S. Stirnemann, rechtschreibreform.com, 20. 4. 2002
Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
dreikonsonantenregel
Geschichte
Amtsblatt der Stadt Zürich, 9. 1869 |
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Schifffahrt. |
Konrad Duden, Zukunftsorthographie, 1876 (= I. ortografische konferenz) |
§ 5. Die Verdoppelung unterbleibt […] c) In den zuſammengesetzten Wörtern dennoch und Mittag, ſowie auch in Brenneſſel, Schiffart. Man vermeidet in ihnen das Zuſammentreffen dreier gleicher Konſonantenzeichen, die man jedoch in weniger gebräuchlichen Wörtern zuläſst, z. B. in allliebend, Schallloch, Schnellläufer, Stillleben, Zolllinie, Schwimmmeiſter, Stammmutter, Stimmmittel, Betttuch u. ſ. w. |
Abgrenzung nach häufigkeit. |
Konrad Duden: Vollständiges Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 1880. |
![]() In betreff des Zusammentreffens dreier gleicher Konsonantzeichen in zusammengesetzten Wörtern folgt das Wörterbuch der preußischen Regel. Nach dieser schreibt man dennoch, Dritteil, Mittag, Brennessel, Schiffahrt. In allen übrigen Wörtern, in welchen durch Zusammensetzung drei gleiche Konsonanten zusammentreffen, behaupten alle drei ihren Platz; z. B. Betttuch, Schwimmmeister. Das bayerische Regelbuch schreibt vor, daß in allen Wörtern, in denen durch Zusammensetzung drei gleiche Konsonantzeichen zusammenstoßen würden, eins auszulassen sei; also z. B. auch Schalloch, Bettuch, Kammacher; aber Rückkehr, Schutzzoll. |
«Urduden»: wie I. ortografische konferenz. |
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Betttuch, Schiffahrt, Stillleben. |
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inserat in einer zürcher zeitung, 8. 1891 |
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Schifffahrt. |
Konrad Duden: Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 1904. |
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Es handelt sich um eine typografische, durchaus nicht zwingende sparschreibung. |
Konrad Duden: Orthographisches Wörterbuch der deutschen Sprache. 1915. XII. |
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Eine folge der verschmelzung des allgemeinen Orthographischen Wörterbuchs und des so genannten buchdruckerdudens: Die regelung wird strikter. |
Vorschlag «kleine rustsche reform». 1944. |
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Ausweitung der regel. |
Heinz Erich Walter, korrektor, Sprachspiegel, 7. 1966. |
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Ortografie oder typografie? |
Lutz Mackensen: Deutsche Rechtschreibung. 1968. |
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Wieder die ausweitung der regel. |
Duden, die deutsche Rechtschreibung. 20. auflage, 1991. R 204. |
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Zwingende regeln für immer mehr spezialfälle bei unveränderter grundlage, der amtlichen regelung von 1902. |
Neuregelung von 1996. |
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Die regel entfällt. |
Duden, die deutsche Rechtschreibung. 21. auflage, 1996, s. 63. R 136. |
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«Nichtregel» für die übergangszeit im sinn von: «Wo es buchstaben hat, darf man keine weglassen.» |
Duden, die deutsche Rechtschreibung. 22. auflage, 2000, s. 88. K 169. |
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«weiterführende Hinweise, Erläuterungen oder Empfehlungen zu bestimmten rechtschreiblichen oder anderen Zweifelsfällen» |
Zitate zur neuregelung von 1996
David Weiers, oculis-vigilantibus.com, 27. 7. 2010
Im 19. Jahrhundert war das Ausschreiben aller drei Konsonanten des Kompositums tatsächlich aktuell. Aber das ist lange her. Durch Assimilation ging nämlich der dritte Konsonant im Kompositum verloren, wenn ihm ein Vokal folgte. […] Man tut gut daran, getreu dieser Entwicklung auch weiterhin zu verfahren […]. Der Reformer (als solcher Weltverbesserer faschistoid-chauvinistischer Ausrichtung) denkt nämlich folgendermaßen: „Trenne ich mit drei Konsonanten (Brenn-nessel), dann ist es doch nur logisch, auch ohne Trennung Brennnessel zu schreiben.“ Aber er fragt sich nicht, warum dieser Weg auf einmal logischer sein soll als der Lauf der „natürlichen“ Entwicklung. Und vor allem fragt er sich nicht, warum die Entwicklung auf einmal grundlos zurückgedrängt werden soll. Weshalb wir uns fragen: Was soll der Unsinn?!
Mannheimer Morgen, 29. 7. 2000
Der Schriftsteller Ralph Giordano […] wird mit den Worten zitiert: "Bravo, bravissimo! — endlich ein Ende mit dem Klamauk der so genannten neuen Rechtschreibung. Schifffahrt mit drei 'f'? Nur über meine Schriftstellerleiche!" Dass er zuvor schon die Sauerstoffflasche mit drei 'f' schreiben musste, hat seine Tätigkeit aber offenbar nicht beeinträchtigt.
Matthias Heine, Welt am Sonntag, 9. 10. 2011
Darüber, dass man in zusammengesetzten Substantiven jetzt immer dreimal denselben Konsonanten hintereinander schreiben muss - "Schifffahrt", "Balletttänzerin" -, regen sich wohl nur noch Rechtschreib-Taliban auf. Denn so etwas musste man auch schon vorher machen, wenn auf den Mehrfachkonsonanten ein weiterer Konsonant folgte und das Wort an dieser Stelle getrennt oder gekoppelt geschrieben wurde wie in "Ballett-Truppe" oder "Schiff-fracht". Hier ist das Regelwerk also ein bisschen leichter und logischer geworden.
Die gegner verteidigen etwas, was sie nicht kennen:
Max F. Ruppert, Die Welt, 10. 2. 1999
Ingeborg Krupar, Die Welt, 19. 2. 1999
leserbrief zu "Bei Rechtschreibproblemen hilft das Grammatische Telefon"
Nordkurier-Online, 2. 8. 1999
Bei "Pappplakat" sträuben sich dem Kulturamtschef die Haare. Die Rechtschreibreform auf dem Weg in die Amtsstuben - doch willkommen ist sie dort nicht
Doch Jakubzik bemängelt an der neuen Sprachvorschrift nicht so sehr die Reibungsverluste der Umstellung. Seine Kritik zielt tiefer: "Diese sogenannte Reform ist völliger Quatsch. Eine unausgegorene Sache, die niemandem nützt und zu einem Sprachchaos führt", wettert der studierte Deutschlehrer, der die Aktion persönlich als halbherzig und im Sinne der Sprachentwicklung rückschrittlich ablehnt. "Wenn ich Wörter wie Pappplakat lese, sträuben sich mir die Haare."
Wie hat der kulturamtschef Pappplakat vorher geschrieben?
Carolin Mülverstedt, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 29. 7. 2000
Großes Erstaunen löst häufig auch die Erkenntnis aus, dass „Kunststoffflasche” schon bisher mit drei „f” zu schreiben war […].
Ralph Giordano, Südwest Presse, 29. 7. 2000
newsclick.de (Braunschweiger Zeitungsverlag), 15. 9. 2000
Ihre Lehrer sind zwei Jahre nach der verbindlichen Einführung der neuen Rechtschreibung im Unterricht immer wieder aufflackernde Diskussionen um Tip oder Tipp, Papplakat oder Pappplakat leid. […] Der stellvertretende pädagogische Leiter der Kreisvolkshochschule (KVHS) erlebt in Kursen zum zweiten Bildungsweg, dass sich Schreibweisen wie Pappplakat gut vermitteln lassen, Zusammen- und Getrenntschreibung aber weiterhin Probleme bereiten.
Es ist erfreulich, dass sich Pappplakat gut vermitteln lässt. Man hat es ja auch schon immer so geschrieben. Es ist wohl wirklich so: Eine rechtschreibreform lässt sich höchstens dann vermitteln, wenn sich nichts ändert.
Karl-Heinz Reith, Südkurier, 1. 8. 2003
Reinhard Kahl, Universitas, 10. 2004
Zum Beispiel Peter Müller, Ministerpräsident in Saarbrücken. Der frisch erweckte Orthografiepopulist bekennt, wie froh er nun sei, bald wieder „Sauerststoffflasche“ mit einem f weniger schreiben zu dürfen. Falsch, Peter. Setzen! Auch nach den Regeln seiner alten Schreiborthopädie müssen hier drei f sein […].
Ulrich Wickert, ARD-«tagesthemen», 3. 6. 2005, 23:10
Trotzdem, eins verspreche ich Ihnen, meine Damen und Herren: Solch einen Schwachsinn wie Schiffahrt mit drei f und Ballettruppe mit drei t werde ich nie schreiben, selbst wenn ich dann eine schlechte Note bekomme.
Wenn «mister Tagesthemen» bisher «Ballettruppe» mit 2 t geschrieben hat, hat er kaum gute noten bekommen.
Ursula Bredel, Deutsche Sprache, 2. 2020
Lernende und Lehrende […] wurden von der Reform kalt erwischt. […] In den ohnehin wenigen Unterrichtsstunden rückten die reformkritischen Fälle ins Zentrum. Grundschüler/-innen lernten, dass man <Sauerstoffflasche> jetzt mit drei <f> schreibt, obwohl ihnen die vorher geltende Geminatenreduktion noch gar nicht bekannt war.
Komposita mit namen
- tal der Glatt (kanton Zürich, Schweiz): Glatthal → Glattal → Glatttal
- tal der Rott (nebenfluss des Inns in Niederbayern): Rottal → Rotttal
- nach der burg Nydegg benannte gasse (Bern, Schweiz): Nydeggasse → Nydegggasse
Problem: Die komposita werden oft als eigennamen betrachtet; dazu kommt die falsche meinung, dass sich alle arten von namen nicht nach der rechtschreibung zu richten haben. Konsequenz: Da sich die frühere regel für die worttrennung am zeilenende nicht aufrecht erhalten lässt, muss Glat-tal, Rot-tal und Nydeg-gasse in kauf genommen werden:


Kommunikationsabteilung des regierungsrates des kantons Zürich, medienmitteilung, 5. 12. 2002
Jakob Bächtold, Der Landbote, 26. 1. 2002
Ankunft mit leichter Verspätung. [Glattalbahn]
Bund für vereinfachte rechtschreibung