren, wenn ihn solche Vorbilder umgeben?
Ja; vgl. auch fundsachen.
Dieses überaus klägliche Ergebnis der jahrelangen Beratungen von immerhin 40 erwachsenen Menschen ist von der Kultusministerkonferenz bereits gutgeheißen worden. Die Politiker wollen von der verheerenden Rechtschreibreform nichts mehr hören. […] Die neuesten Vorschläge des Rechtschreibrats hingegen werden sich immerhin nicht negativ auswirken, sondern überhaupt nicht, da ja schon jetzt niemand „Sutane“ schreibt, wenn er „Soutane“ meint.
Dieses endlose Genöle über die gescheiterte Reform und das renitente Herbeisehnen der Rechtschreibung von vor 1996 grenzt an Obsession.
«Für uns sind die 1000 Euro ein großer Batzen», sagt Lothar Spahlinger, der Vorsitzende des Fördervereins. […] Mit dem Großteile seines Geldes unterstütze der Förderverein die Bibliothek, sagt Spahlinger. «Wegen der Rechtschreibreform mussten alle Bücher ausgetauscht werden.»
Siehe FAZ vom 29. 10. 2009.
Wird der Druck von elektronischen Medien irgendwann so stark, dass sich die Grossschreibung von selbst abschafft? [Christa Dürscheid:] Ich glaube nicht, dass das kommt. Man hätte bei der letzten Rechtschreibereform die konsequente Kleinschreibung einführen können, nahm das aber nicht auf die Agenda, da die Widerstände zu gross waren. Die meisten akzeptieren Kleinschreibung im SMS- oder E-Mail-Verkehr, nicht aber in Zeitungstexten oder Geschäftsbriefen.
Es waren aber die widerstände der rentner, nicht der jugend.
Die mangelnde Geltung der meistgesprochenen Muttersprache Europas in der EU, der Abstieg des Deutschen als Wissenschaftssprache, die Inflation von Anglizismen, die verrenkte Werbesprache, das Türken-, SMS- und Twitter-Missingsch, die Verballhornung der Schriftsprache durch die Rechtschreibreform und nicht zuletzt die Schludrigkeit der Medien im Umgang mit der deutschen Grammatik lassen immer mehr Bürger am Willen und an der Kompetenz der politischen Klasse zweifeln, die Belange kultureller Identität noch wahrzunehmen.
Schon 2005 hatten die Kultusminister dem Rat untersagt, in drei der sechs Teile Änderungen vorzunehmen. Der Rat widmete sich daher nur noch der Frage, gegen welche Neuschreibungen besonders oft verstoßen und welche zugelassenen Varianten nicht genutzt wurden. Deshalb entfällt ein Großteil des Berichts auf statistische Untersuchungen, wobei zu den Schulen nichts gesagt wird.
Dürftig fällt die neue Reform der Reform aus. […] Die Reform ist zum einen gerade einmal so groß, daß neue Wörterbücher zu drucken sind. Zum anderen ist sie jedoch so winzig, daß sie keinen wesentlichen Mangel behebt, wie zum Beispiel den Wirrwarr doppelter Schreibweisen.
Die Forschungsgruppe Deutsche Sprache in Karlsruhe kritisierte den neuen Bericht des Rechtschreibrates und bezeichnete die Empfehlungen als „läppisch“. „Der Rat für deutsche Rechtschreibung empfiehlt in seinem jetzt vorliegenden 2. Bericht, die Malaise mit der “Maläse“ und einigen anderen Zwangseindeutschungen zu beenden, um überhaupt etwas vorweisen zu können. Aber damit bemäntelt er nur die eigene Untätigkeit“, hieß es in einer Mitteilung.
Ausbildungsbetriebe, Gymnasiallehrer und Hochschullehrer klagen einhellig über rechtschreibschwache Schulabgänger. Trotzdem wollen die Kultusminister heute in Brüssel einen Ländervergleich für die Grundschulen im Fach Deutsch unter Ausschluss der Orthographie beschließen.
Die Leidtragenden in diesem Durcheinander sind Schüler und Lehrer. Ein Beispiel: Gemäss Rat für Rechtschreibung darf die Wendung „binnen kurzem“ auch grossgeschrieben werden: „binnen Kurzem“. Gemäss Schülerduden gibt es nur „binnen Kurzem“. In Gallmanns „Richtigem Deutsch“ aber müssen die Schüler „binnen Kurzem“ als falsch erkennen und in „binnen kurzem“ verbessern.
Skandal! Aus unserer sicht gibt es einen trost: Sollte je ein schüler auf die idee kommen, an allen drei genannten orten nachzugucken, kann er immerhin vier wertvolle dinge lernen: 1. Im leben ist nicht immer alles eindeutig vorgeschrieben oder verboten. 2. Manchmal ist etwas heute anders als früher. 3. Ich könnte noch an einem vierten ort nachsehen, z. b. in Grimms wörterbuch, allwo «binnen kurzem» steht, denn … 4. … gegen dieses «durcheinander» würde die eigennamengrossschreibung helfen.
Mit beträchtlichen Kosten wurde die Sprache beschädigt und ein unglaubliches Durcheinander angerichtet.
Die Schweizer Orthographische Konferenz (SOK) erhebt Anspruch auf einen Sitz im Rat für deutsche Rechtschreibung. Dafür sollen jene Schweizer Ratsmitglieder, die an der «gescheiterten» Rechtschreibreform beteiligt waren, abtreten.
Also: Stephan Dové soll abtreten, dafür soll Stephan Dové einziehen.
Anlässlich ihrer Herbsttagung hätten der Basler Erziehungsdirektor Christoph Eymann und sein Nidwaldner Kollege Res Schmid der SOK ihre Unterstützung zugesichert.
Sprache als spontane Ordnung - das hätte man bedenken müssen, als man vor bald 15 Jahren daranging, mit staatlichen Ordnungsvorstellungen in die bisher leidlich funktionierende Entwicklung der deutschen Rechtschreibung einzugreifen und behördlich das sogenannt Richtige zu dekretieren. […] Es wäre nun Zeit, wenn nicht zum Rückzug zu blasen, dann sich wenigstens klammheimlich aus der Peinlichkeit des Versagens zurückzuziehen und die weitere Entwicklung der privaten Seite zurückzugeben. Die dafür geeigneten Strukturen gibt es bereits; in der Schweiz ist es die rührige Schweizer Orthographische Konferenz (SOK), ein Zusammenschluss von berufenen Sprachexperten. […] Die Geschichte der gescheiterten Rechtschreibereform lädt zum Weiterdenken ein.
Siehe stellungnahme.
Ihre Zeitung, damit meine ich die F.A.Z. insgesamt, die sich vor einiger Zeit der neuen Rechtschreibung verschlossen hatte und damit sehr elitär auftrat, muss auch an sich selbst die höchsten Ansprüche stellen, Also bitte: nicht dem Zeitgeist folgen und schlampen, sondern lieber noch mal durchlesen, was man rausgibt!
Allerdings irrt er, wenn er schreibt, „das“ und „dass“ würden gleich ausgesprochen. Der Artikel wird mit einem langen a gesprochen, die Konjunktion hingegen mit einem kurzen. Eines der wenigen Verdienste der jüngsten Rechtschreibreform besteht in der Klarheit, dass nach langen Vokalen beziehungsweise Diphthongen ein einfaches s geschrieben wird, nach kurzen Vokalen jedoch ein „ss“ folgt, „ß“ erfordert ebenfalls einen vorhergehenden langen Vokal beziehungsweise Diphthong.
Es wäre eines der vielen verdienste, trifft aber hier nicht zu, da „das“ und „dass“ wirklich gleich ausgesprochen werden.
Der Artikel besagt aber auch, dass das ß „keinen Großbuchstaben zur Seite hat“. Doch, es gibt ihn seit einigen Jahren […], und mit ganz guten Gründen, zum Beispiel der eindeutigen Schreibung von Eigennamen.
Wieso aber meinen Sie, man könne mit diesem Kuriosum „ß“ nicht leben? Es hat mit irgendeiner -tümelei nichts zu tun, es gehört zu uns wie der angeblich immer blau-weiße bayrische Himmel.
Ich bin ein Riesenfan des scharfen S, auch Scharf-S, Buckel-S oder Eszett genannt. Ich finde es schön, dass wir im Deutschen einen Buchstaben im Alphabet haben, der einzigartig ist. […] Umso trauriger war ich, als die Rechtschreibreform 1996 vielen Eszetts an den Kragen beziehungsweise an den Buckel ging.
Er befasste sich intensiv mit der Rechtschreibreform, was sich in seinem Buch „Groß- und Kleinschreibung“ bei Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen schon 1974 niederschlug, […].
La i griega será ye, la b será be (y no be alta o be larga); la ch y la ll dejan de ser letras del alfabeto; se elimina la tilde en solo y los demostrativos (este, esta...) y en la o entre números (5 o 6) y quorum será cuórum, mientras que Qatar será Catar. La nueva edición de la Ortografía de la Real Academia Española, que se publicará antes de Navidad, trata de ser, como dice su coordinador, Salvador Gutiérrez Ordóñez, "razonada y exhaustiva pero simple y legible". Y sobre todo "coherente" con los usos de los hablantes y las reglas gramaticales. Por eso el académico insiste en que plantea innovaciones y actualizaciones respecto a la anterior edición, de 1999, pero no es, "en absoluto" revolucionaria. Gutiérrez Ordóñez se resiste incluso a usar la palabra "reforma".
Der Germanist Karl-Heinz Göttert legt eine Geschichte der deutschen Sprache vor: voller Anregungen, leicht lesbar, politisch weitherzig, aber nicht ohne Fehler. […] Die einzigen unsachlichen Ausfälle in seinem ansonsten angenehm entspannt geschriebenen Sachbuch treffen dann auch die Rechtschreibreform: Eben weil sie ein normierender Eingriff von oben war […].
Er war der Grandseigneur der holländischen Literatur: Der Schriftsteller Harry Mulisch (83) ist in Amsterdam gestorben. […] Mulisch erfüllte nicht nur als Erzähler seine Pflicht, sondern auch als politischer Intellektueller comme il faut. Als guter Linker engagierte er sich für die 68er und die Amsterdamer Provos, die Antiatom- und Friedensbewegung, gegen die Rechtschreibreform und für die Aussöhnung zwischen Deutschland und Holland.
Seit 14 Jahren existiert nun schon die sogenannte neue Rechtschreibung. Reform folgte auf Reform.
Die Reformer haben, wie sie sagten, die Absicht, «die Schreibung vom Transport semantischer Informationen zu entlasten». Damit wird Schreiben sinnlos; wer schreibt, will doch gerade semantische Informationen weitergeben. Die Reformer lassen die Autoren nicht mehr ausdrücken, was sie ausdrücken wollen. […] Erich Kästner: «Notabene 45». Die Wirtschafterin kämpfte in der Küche wie ein Löwe. Doch sie brachte die heißersehnten und heiß ersehnten Bratkartoffeln trotzdem nicht zustande.
Da wäre eben ein minimales verständnis des durch die erfindung der buchstabenschrift zwingend vorgegebenen schichtenmodells nötig. Ein paar exotische beispiele, die als zeugnisse dichterischer freiheit in alle ewigkeit weiterbestehen können, ändern nichts am prinzip, dass schreibung keine bedeutung transportieren soll und dass das auch für die allerwenigsten schriftsteller ein problem ist. Aber selbst wenn es keine rechtschreibreform gäbe: Ein schriftsteller kann nie sicher sein, dass seine feinheiten in alle ewigkeit die entwicklung von sprache und schreibung überdauern.
Bis eines Tages, hoffentlich, der Sprachfriede im Land und zwischen den Ländern wiederhergestellt sein wird. Und die Sprache auf wieder gesichertem Boden wieder weiterwachsen kann, wie es ihr selber richtig erscheint.
Toll, dass die selbstbewusste sprache dem selbstbewussten schriftsteller verrät, was ihr selber richtig erscheint.