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Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)

presseartikel → 11.–12. 2000
nachgeführt , 2021-12-26
ortografie.ch ersetzt sprache.org ortografie.ch ersetzt in zukunft sprache.org

Aus presse und internet

31. 12. 2000

99 Zeilen Schwerk. Im Gedenken an einen journalistischen Meister des heute endenden Jahrhunderts. Der Tagesspiegel, , Berlin, Stadtleben
Als die schlimmste Zumutung in meinem Berufsdasein empfinde ich die Rechtschreib­reform.

30. 12. 2000

: Apropos. Wie eh und je. Die Südostschweiz, regionalausgabe Glarus, , nr. 305, s. 2, ressort Glarnerland
Was werden die Geschichtsforscher des Jahres 3000 sagen, wenn sie ihren Leuten das Jahr 2000 erklären? […] Oder das seltsame Bemühen um eine abgeänderte Rechtschreibung (in jener urvordenklichen Zeit nämlich, als es noch Leute gab, die ganze Sätze niederzuschreiben pflegten).
: Vom „tropfenden Geschlecht" bis zum „Wasser auf die Wunden des Publikums". Auch im Jahr 2000 geisterten wieder viele Stilblüten und „gepökelte Menschen" durch unsere Zeilen. (Zeitungsgruppe Lahn-Dill online),
Wofür eigentlich die Rechtschreib-Reform gut war, frage sicher nicht nur ich mich des öfteren – wahrscheinlich hat man nur den kleinsten gemeinsamen Nenner gesucht, weil gutes Deutsch in Zeiten des galoppierenden SMS-Schwachsinns sowieso obsolet ist. Am Gymnasium in Herborn (Lahn-Dill-Kreis) beispielsweise, so will mir manchmal scheinen, hat noch nie einer den Unterschied zwischen „das" und „daß" gewusst, und seit dem Wegfall des „Buckel-S" weiß ihn erst recht keiner mehr . . .

Der unterschied ist ja immer noch da. Aber die grammatik ist nicht dazu da, dass man sie ständig «weiss». «Das» als artikel, demonstrativ- und relativpronomen ist auch nicht dasselbe; «weiss» man das jedes mal, wenn man es liest oder schreibt?

29. 12. 2000

: Leseland Schweiz. 14 000 neue Titel. Der Landbote, , 164. jg., nr. 303, s. 25, Kultur
Am stärksten abgenommen hat dagegen die Zahl der neuen Schulbücher. Der Rückgang ist vermutlich der abgeschlossenen Anpassung an die Rechtschreibreform zuzuschreiben.
: "Wir haben unseren Server nach Japan verlegt …" Wie Neonazis das Internet als Propaganda-Instrument nutzen. Hamburger Abendblatt,
"Unser Hass ist das Ergebniss dieser kranken Gesellschaft", so lautet der gescheiterte Versuch der Autoren, die neue Rechtschreibung anzuwenden. An anderer Stelle der mit dumpfer, rassistischer Gewalt gefüllten Website wird das Wort "vor" mit f geschrieben.

28. 12. 2000

: Deutsch wird Deutschen zur Fremdsprache. Modern Talking: Nachplappern statt mitreden. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , nr. 301, s. 14, Zeitgeschehen
Sogar CDU und CSU stimmen in den Chor der Sprachschützer ein. Ihnen ist die Kritik an der von oben verordneten Rechtschreibreform peinlich, und um davon abzulenken, sagt die Union, es gebe Wichtigeres als die Rückkehr zur alten Rechtschreibung, zum Beispiel den Widerstand gegen die Verhunzung der deutschen Sprache durch Anglizismen.
: Rechtschreibreform bleibt unter Beschuss. Stuttgarter Nachrichten, , Hintergrund
Auch zweieinhalb Jahre nach Einführung der Rechtschreibreform sind ihre Kritiker nicht verstummt. Während man sich in Schulen und Behörden mit den neuen Regeln abgefunden hat, fahren die Reformgegner unentwegt schwere Geschütze auf.

27. 12. 2000

: "Eine von Trotteln verursachte Katastrophe." (Rheinische Post), , Wissenschaft
Der Vorsitzende der Zwischen­staatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung, Gerhard Augst, warnt indessen vor Ver­unsicherungen. Die Reform sei im all­gemeinen gut angenommen worden, sagte er der AP. […] Die Reform habe gezwungener­maßen einen recht kleinen Umfang, weshalb es un­verständlich sei, wenn ihre Gegner gleich die Kultur des Abend­landes in Gefahr sähen, meint der Professor. […] Eine Reform der Reform wiederum würde nicht nur er­hebliche Kosten ver­ursachen, sondern hätte auch eine vollkommene Ver­unsicherung der Bevölkerung zur Folge.
Digitaler Postillon d’Amour. Wissenschaftler entdecken Sprache der Liebe in elektronischer Post. Süddeutsche Zeitung, , Wissenschaft
Korrekte Rechtschreibung und schulgrammatischer Satzbau spielen kaum eine Rolle. Strenge Kleinschreibung gehört ebenso zu den Auffälligkeiten wie Ausdrücke aus der Umgangssprache und regionale Besonderheiten.

26. 12. 2000

: Gleichschaltung damals und heute. , , Kommentar
Es ist höchste Zeit, daß die ideologischen nationalsozialistischen und sozialistischen Quellen und totalitären Wurzeln der heutigen Rechtschreibreform und der ideologischen Gleichschaltung aufgedeckt werden. Damit sich die Geschichte nicht wiederholt, ist es notwendig, über die Themen „NS-Sprachpolitik“, „Rasse und Sprache“, „Verbot der deutschen Schrift im Jahre 1941“, „Gleichschaltung der deutschen Rechtschreibung“ und „Germanisierung der Schreibweise von Fremdwörtern“ aufzuklären und über die Verstrickung mancher Sprachwissenschaftler in Hitlers Rassen- und Lebensraum-Ideologie und Planung des Deutschen als einer Herrschaftssprache zu informieren. Ganzer artikel.

23. 12. 2000

: Schampanjer, Konjak und Nazis. Die deutsche Rechtschreibung war Sache des Führers. Die Südostschweiz, , nr. 301, s. 10, ressort Ausland
Der Bund, 2000-12-16
: "Betrogene Generation" lernt das ABC. Ältere Russland-Deutsche konnten weder lesen noch schreiben — Kurs bei der Caritas im kleinen Kreis. , , Aichacher Nachrichten
Wegen der Rechtschreibreform ausgediente Fibeln der Grundschule Aichach-Mitte helfen weiter.
: Wie Karpfen Max durch den Abfluss verschwand. Eine Weihnachtsgeschichte. (Nordkurier-Online),
Hinerk war an der Schule eher mäßig interessiert. Er konnte gut lesen und rechnen, schrieb aber eine Schrift, die an Graffiti-Schnörkel erinnerte[,] und benutzte eine ganz eigene Orthografie, die einem Geheimcode ähnelte, jedoch nach der letzten Rechtschreib-Reform nicht mehr soweit hervorstach.

21. 12. 2000

neu : Zum Brief von Günther Drosdowski. Gegen künstliche Erregung und falsches Pathos. , , Kommentar (679 wörter)
[…] er [Drosdowski] fährt dann fort: „... und füge ergänzend hinzu, daß ich heute jeder Reform unserer Recht­schreibung abhold bin und nur noch eine ‚pflegliche Aktualisie­rung‘ für ver­nünftig halte.“

«Pflegliche aktualisierung» – das ist doch genau das, was wir wollen.

20. 12. 2000

: Verständlich, aber nicht erwünscht. «Orthographie im Schlamassel», 14.12.00. St. Galler Tagblatt, , Forum
Dem Autor ist es gelungen, in seinem prägnanten Artikel zu zeigen, dass und warum die Orthographiereform gescheitert ist.
: Merry XXX-Mas. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , s. 57, Stil
Das "X" bedeutet die Rückverwandlung der Buchstaben- in die Silbenschrift. Es ist nicht Chiffre, nicht Schrift, sondern Klang, heißt meist "extra" oder "ex-" oder "ix-". […] "X-Mas" ist ein Wunsch so heilig wie lustig, so antik wie modern. Schon immer war alles, was sich mit "X" schrieb[,] unseriöser, lustiger: Faxen, feixen, fixen. Endlich scheint sich das Volk selbst eine Rechtschreibreform verordnet zu haben.
: Zum „Wort des Jahres“. Hamburger Abendblatt, , Leserbrief
Die Geschäftsführerin hatte ja auch schon vorab verkündet, ein Wort wie „Rechtschreibreform“ komme als Kandidat nicht in Betracht. Deutlicher kann die Voreingenommenheit nicht zum Ausdruck kommen.
: Deutsche Sprachwelt. Unterschriftenliste des Volksbegehrens offenbar nach Österreich verkauft. taz Bremen, , nr. 6327, s. 22
Wie kommt ein schwer volkstümelnd und am rechten Rande schrammender Verlag an die Adressen aus dem bremischen Volksbegehren?
: Zur postumen Veröffentlichung eines Briefes von Prof. Drosdowski im Internet. , , Kommentar
Der Brief des kürzlich verstorbenen Prof. Drosdowski gehört faksimiliert in unsere drei großen Tages­zeitungen, und zwar ohne diskrete Auslassung der Namen. Das Internet ist durch die […] Un­seriosität längst so diskreditiert, daß es nicht als Medium für die Ver­breitung eines derart be­drückenden Briefes benutzt werden sollte. Ganzer artikel
: Prof. Ickler mißbraucht das Vertrauen eines Toten und beschädigt dessen Ansehen. , , Kommentar
Man kann es nur als einen un­geheuerlichen Vertrauens­bruch ansehen, wenn Prof. Ickler hier einen Brief des ver­storbenen Prof. Drosdowski ver­öffentlicht, den dieser ihm 1996 hand­schriftlich, privat und in einer Situation, von der wir heute nichts mehr wissen, hat zukommen lassen. Noch dazu be­inhaltet dieser Brief Aussagen, die Prof. Drosdowski sicher selbst in der Öffentlich­keit gemacht hätte, wenn er gewollt hätte, daß sie so bekannt werden.

19. 12. 2000

: Das Bewußtsein schärfen, den Stil verfeinern. Ein Sprachpfleger legt Rechenschaft über sein Wirken ab. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , nr. 295, s. 16, Zeitgeschehen
Wenn sie schon nicht auf Einwände vieler Schriftsteller, Lehrer und Journalisten hörten, so hätten sich die "Reformer" des Rates derer versichern sollen, die mit der Sensibilität der Bevölkerung in Sprachfragen vertraut sind. Einer davon ist Uwe Förster, der 34 Jahre den Sprachberatungsdienst der Gesellschaft für deutsche Sprache (GfdS) in Wiesbaden leitete […]

Tragik der geschichte: Man hätte die fragen sollen, die sich für die angelegenheit «nur wenig interessieren» (General Anzeiger, 20. 9. 2000, Wiesbadener Tagblatt 20. 9. 2000). Damit ist nichts gegen Uwe Förster gesagt, im gegenteil.

: "Die Schrift ist fürs ganze Volk da." Wie Konrad Duden vor 100 Jahren seine Rechtschreibreform betrieb. Die Welt, , nr. 296, s. 31, Feuilleton
In der aktuellen Diskussion um die reformierte Rechtschreibung wird die bisherige Orthografie in ihrer Version von 1901 gehandelt, als sei sie das Nonplusultra einer möglichen Schreibkonvention. Dass die preußische Orthografie ein Kompromiss war, um ihre Kodifizierung 30 Jahre lang erbittert gestritten wurde und sie im Ergebnis zweifelhaft und unbefriedigend war, wird dabei oft übersehen.

18. 12. 2000

: «So wie sie wirklich war und ist.» Leserbrief: «Ebenfalls Fehler», 15.12.00. St. Galler Tagblatt, , Forum
Mein «Rechtschreibwörterbuch» ist das erste seiner Art, das die bewährte Rechtschreibung so darstellt, wie sie wirklich war und ist, also nicht so, wie der Duden sie haben wollte.
: Immer mehr verunsichert. St. Galler Tagblatt, , Forum
Die Verantwortlichen für die irreführende Rechtschreibreform (vermutlich gelangweilte Beamte in irgendeiner Erziehungsbehörde) hätten ihre Zeit besser damit verbracht, etwas für die Bildung der Bevölkerung bei der alten Rechtschreibung (die so schlecht gar nicht war) zu tun - vorausgesetzt, sie kannten die Regeln auch wirklich!

16. 12. 2000

: Nazis wollten Schampanjer. Das aktuelle Buch. Der Bund, , nr. 295, 151. jg., s. 4, Ausland
Kritiker des Buchs betonen, dass Reformvorschläge wie Kleinschreibung, Eindeutschung der Fremdwörter und Änderungen einzelner Buchstaben keine nationalsozialistische Erfindung seien, sondern schon zuvor Bestandteil von Reformbemühungen waren. Die Kontinuität zwischen 1944 und heute sei grösser als zwischen 1932 und 1944, entgegnet Birken-Bertsch.

Es dürfte noch manche dinge geben, bei denen die kontinuität zwischen 1944 und heute grösser ist als zwischen 1932 und 1944, denn es ist eine eigenheit der geschichte, sich vorwärts zu entwickeln. — stellungnahme.

: Günther Drosdowski gestorben. (Darmstädter Echo, Echo Online),
Drosdowski, der der Kommission angehörte, die jahrelang an der Reform der Rechtschreibung gearbeitet hatte, warb immer für eine „kleine Reform der Vernunft“.
: Bittere Erkenntnis. Günther Drosdowski über die Rechtschreibreform. , , Kommentar
Was Günther Drosdowski, der er­fahrenste deutsche Wörterbuch­macher, über die Rechtschreib­reform dachte, hat er mir in einem hand­schriftlichen Brief vom 10.11.1996 an­vertraut. Darin heißt es u. a.: „Ich habe mich mit meinen Vor­stellungen von einer ver­nünftigen Neu­regelung nicht durch­setzen können, bin immer über­stimmt worden […]“

Weiter: Günther Drosdowski

15. 12. 2000

: Ebenfalls Fehler. [Zu:] «Neues vom Spinnefeind», 14. 12. 00. St. Galler Tagblatt, , nr. 294, s. 11, Forum
Das Wörterbuch dieses Germanistik-Professors enthält aber ebenfalls grammatikalische Fehler.
: Historisches Vorbild. Studie: Rechtschreibreform und Nationalsozialismus. Junge Freiheit, , nr. 51, s. 11, Kultur
In einer sehr materialreichen und ausgezeichnet recherchierten Untersuchung, veröffentlicht durch die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung, haben die beiden Germanisten Hanno Birken-Bertsch und Reinhard Markner das Thema Rechtschreibreform und National­sozialismus behandelt. […] Wie sehr diese Rechtschreibreform einem "Staffellauf" gleicht, bei dem der "Stab unabhängig davon weitergereicht wurde, ob in Deutschland eine Monarchie, eine Diktatur oder eine Demokratie den Herrschaftsrahmen abgab", hat Kurt Reumann in seiner Chronik "Die ungeliebte Rechtschreibreform" aufgezeigt. Darin verweist er auf die Geschichte der deutschen Rechtschreibreform seit 1876. Seit der Gründung des "Bunds für vereinfachte Rechtschreibung" im Jahre 1924 taucht in regelmäßigen Abständen die Forderung nach einer Kleinschreibung von Substantiven auf. Bis in die Gegenwart bemüht man sich darum, der gesprochenen Sprache einen Vorzug gegenüber der Schriftsprache einzuräumen, da diese ein Privileg der Gebildeten ist.

Danke für die erwähnung! «Seit» ist allerdings nicht korrekt.

: 55 Anwärter für «Wort des Jahres». Offenbach-Post, , Unterhaltungsmeldungen aus aller Welt
«Rechtschreibreform» werde mit Sicherheit nicht Wort des Jahres 2000. «Die Neuregelungen haben sich seit ihrer Einführung in den Schulen längst durchgesetzt und bewährt», sagte die GfDS-Geschäftsführerin. Die Rückkehr der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» (FAZ) zu den Regelungen vor der Reform bezeichnete sie als «Strohfeuer». Kritik an der Reform sei «Schnee von gestern». Reaktionen aus der Bevölkerung zu diesem zeitweiligen Reizthema, die bei der Sprachgesellschaft eingingen, seien mittlerweile ganz überwiegend positiv.

14. 12. 2000

: Orthographie im Schlamassel. Eine Streitschrift in der alten Rechtschreibung. St. Galler Tagblatt, , nr. 293, s. 17, Wissen
Unsere Rechtschreibung ist in Verwirrung geraten. Ursache ist eine Reform, die in Deutschland heftig umstritten ist. […] Da nicht nur die materiellen Kosten dieses fragwürdigen Unternehmens enorm sind, wäre eine Diskussion auch bei uns hoch an der Zeit.
: Neues vom Spinnefeind. St. Galler Tagblatt, , nr. 293, s. 17, Wissen
Wer eine Alternative zum Duden sucht, findet übrigens eine von Theodor Ickler.
: Vom Unwahren im Falschen. Schluss mit dem Kauderwelsch, das einem aus sämtlichen Medien entgegenschwillt! Die Zeit, , nr. 51, 55. jg., s. 55, Feuilleton
Kleiner Vorschlag: Statt des großen Krieges, ob wir nun alle nicht mehr oder vielmehr doch ganz unbedingt Potenzial statt Potential schreiben wollen/sollen/dürfen — sich bitte etwa zu erinnern, dass wegen den Genitiv regiert, […].

13. 12. 2000

Beamte: Gebärdensprache lernen. Edison soll endlich Schadenersatz zahlen — Zahlreiche Beschlussanträge abgelehnt. Dolomiten, , Allgemeines
Zahlreiche Beschlussanträge standen gestern im Landtag an. […] Weiter in Kraft bleibt auch die Rechtschreibreform. Pius Leitner (Freiheitliche) hatte gefordert, die Reform so lange auszusetzen, bis im gesamten deutschen Sprachraum eine einheitliche Vorgangsweise sichergestellt sei. Das führe nur zu verstärkter Konfusion, argumentierten die Gegenredner.

12. 12. 2000

: "Ich war der einzige Bremser, Korrektor der Rechtschreibreform." Die Presse, , Kultur/Medien
Sie äußerten gröbere Bedenken gegen die Rechtschreib­reform. In Österreich machte man sich Hoffnungen, daß wenigstens der Freistaat Bayern das bis heute umstrittene Regelwerk bremst. Es wartete wohl auch die damals neue Unterrichts­ministerin Gehrer bis zuletzt auf das Votum Bayerns. Sie haben aber letztlich kapituliert. Warum? — Zehetmair: […] Ich habe damals den Mut gefaßt, die Frau Kollegin Gehrer in Wien anzurufen und zu fragen, ob es denn wirklich stimmt, was in Deutschland geltend gemacht wurde von den Reform-Befürwortern: Daß es zu einer inter­nationalen Irritation besonders mit den Öster­reichern führen würde, die ja schon zugestimmt hätten, wenn wir hier nocheinmal Korrekturen vornehmen würden. Die Kollegin Gehrer hat dann bedeutet, daß das so extrem nicht gesehen werden könne. Das hat mir mit den Mut gegeben, damals die Philosophie wieder zu retten und die Apotheke. Von mir stammt ja der Ausspruch, solange ich als Katholik im Amt bin, wird es nicht vorkommen, daß man den schwarzen Peter groß schreibt und den Heiligen Vater klein.
Frohbotschaften. Oberösterreichische Nachrichten,
Weihnachten fördert die Dichtkunst im Handel. Den ergreifendsten Kurzreim fanden wir im Prospekt eines Möbelhauses: "Schränke schenken". Tief im Herzen fühlen wir, dass der Poet auch die experimentelle Variante "Schänke Schränke!" erwogen hat, was gleichzeitig ein ironischer Seiten­hieb gegen die neue Recht­schreibung gewesen wäre. Aber das war ihm dann doch zu schräg. Schade.

11. 12. 2000

: "Le démon est-il allemand?" Die Rückkehr der Dämonen. Der Tagesspiegel, , Politische Literatur
Michel Meyer warnt die Franzosen vor den Deutschen — doch nur wenige seiner Landsleute teilen die Angst. […] Zutreffend ist auf jeden Fall seine Feststellung, Deutschland sei dem Durchschnitts­franzosen ebenso unbekannt wie die Mongolei. Wenn es noch eines Beweises für die Ignoranz bedurft hätte, so war es die Behauptung eines Mitglieds der Jury, das die Preise in Bernard Pivots jährlichem Ortho­graphie-Wettbewerb verteilt: "Wir Franzosen sind als einzige bereit, wegen sprachlicher Fragen einen Bürger­krieg anzuzetteln."

In diesem punkt dürfte die ignoranz gegenseitig sein, was die beweiskraft für die allgemeine feststellung vermindert.

: Der Föderalismus ist noch nicht verloren. Die Welt, , Feuilleton
Es geht um Rang und Wirkung ge­schichtlicher Er­fahrungen, mit denen man in Deutsch­land pfleglich um­gehen sollte. Es ist wahr, dass viele Bundes­länder mit dem Patrimonium der Kultur liederlich um­gegangen sind, obwohl sie sonst wenig haben, und aus dem Scheitern von Rahmen­richtlinien, Gesamt­schulen und Rechtschreib­reform nichts lernen.

9. 12. 2000

: Die Sprache Goethes längst nicht am Abgrund. Der Braunschweiger Germanist Herbert Blume gegen eine Überbetonung des Normativen. (Braunschweiger Zeitungsverlag), , News: Braunschweig
In der Tat galt er jahrelang an der Technischen Universität (bis zur großen Ver­unsicherung durch die Rechtschreib­reform) als ultimative Instanz in Sachen Recht­schreibung und Zeichen­setzung.
: Die Normierungswut und die Geschichte. [Rezension Birken-Bertsch/Markner.] die tageszeitung, , nr. 6318, s. 14, Kultur
Sosehr diese Arbeit höheren wissenschafts­geschichtlichen Ansprüchen genügt, ist doch einiges an ihr auszusetzen. Zu wenig kommt heraus, dass die historischen Kontinuitäten nicht im "Dritten Reich" Halt machen, sondern sogar weit in die Zeit vor 1933 zurück­reichen. Bei Birken-Bertsch und Markner wird allerdings irreführend die neue Rechtschreibreform so dargestellt, als bewege sie sich in der Tradition einer national­sozialistischen Leitkultur. Darüber hinaus ist der Hinweis auf die Vergangenheit allein noch kein hin­reichendes Argument gegen irgendetwas.

7. 12. 2000

: Neue Rangliste für die «Crus bourgeois» Schaffhauser Nachrichten, , Diverses
Damit sich die Konsumenten im Wirrwarr der Qualitäts-, Traditions- und Etikettenangaben etwas besser zurechtfinden, wollen die Wein­produzenten des Médoc die vage gewordene Bezeichnung «Cru bourgeois» neu umschreiben und die unter diesem Label verkauften Weine einer Qualitäts­kontrolle unterziehen. […] Das Unter­fangen mutet so kompliziert an wie die Einigung auf eine neue Rechtschreibung.

5. 12. 2000

: Das Ortogravieh und seine Logik. Der Bund, , Leserbrief
Wenn schon gebastelt werden soll, möchte auch ich einen bescheidenen Beitrag leisten und aus der Orthografie ein Ortogravieh machen.
: „Hard- und Saftware ist fast zu schön.“ VHS-Beirat ließ sich neues Programm vorstellen. Weser-Kurier, , Wümme-Zeitung
Gabriele Hillebrand regte an, im neuen Programm konsequent die Regeln der Rechtschreibreform zu befolgen. Das habe man bereits versucht, erklärte Christine Beulshausen, was Beiratsmitglied Harald Paul, als VHS-Leiter Beulshausens Vorgänger, wenig behagte. Analog zu den neuen differenzierten Einschreib­gebühren solle man festlegen, dass Dozenten über 50 Jahre die neuen Schreib­regeln nicht bräuchten, schlug er vor. Aber auch um richtige Rechtschreibung im Programm machte sich Gabriele Hillebrand verdient, indem sie auf einige Druckfehler hinwies, die sich jedes Semester wiederholen. Die "Hard- und Saftware" bei Internet-Kursen fand Christine Beuls­hausen allerdings "fast zu schön zum Berichtigen".

4. 12. 2000

: Einigkeit und Macht und Stumpfsinn. Über die Schattenseiten des deutschen Föderalismus; Michael Naumann hat Recht: Zentralismus schadet nicht. Die Welt, , nr. 283, s. 29, Feuilleton
Warum ist nicht ein einziges Land auf die Idee gekommen, beim letzten und dümmsten Streich der Konsens­politik, der Rechtschreib­reform, rechtzeitig wieder aus­zuscheren?

2. 12. 2000

: Schlussstrich in Sicht. Mannheimer Morgen,
Jenes Wort, das von der CDU so sehr herbeigesehnt wird (und das seit der Rechtschreibreform seltsam aussieht): Einen "Schlussstrich" hat Wolfgang Thierse unter den Spenden-Skandal der Christdemokraten gewissermaßen gezogen.

1. 12. 2000

Tote Natur lebt als stilles Leben stilvoll weiter. Berner Zeitung,
In einer Dreierausstellung zeigt die Bieler Galerie Silvia Steiner, dass das alte Genre des Stilllebens weiter lebt. «Nature morte», tote Natur, lautet die schöne französische Bezeichnung für das, was auf deutsch Still-Leben heisst und wegen der Rechtschreibung zu unrecht oft als Stil-Leben verstanden wird.

Wurde!

: Schweizer Montaigne. Peter Bichsel erhält den Essay-Preis «Charles Veillon». St. Galler Tagblatt, , Kultur
«Ist denn Erwachsenwerden nichts anderes als das Interesse verlieren?» Ein schleichender Prozess, der, wie er gelegentlich konstatiert, in der Schule seinen Anfang nimmt. «Die Rechtschreibung dient dazu, dass nicht alle wagen, zu ihrem Recht zu kommen.»
: Der neueste Duden — kein Meisterwerk. Lingua, , nr. 5
In einem Verriß in der FAZ am 1. August von dem unermüdlichen Kritiker der Reform, Theodor Ickler […], hieß die Überschrift „Ein Fiasko“. So weit braucht man, angesichts gewisser Fortschritte, z. T. in Form von Verstößen gegen das amtliche Regelwerk, wohl kaum zu gehen. Aber ein Meisterwerk ist auch dieser Duden — immer noch „ein kompromiß­bedingtes Produkt von Halbheiten und In­konsequenzen“ (so Peter von Polenz […]) — ganz gewiß nicht.

12. 2000

: Als die Kerzenschneuzer sich die Nase schnäuzten. Sprachspiegel, , 56. jg., nr. 6, s. 220 bis 221
Es brauchte seine Zeit, bis sich das geziemende Schnäuzen quer durch alle Volks­schichten durchsetzte. […] Und die Kerzen­schneuzer? Denen lassen wir wohl besser das «-eu-» bei ihrem Schneuzen; denn sonst könnten wir ja nicht mehr unterscheiden, ob sie nun schneuzten oder schnäuzten; und überdies haben sie ja alle lange vor der Rechtschreib­reform ihr Schneuzen ausgeübt und zu Ende gebracht.
: Rechtschreibduden in neuer Auflage. Sprachspiegel, , 56. jg., nr. 6, s. 239 bis 240
Also keine grundsätzlichen orthographischen Neuerungen. Die Duden­redaktion hat jedoch den Spielraum, den die offizielle Regelung offensichtlich bietet, konsequenter genutzt, indem sie vermehrt verschiedene Möglichkeiten (nicht nur diejenigen der alten Schreibung, die bis 2005 ohnehin gelten) zulässt, vor allem in Bezug auf die umstrittene Getrennt- bzw. Zusammen­schreibung.
: Die List orthographischer Vernunft. Letztlich bleibt alles beim alten. Uni-Journal Jena, , nr. 12, s. 15f
Das wichtigste und der orthographischen Vernunft aufs eleganteste zur Verwirklichung verhelfende Moment ist […] die still­schweigende freundlich-lethargische Nicht­beachtung der Neuregelungen.

Die hohen verkaufszahlen der neuen wörterbücher sind nicht gerade ein ausdruck von letargie. Und die schreibpraxis? Ausserhalb des universitären elfenbeinturms (und vielleicht sogar innerhalb) ist die gleichsetzung von nicht neu und regelkonform alt ein frommer wunsch. Es ist die freundliche oder unfreundliche nichtbeachtung der alten regelung, die zur neuregelung geführt hat. Unser vorschlag: Das wichtigste und der ortografischen vernunft aufs eleganteste zur verwirklichung verhelfende moment ist die stillschweigende, freundliche beachtung unserer regelung.

: "Denke an das Unbehagen!" Wittgenstein über Rechtschreibreformen. Uni-Journal Jena, , nr. 12, s. 17
Das "Unbehagen" an der veränderten Schreibung eines Wortes, aber auch die "noch tieferen Gefühle, die Fragen der Schreibung von Wörtern in manchen Menschen aufgeregt haben", verstand er als Beleg dafür, daß wir ein über praktische Belange hinausgehendes Verhältnis zu Schrift und Rechtschreibung haben können.

Wie ist das mit der geisteshaltung, die uns der verfasser so schön vor augen geführt hat? Hat man da nicht auch schon anderen menschen die fähigkeit zu "tieferen gefühlen" abgesprochen?

28. 11. 2000

: Schriftsprache an gesprochene Sprache anlehnen. Westdeutsche Zeitung, , Wissenschaft
Zur Erleichterung des Lesens sollte die Schriftsprache nach Ansicht des medizinischen Psychologen Ernst Pöppel so weit wie möglich an die gesprochene Sprache angelehnt werden.

27. 11. 2000

: Die kurzbeinigen Eierwärmer der Muttersprache. Das Deutsche ist nicht bedroht, wenn die Bundesbahn einen "Servicepoint" einrichtet, aber zu helfen ist der Sprache trotzdem: Man muß sie behandeln wie das Telefonnetz. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , s. 54, Feuilleton
Wenn es heute die Verwandlung des Deutschen zur Sekundärsprache zu beklagen gibt, dann sind die Voraussetzungen dafür vor dreißig Jahren geschaffen worden — im selben Geist, mit derselben Selbst­herrlichkeit und mit derselben Ignoranz, die uns noch vor vier Jahren eine Rechtschreib­reform beschert hat.
Keine Rechtschreibregeln mehr? Bamberger Sprachwissenschaftlerin sieht geistige Freiheit bedroht. (Fränkischer Tag online), , Franken
Machen die deutschen Rechtschreibregeln — ob Alt oder Neu — geistig träge?
: Gegen Rechtschreibregeln. Wissenschaftlerin: "Zum größten Teil unvollkommen". Mainpost, , Meinung
Die Sprachwissenschaftlerin Elisabeth Leiss aus Bamberg hat sich für eine völlige Abschaffung der deutschen Rechtschreib­regeln ausgesprochen.
Die Abschafferin. Münchner Merkur, , Der Spemann (Kommentarseite)
Leider bleibt die Expertin aber auf halbem Wege stehen. Warum will sie nur die Schreib­regeln abschaffen? Auch andere Regeln engen den Bürger enorm ein, wie zum Beispiel die Verkehrs­regeln.
: Schreiben in Freistil-Form. Bamberger Sprachwissenschaftlerin gegen jedes Regelsystem. Nürnberger Nachrichten, , Bayern
Eine Rechtschreibnorm könne die Verständigung nicht erleichtern. Deshalb sollten die Diskussionen um alte oder neue Recht­schreibung ganz eingestellt und einfach verschiedene Schreib­weisen zugelassen werden.
: „Rechtschreibregeln machen geistig träge.“ Wissenschaftlerin vertritt provokante These. Nürnberger Zeitung, , Bayern
Nicht ganz nachvollziehen kann die Wissenschaftlerin, dass sich Leser und Schreiber gegen eine völlige Freigabe der Rechtschreibung sträuben, denn „eigentlich müsste ihnen diese Forderung doch entgegen­kommen.“
: Trägheit wegen zu vieler Regeln? Wissenschafterin für völlige Abschaffung von Rechtschreibnormierung. Salzburger Nachrichten, , Kultur
Machen die deutschen Rechtschreibregeln — ob alt oder neu — letztlich geistig träge?
: Triumph im Keller: Kabarettist Kalla Wefel. (Schwäbische Zeitung Online), , Biberach
Ob er den besoffenen Schlachthofarbeiter frauenfeindlich schwadronieren ließ, giftig gegen den Klerus witzelte, die Rechtschreib­reform angriff oder die Popkultur der 60er-Jahre mit ihren simplen G-C-D-C Gitarren­akkorden persiflierte — er riss das Publikum mit.

26. 11. 2000

: Sehr geehrter Herr Präsident ... Johannes Raus Klage über den Umgang mit der Sprache. Welt am Sonntag,
Und schließlich: Sind Sie, als ehemaliger Landesherr — ein solcher pocht ja gern auf seine „Kulturhoheit“ — nicht mitschuldig an der un­begreiflichen Rechtschreib­reform?

24. 11. 2000

"Medizinisch ist Lesen nicht möglich." (Spiegel Online),
Eine Rechtschreibreform, die sich an historischen Gegebenheiten orientiere und nicht an der gesprochenen Sprache, sei "eine Katastrophe".
: BSE — wenn die deutsche Sprache zu englisch wird. Die Welt, , Berlin
Gelassen sieht Professor Manfred Bierwisch von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften die Angelegenheit. […] Dass obrigkeitliches Eingreifen in die Sprache zum Scheitern verurteilt sei, zeige schon die "peinliche" Rechtschreibreform.

22. 11. 2000

: Vitaler Redeschwall. Harry Rowohlt zu Gast bei Hügle. Schwarzwälder Bote, , Schwarzwald-Baar-Kreis
Harry Rowohlt, Schauspieler, Übersetzer und Dichter, produzierte sich und seinen besonderen Pennbruder-Charme einen Abend lang in der Villinger Buchhandlung Hügle. […] parodiert Reich-Ranicki, Günter Grass und andere Literaten, mokiert sich über die Rechtschreib-Reform […]
: ZAP-Kolumne: Alt mit Ehren ist besser als jung mit Schande. Zeitschrift für die Anwaltspraxis, , nr. 22
Wie kommt jemand dazu, und sei es der Gesetzgeber, von mir zu verlangen, ich müsse im Brief schreiben „du“ alter Esel, wenn es sich um meinen Freund handelt, aber „Sie“ säumiger Schuldner, wenn ein Dritter angeredet wird? […] Fast jeder, der sich daran halten will, übernimmt Bruchstücke der neuen Regeln und beläßt es im übrigen (Übrigen) bei den alten (oder den Alten?). Da aber nun jeder die Bruch­stücke nach seiner Fasson auswählt, sind die Ergebnisse entsprechend vielfältig. Das hat die Frankfurter Allgemeine Zeitung veranlaßt, ab August 2000 rundweg zur alten Rechtschreibung zurück­zukehren. […] Damit ist ein Signal gesetzt worden. Für die ZAP haben sich Verlag und Herausgeber entschlossen, dem um der Einheitlichkeit der Schreibweise willen zu folgen.

21. 11. 2000

: Brillanter Regenauer: 90 Augenblicke des Glücks. Furioser Auftritt des Satirikers bei den Kulturwochen; vom Umgang mit Sprache und deren Bedeutungsfallen. Fränkischer Tag, , Forchheim
Die Rechtschreibreform sei nur wegen der Nichtbeteiligung Frankens gescheitert. Hier habe man die Sprache schon seit Jahrhunderten erfolgreich vereinfacht, radikal die Unterschiede zwischen fast allen Konsonanten aufgehoben, so dass in dieser Region sogar ein Legastheniker Deutsch­lehrer werden könne.

18. 11. 2000

: Christoph Böhr setzt in Rheinland-Pfalz zum "Tigersprung" an. CDU-Delegierte wählen ihn zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl. Mannheimer Morgen,
"Rheinland-Pfalz muß gewinnen" steht als Motto des 51. Landesparteitages über dem Redner-Podium in der Mainzer Rheingoldhalle. Die alte Rechtschreibung feiert Urstände bei den Christdemokraten. Das Festhalten am Bewährten liegt dem Landesverband, der einst von Helmut Kohl dominiert wurde, schließlich am Herzen.
: "Grammatisches Telefon" hilft bei Rechtschreib-Problemen. Nordkurier, , News aus der Uckermark
"Nach Einführung der Rechtschreib­reform haben sich die Anfragen fast verdoppelt" […] Ver­unsicherung sei zu beobachten […]. Dass mehrere Varianten möglich sind, stelle die Anrufer meist nicht zufrieden. Sie wollten in der Regel eine einzige gültige Schreib­weise.

17. 11. 2000

: Als Gemse gut erholt — als Gämse ein Problem? Basler Zeitung,
Die Suche im Internet führt zwar nicht zu nichts, aber sie führt nicht klar in die gewollte Sparte, führt nicht in die Wildtierbiologie, sondern entführt in die Orthografie. Statt mit Hufen und Krickeln und Grannenhaaren befasst sich www. vorwiegend mit neuer Recht­schreibung und Duden und reformierter Buchstaben­zuordnung.

15. 11. 2000

: Bornierter Föderalismus der Kulturhoheit. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , s. 14, Briefe an die Herausgeber
Der Verfasser meint, die Länder und ihre für Kultur verantwortlichen Minister müßten nur aufwachen, dann wäre ein Naumann gar nicht mehr nötig. Davon bin ich überzeugt, aber wann wären diese Minister denn in den fünfzig Jahren Bundes­republik einmal aufgewacht? Einmal — und heraus kam die neue deutsche Rechtschreibung.

14. 11. 2000

: Rhetorik der Missgeburt. Basler Zeitung, , nr. 266, s. 35, Feuilleton, rubrik Kursiv
So wandte sich die ehrwürdige «Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung» vor einigen Wochen in einem «dringenden Aufruf» an die Öffentlichkeit, um die «Einheit der deutschen Schreibung zu retten». Das selbst ernannte Rettungskommando […] beeilte sich mitzuteilen, die Rechtschreibreform sei «von Anfang an eine Missgeburt» gewesen. In ihrem populistischen Übereifer bemerkte die stolze Akademie nicht den Lapsus, der ihr da unterlaufen war. […] Wer einmal das sprachliche Terrain historisch erkundet, auf dem die «Missgeburt» angesiedelt ist, der findet sich in einem Wörterbuch der Vernichtungs­wünsche wieder, in einer Rhetorik der aggressiven Invektiven, die direkt auf die Beseitigung des Feindes, des «Krüppels», des «lebensunwerten» Wesens zielen.

So leicht tappt man in die falle, die man selber auslegt.

: Für Zucht und Anstand im Netz — rofl. Net-Business online,
In einem Feldzug gegen Kleinschreibung, Abkürzungen, Rechtschreibfehler und lästigem Geklingel in der Öffentlich­keit hat sie [Fürstin Gloria von Thurn und Taxis] zum Gegenschlag ausgeholt. Frei nach Knigge will sie ihr Volk mit ihrem Buch Unsere Umgangsformen wieder in ein Leben zurück­führen, wo Höflichkeit und Anstand noch richtige Werte sind.
: Das "Unwort des Jahres" bekommt Konkurrenz. Ein neues Projekt aus Braunschweig und Magdeburg. Die Welt, , nr. 266, s. 35, Feuilleton
So wurden bei einer Umfrage in Braunschweig u. a. Millennium und Rechtschreibreform als Unwörter genannt: Die Gespreiztheit des Ausdrucks (Millennium) und die Kritik an der Sache (Rechtschreib­reform) können zur Einschätzung als Unwort führen.

13. 11. 2000

: Geschichten aus dem Netz. Internet-Schriftsteller der Gruppe "42erAutoren" stellen sich in der Buchhandlung Oelbermann vor. Rheinpfalz Online, , Kultur
Achim Friker, der den Abend eröffnete, zeigte in einer Episode in humorvoller Weise, zu welchen Turbulenzen die Rechtschreibreform führt, wenn sich mit der veränderten Schreibung auch der Sinn der Wörter verändern kann.

10. 11. 2000

: Zermürbung der Hirne durch Schreibreform. Kleiner Besuch bei der buckligen Verwandtschaft: Die neue Rechtschreibung und der Nationalsozialismus Frankfurter Allgemeine Zeitung, , nr. 262, s. 44, Feuilleton
Die Rustsche Reform hat nichts spezifisch National­sozialistisches. Ihre Verfasser verstanden etwas von der Sache, sogar mehr als die heutigen Reformer. […] Die heutigen Reformer haben mehr erreicht, als unter demokratischen Verhältnissen für möglich gehalten werden konnte. Aber eins haben sie noch nicht erreicht: Rust wollte ursprünglich auch die Klein­schreibung […].
Naumann gegen "Gauleiterkultur". Der Standard, , s. 1
Michael Naumann bezog im Standard-Gespräch unter anderem auch Stellung zur Rechtschreib­reform und war dabei solidarisch mit den weit­gehend ablehnenden Dichtern.
: "Dahinter winkt die Gauleiterkultur." Deutschlands Staatsminister für Kultur, Michael Naumann, zur Leitkulturdebatte. Der Standard, , s. 17, Kultur
Ich sage mit Karl Kraus: Es sind nicht die Bürger, die bestimmen, was sich in der Sprache einbürgert, sondern die Schrift­steller. Es sind auch nicht die Kultusminister­konferenz oder die Ministerien. Ich sehe die Diskussion vor allem für die Schul­kinder mit Bedauern. Aber die Regelung ist jetzt in Kraft.

9. 11. 2000

: Auf die Sprachkultur wenig gegeben. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , s. 15, Politik
Wer hat denn die deutschen Schriftsteller in ihrem Versuch unterstützt, die deutsche Sprache vor dem politisch be­auftragten Zugriff der "Pfuscher" (Hans Magnus Enzens­berger) zu schützen? CDU und CSU doch gewiß nicht, im Gegen­teil: Sie haben es zusammen mit der SPD in der Kultusminister­konferenz ja geradezu betrieben. Die einzige Partei, die wirklich das Recht hätte, von Leit­kultur zu reden, die aber klug genug ist, dies zu unter­lassen, ist die FDP, die mutig Position gegen die sogenannte Rechtschreib­reform bezogen hat.
„Sprache, Kultur und Gesellschaft.“ , , Berichte
[…] Bericht über die Groß­veranstaltung des „Sprachk­reises Deutsch“ der Bubenberg-Gesellschaft in Bern vom 9. November 2000. […] Der frühere Erziehungsdirektor des Kantons Bern, Peter Schmid, selber Mitglied des Sprach­kreises Deutsch / Bubenberg-Gesellschaft, meint, die Mühen, die Schüler und Lehrer mit Französisch haben, sollten nicht dazu verleiten, dass man resignierend sagt: "Dann tun wir's halt mit Englisch!" […] In der nachfolgenden ... Diskussion wird von einem Teilnehmer Englisch als treffliche 'lingua franca' gelobt, gleichzeitig aber die Rechtschreibereform als unsinnig gebrand­markt. Peter Schmid verteidigt die Reform, wenn es nach den schweizerischen Vorschlägen gegangen wäre, hätte sie auch die gemässigte Klein­schreibung im Deutschen gebracht!

8. 11. 2000

: Die Dreifaltigkeit der Strasse. Endloser Streit um chinesische Schriftzeichen. Neue Zürcher Zeitung, , nr. 261, s. 65, Feuilleton
Was im deutschsprachigen Raum die Diskussion um die neue Rechtschreibung, ist auf Taiwan die immer wieder mal mehr, mal weniger intensiv geführte Aus­einandersetzung um eine einheitliche, adäquate und gleichzeitig verständliche lateinische Umschrift chinesischer Schrift­zeichen.
: Im Wortlaut: So wurden Darmstädter im Jahr 1758 zu „Ratsherren“. Darmstädter Echo, , Darmstadt
Der Ernennungstext des „Bürgers und Metzgermeisters“ Johann Leonhard Bachmeyer und anderer Zeitgenossen zu „Darmstädter Ratsherren“ im Jahr 1758 ist im Archiv überliefert. Im Jahr 2000, zumal nach der Rechtschreib­reform, liest sich die Urkunde putzig. […] „Nachdeme Wir die bey versamleten Stadt-Rath allhier zu Wider-Besezung der Stadt Ämter […]"

«Zumal nach der Rechtschreibreform»? Putzig waren dagegen schon immer die sprachlichen probleme: Ernennungstext zu Ratsherren = reitende artilleriekaserne.

Nachrichten aus Forschung und Lehre. Schweriner Volkszeitung, , Nachrichten aus Mecklenburg Vorpommern
Im Rahmen der "Tage der Forschung" wird auf folgende öffentliche Ver­anstaltungen hin­gewiesen: […] "Neue Orthographie im Streit: Können Schüler nicht mehr schreiben?", Freitag, 14.00 Uhr, August-Bebel-Straße 28, Raum 8020.

7. 11. 2000

: Sie haben Post! Die E-mail- und SMS-Generation und die Rückkehr des Briefeschreibens. Frankfurter Rundschau, , 56. jg., nr. 259, s. 19, Feuilleton
Als ultimativer Beweis für den spontanen, ungehemmten Sprachausfluss, für das ungefilterte, überschäumende Gefühl gilt der kreative und nachlässige Umgang mit der Orthografie, die Fülle der hastigen Abkürzungen und die radikale Klein­schreibung. Denn was der geniale Geist des Augenblicks gebiert, kann sich nicht mit kleinlichen Ordnungs­prinzipien wie der der Rechtschreibung — sei sie nun alt oder neu — aufhalten.
: Stengel auf dem Feld der deutschen Sprache. Ostsee Zeitung, , Lokales
Der Altmeister der deutschen Sprach­pflege Hansgeorg Stengel war am Sonntag­abend zu Gast im Café „Am Windspiel“. […] „Die Tendenz zu mehr Groß­schreibung tut mir Leid“, bemerkt er mit Ironie. Rechtschreib­reform? Stengel bezweifelt, dass die ein Werk von Philologen und Germanisten sei.

6. 11. 2000

: Orientiert am Nutzen für den Leser. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , s. 12, Politik
Eine solche Reform konnte über­haupt nicht auf demokratische Weise durch­gesetzt werden.
: Ökonomischer Blick auf die Fremden. Die Debatte über Leitkulturen (5); die Schweizer haben keine Leitkultur, aber einen Kanon ihrer Lebensart. Frankfurter Allgemeine Zeitung, , s. 16, Politik
Ein anderes Thema, das des Rechtsradikalismus, ist ebenfalls schnell hinübergeschwappt in die Schweiz, wie es bei vielen deutschen Debatten geschieht. Der Streit um die "deutsche Leitkultur" weckte bisher dagegen kaum Neugier […]. Die Situation ähnelt insofern einem anderen deutschen Kulturdisput: dem Streit über die Rechtschreibreform. In Deutschland gab und gibt es dazu eine leidenschaftliche Debatte, in der mehrsprachigen Schweiz jedoch nicht.
: An Ausdruckskraft gewonnen. Reinhard Mey sang in der ausverkauften Mercator-Halle. (Rheinische Post), , Duisburg
Seine Texte sind aktuell, auch wenn sich an seinem Outfit nichts geändert hat und Mey, wie er sagt, noch nach den Regeln der alten Rechtschreibung singt.
neu : di noie ortografi. Zur Rechtschreibreform. ,
na, so schlimm ist's ja nun doch nicht!

4. 11. 2000

: Am Ende wird alles gut. „Einhandsegler“ Reinhard Mey vor 1500 Zuhörern in Niedernhausen. Allgemeine Zeitung (Main-Rheiner), , Nachrichten aus aller Welt
Mey […] erweist sich bei seinem fast dreistündigen Konzert einmal mehr als romantischer Traditionalist. Modische Trends, den „Lärm“ unserer Zeit (von Girlie Britney Spears bis zum Laubsauger) und bürokratischen Firlefanz (wie die Rechtschreibreform) nimmt er schmunzelnd auf die Schippe. Lang lebe also das „ß“, immer ist da ein Ausweg in Sicht, wird am Ende alles gut.

3. 11. 2000

Gegenstimmen. Kleiner Blockwart. die tageszeitung, , nr. 6287, s. 6, Dokumentation
"[Es] geht um die Kampagne als journalistische Kategorie. Da sitzt auch diese Zeitung im Glashaus. Ob es nun der Rechtsextremismus oder die Rechtschreibreform ist. […] die Grenze des Erträglichen ist überschritten, wenn der professionelle Beobachter und Kommentator sich die Rolle der Exekutive anmaßt." Jochen Siemens, Frankfurter Rundschau vom 22. 8. 2000

2. 11. 2000

: „Deutsche Leitkultur.“ Zur Karriere eines diffusen Begriffs. Badische Zeitung, , Kultur
Aber es geht nicht um Funktionalität, es geht um Gefühle. Leitkultur, dieser Kampfbegriff im Parteienstreit, nimmt eine reales Bedürfnis auf: Im Strudel der Veränderungen soll das Wesentliche bleiben, wie es ist. Es ist wie mit der Rechtschreibung und den Anglizismen. Warum sollen Schreibweisen reformiert, warum englische Worte Aufnahme in die Sprache finden? Wo vor nicht langer Zeit Veränderungen als Fortschritt begrüßt wurden, werden heute Veränderungen nur als Veränderungen gesehen und unwillig abgelehnt.

1. 11. 2000

: Wir guten Europäer. "Deutsche Leitkultur" — eineVerzweiflungsformel. Frankfurter Rundschau, , 56. jg., nr. 254, s. 19, Feuilleton
Junge Deutsche sind stolz darauf, auf griechischen Ferieninseln für Amerikaner gehalten zu werden. Man studiert in Harvard, heiratet eine Thailänderin und kauft sich ein Haus in Andalusien. Und wer umgekehrt im Namen der deutschen Kultur gegen den Schildbürgerstreich einer Rechtschreibreform protestiert, die schwachsinnige Graffiti auf das "Haus des Seins" (Heidegger) sprayt, gilt als ewig gestrig.
Klasse fragt — Augst sagt´s. Westfälische Rundschau,
Die Jugendlichen haben dem Professor kürzlich wieder Fragen gestellt — die dieser gewissenhaft beantwortete. […] Auch die Großschreibung stellt die 8 a in Frage: "Warum schafft man sie nicht ab?" Das habe die Kommission vorgeschlagen, antwortete der Professor. Aber von den politischen Gremien sei es abgelehnt worden.