A national experiment to reform the German language is close to collapse after a quiet but angry revolt by publishers, academics and teachers who say it is "barbaric" and destroying centuries of linguistic freedom. […] The president of Germany's PEN club, Johano Strasser, has called it "language rape."
Bund für vereinfachte rechtschreibung (BVR)
Aus presse und internet
2004-05-30
2004-05-29
Bei der Umfrage sprachen sich 49 Prozent der 2134 Befragten gegen die Reform aus. 1997 lag die Zahl der Gegner noch bei 70 Prozent.
2004-05-27
In der "Welt" vom 27.05.2004 wird der Vorwurf erhoben, die Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung habe einseitig Gespräche mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt beendet. Dieser Vorwurf ist nicht zutreffend.
Hape Kerkeling war im Deutschunterricht nach seiner Einschätzung eigentlich ganz gut — bis auf Schrift und Zeichensetzung. Wie sattelfest seine Mitbürger in ihrer Muttersprache sind, testet der Moderator ("Die 70er Show") am Freitag um 20.15 Uhr in "Der große Deutsch-Test" auf RTL. […] Seit der Rechtschreibreform geraten selbst "Sprachmeister" wie Schriftsteller, Lehrer oder Journalisten ins Grübeln, wenn es um die richtige Kommasetzung oder die korrekte Schreibweise eines deutschen oder neudeutschen Wortes geht. Heißt es nun Joghurt oder Jogurt, Geografie oder Geographie, Fulltimejob oder Full-Time-Job? "Ich glaube, ich bin ziemlich gut. Manchmal bin ich allerdings wegen der zahlreichen Reformen, die ich im Laufe meines Lebens mitgemacht habe, doch etwas verwirrt", gesteht Karasek.
Ein Gespräch mit dem Moderator und seiner ehemaligen Deutschlehrerin Christa Hupe. […] Kerkeling: Ja. Allerdings schreibe ich grundsätzlich alles klein und finde das sehr fortschrittlich. Soweit ich weiß, haben alle unsere Nachbarländer die Kleinschreibung. Nur der Satzanfang und bestimmte Substantive werden groß geschrieben. Dass wir "Es tut mir Leid" nun mit einem großen L schreiben, ist nicht modern, sondern antiquiert. […] Hupe: Hans-Peter war der Zeit voraus und hatte damals schon ein ähnlich gestörtes Verhältnis zu dieser Normierung wie die meisten heute nach der Rechtschreibreform auch. Kreativität und Witz waren ihm wichtiger, als auf Groß- oder Kleinschreibung zu achten. Wenn man heute sieht, nach welchen Maßgaben E-Mails oder SMS geschrieben werden, ist das weit entfernt von dem, was ich euch damals beibringen sollte.
Die Zwischenstaatliche Rechtschreibkommission in Mannheim hat die Gespräche über eine "Reform der Reform" mit der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt einseitig beendet. […] Auch Eisenberg bestätigte, dass es sich die Akademie nicht leicht gemacht […] habe. "Doch nach drei Gesprächen ist rausgekommen: Die wollen nicht an die Substanz ran."
Was heisst «an die Substanz ran»? Jedenfalls ist die neuregelung selbst schon ein extremer kompromiss, ebenso wie die regelung von 1901, was die probleme beider regelungen entscheidend mit verursacht. Wer will da noch einen kompromiss und noch einen? Etwa Ickler (4. 4. 2002) und Grass (28. 12. 2003)? Wir erinnern an einen rat aus der industrie, den wir vor 10 jahren im jahresbericht zitierten.
2004-05-25
An der bisherigen Diskussion über die Reformentwicklung war der PEN als Mitglied im Beirat zur deutschen Rechtschreibung zwar beteiligt, hat es aber versäumt oder nicht vermocht, in diesem Gremium die Interessen der Literaten wirksam zu artikulieren.
Die Kultusministerkonferenz wird dann im Juni 2004 über die Neuregelung der deutschen Rechtschreibung beschließen. Mit diesem, beinahe trotzig wirkenden Satz endet das jüngste Bulletin der Konferenz. Sie sollte sich ihn trotzdem noch einmal überlegen und vielleicht endlich mit Leuten reden, die von Sprache etwas verstehen, weil sie täglich mit ihr arbeiten: Mit den deutschen Schriftstellern zum Beispiel, erklärten Gegnern der Reform.
Der streitbare journalist sollte mal in früheren ausgaben seines blatts blättern: Süddeutsche Zeitung vom 17. 8. 2000.
2004-05-24
Der liberale Gehalt des Vorstosses scheint uns jedoch schon etwas knapp bemessen zu sein. […] Uns ist nicht klar, welche Gämse Herrn Stalder geritten hat, jedenfalls fragt er den Regierungsrat, ob die Rechtschreibreform nicht rückgängig gemacht werden könnte, da sich diese seines Erachtens nicht durchgesetzt habe – nicht im deutschsprachigen Raum und insbesondere nicht im Kanton Bern. Ausgerechnet die Rechtschreibreform, Herr Stalder, die uns Schweizerinnen und Schweizern zuliebe am 1. August 1998 eingeführt wurde – am Nationalfeiertag! Ausserdem läuft die Übergangsfrist noch bis am 31. Juli 2005! Wenn Sie also noch Probleme haben mit der neuen Rechtschreibung, dann ist das gar nicht so schlimm. Sie haben ja noch mehr als ein Jahr Zeit, um ihre Kenntnisse zu perfektionieren.
Nach Veränderung strebt hingegen der einstige Lehrer für Mathematik und Physik, Max Hartl. Aus Ärger über die Rechtschreibreform hat er sich mit der bairischen Sprache beschäftigt und insbesondere mit der Schwierigkeit, diese schriftlich wiederzugeben. Sein interessanter Vorschlag: Sich an Schreibweisen in anderen Sprachen zu orientieren und so beispielsweise der unterschiedlichen Aussprache des a im Bairischen durch Zusatzzeichen gerecht zu werden. Er sehe einen Zusammenhang zwischen dem Verschwinden des Bairischen und der Schwierigkeit der schriftlichen Darstellung, sagte Hartl.
2004-05-21
«Es muss jetzt endlich einmal ein Ende sein mit dem Wahnsinn der Sprachzerstörung! Wenn selbst die Kultusminister kein Verantwortungsgefühl für das zeigen, was sie eigentlich zu schützen und zu fördern vorgeben, dann müssen wir, das Volk, uns wehren!» Harte Worte findet die Verlegerin des Dürener Stolz Verlags, Karin Pfeiffer-Stolz, in der Beurteilung der Rechtschreibreform. Was dabei allerdings erstaunt, ist die Tatsache, dass ihr Verlag als Herausgeber von Lernhilfen, Lektüren und Fachbücher für Schüler eigentlich zwingend auf die Neuschreibung festgelegt ist, um im Geschäft zu bleiben.
Aber wer hat wohl die zusammenschreibregel bei Stolz Verlag zerstört?
Gegen die Reformen, die Ludwig von Friedeburg während seiner Amtszeit als hessischer Kultusminister von 1969 bis 1974 in die Wege leitete, rief die damalige CDU-Opposition zum Sturm mit dem Slogan Marx statt Rechtschreibung? Jetzt, da Marx und die Rechtschreibung dahin sind, kann der Jubilar, der heute seinen achtzigsten Geburtstag begeht, entspannt Rückschau halten […].
2004-05-18

Finden Sie es nicht merkwürdig, dass sich der PEN jetzt neben PISA auch noch mit der Rechtschreibreform beschäftigt, während die Welt aus den Fugen gerät? Stichwort "Irak". Johano Strasser: So ist das ja nicht. Schon auf der letzten Tagung vor einem Jahr in Schwerin habe ich ausführlich über die Militarisierung der Sprache referiert.
2004-05-17
Auch die nach der Kritik daran vorgenommenen Anpassungen hätten zu keiner wirklichen Reform der Neuregelung geführt, heißt es in einem Antrag des Präsidiums, den die rund 150 Teilnehmer auf ihrer Jahrestagung am Sonnabend in Potsdam verabschiedeten.
Die deutsche Sektion des Schriftstellerverbandes PEN hat die Rücknahme der seit 1998 geltenden Rechtschreibreform gefordert.
So wurde eine Rücknahme der Rechtschreibreform gefordert, diskutiert und — natürlich überhaupt nicht einstimmig — angenommen. Das Argument, es seien ja doch alle Messen gesungen, wird durch das mutige Festhalten der FAZ an der moderneren, der Sprache gerechter werdenden, also der herkömmlichen Regelung, entkräftet. Wenn sich weitere Medien, zum Beispiel sozialistische Tageszeitungen, diesem Beispiel anschlössen, könnte man dem Diktat der Schul- und Wörterbuchverlage begegnen. Doch jetzt ist ein Reförmchen des Reförmchens geplant — folglich winken Verlegern neue Verdienste.
2004-05-15
Die deutsche Sektion des Schriftstellerverbandes PEN hat die Rücknahme der seit 1998 geltenden Rechtschreibreform gefordert. […] Das unzureichende Lesevermögen, das auch von der PISA-Studie offen gelegt worden sei, dürfe nicht als Vorwand dazu dienen, Texte mit dem Ziel einer angeblich besseren Verständlichkeit zu manipulieren. Als Beispiel nannte der Präsident des deutschen PEN-Zentrums, Johano Strasser, den Schweizer Gottfried Keller (1819-1890). Es wäre fatal, dessen besonderen Stil wegzuglätten.
Hier «sind Sie, mit Erlaubniß zu sagen, auf dem Holzwege. […] weil ich überhaupt mit der Interpunktion auf einem sehr kühlen Fuß stehe. […] Von Haus aus bin ich der Ansicht, daß man so schreiben soll, daß wenn alle Interpunktionszeichen verloren gingen, der Stil dennoch klar und ausdrucksvoll bliebe.» (Keller an Berthold Auerbach, 15. 9. 1860)
2004-05-13
Dass wir Deutsche es mit der Sprache nicht so leicht haben, wissen wir ja. Man denke nur an die Rechtschreibreform. Es ist an der Zeit, dass wir eine Kommission einberufen, die sich mit deutscher Sprache beschäftigt. So was gibt es zwar schon, glaube ich.
2004-05-05
Und er ist stolz darauf, dass sich seine Schleswig-Holsteiner gegen die Rechtschreibreform gewehrt haben, als einziges deutsches Bundesland, auch wenn die Volksabstimmung von der Regierung gekippt wurde. «Sie sind ja hier ein bisschen konservativ, was gar nicht schlecht ist.»
Beatrix Langner besucht Günter Kunert zu einem Werkstattgespräch in seinem Haus auf dem Lande bei Hamburg, wo er behaglich über die Schlechtigkeit der Welt sowie der Rechtschreibreform plaudert […].
2004-04-28
Die «Schweizer Monatshefte» kehren zur alten Rechtschreibung zurück, wie Herausgeber Robert Nef einen Bericht der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» bestätigte. […] «Wir sind fest entschlossen, das durchzuziehen.»
2004-04-24
Macht die neue Rechtschreibung Sinn oder führt sie ins Chaos? — Zur Hälfte macht sie Sinn, zur Hälfte ist sie Pfusch.
Nur teilweise geläufig ist die Tatsache, dass es auch bei korrekter Neu-Schreibe in vielen Fällen mehrere «zulässige» Varianten gibt. Fast zu viele, wie ein Fachmann in der jüngsten Ausgabe des «Sprachspiegels», einer Zeitschrift für solche Dinge, meint. Besagter Herr Gallmann gibt denn auch seine Empfehlungen ab, wie man mit derlei Varianten fallen am zweckmässigsten umgehen solle. Er rät beispielsweise, wirklich «substanziell» zu schreiben und nicht «substantiell» […]. Mitteilen möchte ich Ihnen schliesslich noch, dass Herr Gallmann das «wackernagelsche Gesetz» dem «Wackernagel'schen Gesetz» vorzieht (wobei wir ein anderes Mal behandeln, worüber der Wackernagel überhaupt ein Gesetz erlassen hat).
Daß Grass, ungeachtet des Bekenntnisses von Imre Kértesz, auch heute noch viel politischer denkt als sein ungarischer Kollege, offenbarten die unterschiedlichen Antworten der beiden Nobelpreisträger auf die Frage, die Goethe im Jahr 1831 während eines Spaziergangs von seinem getreuen Eckermann gestellt wurde: "Was wollen Sie noch erleben?" […] Grass zitiert den Nord-Süd-Bericht Willy Brandts, der noch immer seine Gültigkeit besitze und endlich Realität werden müsse. […] Ein anderer, vergleichsweise bescheidener Wunsch könnte womöglich schon bald in Erfüllung gehen: Grass möchte noch miterleben, daß die mißglückte Rechtschreibreform wieder rückgängig gemacht wird.
2004-04-23
Selbstverständlich wird der heutige Welttag des Buches auch genutzt, um einmal mehr gegen die Rechtschreibereform zu protestieren. Zu den Unterzeichnern gehören die Schriftsteller Siegfried Lenz und Reiner Kunze, der Schauspieler Manfred Krug, Altbundespräsident Walter Scheel und die beiden Politiker Peter Boenisch und Klaus von Dohnanyi. Mehr Namen nennt die Schweizerische Depeschenagentur in ihrer Meldung nicht. Nicht auszudenken, falls die Genannten die letzten sechs wären, die alt von neu zweifelsfrei unterscheiden können.
Zum heutigen Welttag des Buches haben prominente Deutsche die Rücknahme der Rechtschreibreform gefordert.
2004-04-22

Sicher sieht man heute sehr oft falsche ss-Schreibungen und Ihre Liste von 33 schlechten Beispielen ist schon beeindruckend; aber diese Art von Fehlern gab es auch schon vor der Rechtschreibreform häufig.
"Wenn große Zeitungen wie "Süddeutsche" oder "Welt" wieder auf die klassische Rechtschreibung umstellen würden, wäre die unselige Rechtschreibreform ohnehin bald vom Tisch", meint der Schriftleiter der DEUTSCHEN SPRACHWELT, Thomas Paulwitz.
2004-04-15
Es ist kein Wunder, wie sehr sich national und international die deutsche Sprache, ganz zu schweigen von der deutschen Kultur, im Niedergang befindet. Ich kann Sie nur ermutigen, standhaft weiterhin die Sache der deutschen Sprache zu vertreten (auch die Beibehaltung der "bisherigen" Rechtschreibung durch die F.A.Z. war und ist mehr als vorbildlich).
2004-04-14
Manche pfeifen auf die Rechtschreibreform und setzen das ß auch dort noch, wo es gemäß den neuen Regeln nicht mehr hingehört. Andere wiederum glauben, das ß sei mit der Rechtschreibreform komplett abgeschafft worden.
2004-04-08
Seit aus Abscheu vor der Rechtschreibreform orthographisch jeder tut, was er will, ist Goethe der modernste deutsche Autor geworden. Wer "Göte" schreibt, liegt gar nicht so falsch, historisch vielleicht sogar richtig. Nur sollten dialektsprechende Abiturienten nicht gerade "Göhde" zu Papier bringen.
2004-04-07
Unter den zahlreichen Kämpfern gegen die unsinnige Reform läßt sich Ickler an Engagement, Kenntnisreichtum, Genauigkeit und polemischem Temperament nicht übertreffen. Unermüdlich weist er den Urhebern der Reform Fehler, gebrochene Versprechen, Halbwahrheiten, Lügen und Inkompetenz nach.
2004-04-06
In der Hauptüberschrift der F.A.Z. vom 26. März ist die Rede von "Reformen, die weiter gehen müssen" — weiter als was oder als bis wohin? Der Sinn kann auch schwerlich der sein, daß sie weiterhin bloß "gehen" statt etwa rennen sollten. […] meinen Sie durchaus und verfehlen hier […] weitergehen. Weitergehen sollen vor allem auch Ihre im übrigen so bewundernswerten Anstrengungen, als Reformen verkleideten Sprachnivellierungen Einhalt zu gebieten.
Die neuregelung ist diesmal nicht schuld, höchstens wegen der viel beschworenen verunsicherung. Umso glücklicher sind wir, dass sich der gescheite leser Winter durch «weiter gehen» nicht verunsichern lässt: «Sie meinen weitergehen.» Ein anderer sinn ist «schwerlich» möglich. Vielen dank für den beweis, dass sich künstliche ortografische differenzierungen nur aus sich selbst begründen!
2004-04-04
I] Interpunktion. Komma und Semikolon richtig zu setzen, haben die Bewohner des deutschen Sprachraums seit der Rechtschreibereform 1996 weit gehend verlernt. Meist trennen sie ihre Sätze so, wie es ihnen passt. Fast wie in Grossbritannien; dort gab es noch nie allgemeine Regeln für den Umgang mit den kleinsten aller Buchstaben.
2004-04-03
„Motorrad-Rocker“ ist für das ZDF wohl der Inbegriff des zweifelhaften Benehmens. Und was kann es für einen wilden Mann in Lederkluft Peinlicheres geben, als im Restaurant den Château Margaux aus dem falschen Glas zu trinken? Nun, noch schlimmer wäre es wahrscheinlich, wenn er das Wort Theater ohne h oder Schifffahrtsmuseum mit der falschen Anzahl von f schriebe. Deshalb lässt der Bildungskanal Sat 1 demnächst Barbara Eligmann als Oberlehrerin antreten in einem Ratespiel zur Rechtschreibung. Dass dieses Thema so populär werden würde, ist eine Überraschung und nur durch den Streit um die Rechtschreibreform zu erklären. Vielleicht war das ja der Trick der Kultusminister. Und wenn die Begeisterung wächst, könnte es ja Rechtschreib-Ligen geben, ähnlich wie beim Fußball, mit spannenden Duellen in großen Hörsälen, SG Orthografie gegen Eintracht Spitzer Griffel.
2004-04-01
Während die schriftsprachlichen Kompetenzen, aber auch die Fähigkeiten zu mündlichem Ausdruck bei vielen Kindern und Jugendlichen immer weiter abnehmen, während studentische Haus- und Examensarbeiten immer unlesbarer werden, lautet die Botschaft aus Mannheim wieder einmal: die deutsche Sprache vertrage eine ganze Menge an Variationen; man solle die Variationsbreite nicht kritisch betrachten; ein normierender Eingriff von außen sei abzulehnen; das sprachliche Ökonomieprinzip werde die Orthographie schon vereinheitlichen; "sauberes Schriftdeutsch" sei kein Maßstab mehr; die Standardsprache sei heute vielmehr eine von Jugend-, Medien- und Computersprachen mitgeprägte gesprochene Sprache.
Auch Deutschlands Schulen würde ein Schwung an Neuauflagen von Unterrichtswerken nicht schaden, die endlich der Rechtschreibreform genügen, in Euro rechnen und neue Grenzen in Europa abbilden.
2004-04

Der Neuregelung ist vorgeworfen worden, in einigen Bereichen zu viel, in anderen hingegen zu wenig Varianz vorzusehen. […] Es gibt unterschiedliche Arten orthografischer Varianz. […] Varianz, die ihre Grundlage im Sprachsystem oder in der Sprachentwicklung hat, lässt sich nicht vermeiden und kann meist auch nicht durch Konventionen zum Verschwinden gebracht werden. Unvermeidbar in einem Regelwerk, das sich primär an die Schule und an die Verwaltung richtet, sind ferner Varianzen, die mit der Komplexität mancher Sachbereiche zusammenhängen. Eine eindeutige, sachgemässe Regelung wäre in solchen Bereichen zwar möglich, ihre Beherrschung wäre aber mit einem unvertretbar hohen Lernaufwand verbunden. In solchen Bereichen sind Konventionen meist zu willkürlich, so dass der Ausweg nur in der Zulassung mehrerer Schreibungen liegen kann. Anders liegt der Fall bei Varianzen, denen Konzessionen an die Tradition oder an uneinheitliche Auffassungen in der Wissenschaft zugrunde liegen. Hier kann die Varianz mittelfristig zugunsten der jeweils systematischeren Schreibungen abgebaut werden.

Diesmal sind es Juristen, die gegen die neue Rechtschreibung ins Feld ziehen, und zwar gewichtige: 50 Professoren der Jurisprudenz fordern in einer Petition die «sofortige Beendigung des Projekts Rechtschreibreform». […] Die Schüler, die mittlerweile während fünf Jahren in die neue Rechtschreibung eingefuchst worden sind — die ihnen so selbstverständlich ist wie den Professoren offenbar die alte —, würden es diesen freilich wohl nicht zu danken wissen.
2004-03-15
Während uns eine Staatskommission die richtige Rechtschreibung vorschreiben will, bleiben ähnliche Versuche beim Umgangsdeutsch schnell auf der Strecke.
2004-03-13
Weil die Euromünzen so wahnsinnig schwer sind und die Hosentaschen vom schweren Portemonnaie (bitte im Falle des Abdrucks diese Schreibweise beibehalten, die Verhunzung dieses Wortes durch die Rechtschreibreform dulde ich nicht!!! Danke!) ausbeulen.
2004-03-12
Es ist erfreulich, zu wissen, daß da noch jemand gegen diesen Wahnsinn Stellung bezieht. Aber bitte werden Sie nun nicht schwach, ein erstes Nachgeben meine ich Ihrer Leitglosse "Späte Erkenntnis" (F.A.Z. vom 6. März) zu entnehmen, die meint, sich auf die Neuregelung der ss/ß-Schreibung einlassen zu können. […] Die alte Regel war so unendlich viel einfacher, als es die neue ist […].
2004-03-11
Wieviel Variation verträgt die deutsche Sprache, wenn noch mit gutem Grund von Standardsprache die Rede sein soll? Die Frage hat das Mannheimer Institut für Deutsche Sprache (IDS) bei seiner 40. Jahrestagung beschäftigt, die an diesem Donnerstag zu Ende geht. […] Weitgehend unbeachtet blieb die Orthographie, obwohl die mit deren Reform eingeführten Varianten den Schreibstandard stark beeinflussen. Der Vizedirektor des IDS, Werner Kallmeyer, begründet dies damit, daß über die Rechtschreibreform in der Öffentlichkeit genügend diskutiert würde; folglich könne man andere Aspekte behandeln, die "viel interessanter" seien. Dem Leiter der Duden-Redaktion, Matthias Wermke, wollte dieser Verzicht nicht ganz einleuchtend erscheinen, was wohl nicht allein der Perspektive des Lexikographen geschuldet ist, der solchen Varianten naturgemäß viel Aufmerksamkeit zu schenken hat. Wermke gab sich zuversichtlich: Das "sprachliche Ökonomieprinzip" werde dafür sorgen, daß sich auf Dauer die Vielfalt an Schreibweisen auf eine praktikable Menge reduziert.
2004-03-10
Die 1617 gegründete Fruchtbringende Gesellschaft leistete frühe Lobbyarbeit für Sprache, Kultur und Wissenschaften. […] In der Fruchtbringenden Gesellschaft gab es darüber eine angeregte Diskussion. Einige Mitglieder vertraten die These, dass man sich bei der Schreibweise nach der Herkunft des Wortes richten solle. Fürst Ludwig hat sich bis zu seinem Tode gegen diese Ansicht gewandt. Der Gebrauch — das was den Leuten vertraut ist — müsse das Regulativ sein. Er war nicht gegen Vereinfachung der Rechtschreibung, aber er wäre ganz scharf demjenigen entgegengetreten, der "Stengel" — so wie jetzt verlangt — mit "ä" hätte schreiben wollen. Diese Geschichtsvergessenheit ist so häufig in Deutschland anzutreffen. Immer wieder muss man dieselben Debatten noch einmal führen.
2004-03-08
Ob der geballte Protest der jüngsten Zeit dazu geführt hat? Die Kultusministerkonferenz (KMK) in Bonn ist den Empfehlungen ihrer Amtschefs nicht gefolgt und hat den 4. Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung überraschenderweise nicht verabschiedet.
2004-03-06
In der Urfassung stellt die Opposition «Krieg» – «Frieden» noch nicht die dominante Konzeption dar. Das russische Wort «mir» weist nämlich grundsätzlich zwei Bedeutungen auf: «Frieden» und «Gemeinschaft», näherhin «nationale Gemeinschaft». In der heutigen Orthographie werden die beiden Bedeutungen nicht mehr unterschieden; vor der Rechtschreibreform des Jahres 1918 schrieb man jedoch «mir» – «Gemeinschaft» mit dem kyrillischen Buchstaben «i». Interessant ist nun, dass Tolstoi im März 1867, also kurz nach Abschluss der Urfassung, seinem Werk mit der entsprechenden Orthographie von «mir» einen Titel gab, den man mit «Krieg und Nation» übersetzen könnte.
Die Konferenz der Kultusminister (KMK) hat in Berlin den vierten Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission zur Rechtschreibreform nicht verabschiedet. […] Statt dessen haben die baden-württembergische Kultusministerin Schavan (CDU) und der brandenburgische Kultusminister Reiche (SPD) ein Gespräch mit Vertretern der Zwischenstaatlichen Kommission und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung geführt […]. Es habe sich gezeigt, daß der Bericht der Kommission auch einige Reformvorschläge der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung aufnehme. […] Ganz unbegründet, so geben selbst die Reformgegner zu, war die Kritik der Zwischenstaatlichen Kommission an der Akademie nicht. Auch ist nach der Berliner Konferenz nicht mehr die Rede davon, der Zwischenstaatlichen Kommission künftig die alleinige Entscheidungsgewalt über Neuerungen zuzubilligen.
[…] ist den Kultusministern doch noch klargeworden, daß ein solches Reformwerk nicht einfach gegen den Willen der sprachbewußten Öffentlichkeit erzwungen werden kann. […] Daß zumindest einige von ihnen heute einsehen, daß die angebliche Schreibvereinfachung unzählige Nuancen und Präzisierungen der deutschen Sprache zu beseitigen droht und das Verstehen von Texten erschwert, wenn nicht unmöglich macht, ist ein Erkenntnisfortschritt, den es zu würdigen gilt. […] Die Zwischenstaatliche Kommission und die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung, die einen Kompromißvorschlag unterbreitet hat, der von Sprachwissenschaftlern und auch von der Kommission vernichtend kritisiert wurde, nun mit der Rettung der verfahrenen Lage zu beauftragen hieße allerdings, die Böcke zu Gärtnern zu machen.
2004-03-04
Wer Recht spricht, braucht auch die richtige Rechtschreibung dazu. Deshalb fordern 50 Professoren, in der Mehrheit Juristen, jetzt die Rückkehr zur alten Rechtschreibung. […] Denn die Rechtschreibreform weise «schwer wiegende Mängel» auf, klagen die Rechtsgelehrten laut der Schweizerischen Depeschenagentur. […] Schwerwiegend oder schwer wiegend — was ist besser und damit richtiger? Der Frage lässt sich ausweichen, etwa einfach mit «schwer».
2004-02-26
«Die Auflösung dieses Gremiums [der Zwischenstaatlichen Kommission] ... tut not. Es hingegen durch Machtzuwachs zu adeln, wäre ein Witz.» Nein. Es wäre keiner […]. Es wäre ein Bubenstreich, ein Skandal, nicht im geringsten weniger grotesk als die Ernennung, mit der Caligula sein Pferd zum Senator machte […].
Manchmal fragen wir uns schon, wie zukunftsorientiert das Wissen ist, das an den Unis im deutschsprachigen Raum gelehrt wird. Insbesondere dann, wenn 50 Professoren nichts Gescheiteres zu tun haben, als die Rückkehr zur alten Rechtschreibung zu fordern.
Die Verfassungsrichter räumen darüber hinaus auch ein, daß es mit der rechtlichen Verbindlichkeit der Rechtschreibreform nicht weit her ist […]. Zumindest volljährige Schüler der oberen Klassen wird niemand zum Gebrauch der reformierten Orthographie zwingen können.
Das war schon nach der reform von 1892/1903 so. Unsereins hat schon in jüngeren jahren die eigennamengrossschreibung angewendet, andere haben dissertationen in fraktur abgeliefert; damals (und hier zu lande) sah man das nicht so verbissen.
2004-02-25
Wie Ihre Zeitung am 30. Januar berichtet, nannte ein Amtschefkommissionsvorsitzender der Kultusministerkonferenz die Rechtschreibungsregelung durch eine zwischenstaatliche Kommission "ungeheuer demokratisch". […] Demokratisch ist eine derartige Rechtschreibungsregelung nämlich keineswegs, dafür aber ungeheuer.
2004-02-24
Mit seiner knappen, kaum zwei Seiten umfassenden Stellungnahme zum vierten Bericht der Kommission, der trotz strengster Geheimhaltung bekannt wurde, erweist sich der Beirat aufs neue als besonders diensteifrig. Er übernimmt sogar die verhüllende Sprache der Kommission, die es nicht wagen darf, alle geplanten Änderungen der Rechtschreibreform als Änderungen zu bezeichnen. […] Man könnte also über den Beirat hinweggehen wie über einen schlechten Witz, aber das wäre ein Fehler. Im Kalkül der Kultusminister spielt er nämlich eine wichtige Rolle. Sie behaupten, in diesem Beirat seien die "professionell Schreibenden" vertreten, also vor allem die Schriftsteller und die Journalisten. Jeder weiß, daß nahezu alle namhaften Schriftsteller und die meisten Journalisten die Rechtschreibreform ablehnen, aber durch ihre Zwangsvertretung im Beirat, vor der sie gar nichts wissen, haben sie ihr zugestimmt. […] Der Beirat ist also eine wichtige Hilfskonstruktion, um die Änderungswünsche und das Machtstreben der Rechtschreibkommission gegen jede Kritik zu immunisieren.
Bis vor kurzem war es gefährlich, von Eliten zu sprechen. Der Zeitgeist war sozial gesonnen und wollte Gleichheit. Hervorragende Leistungen waren ihm verdächtig, Eliten galten ihm als elitär, und das ist bekanntlich ein Schimpfwort. Toll Collect, die Praxisgebühr und die Rechtschreibreform haben jedoch gezeigt, dass es mit "Avanti, Dilettanti!" nicht länger weitergeht. Nun erschallt der Ruf nach Eliten.
2004-02-23
[…] wer oder was aber schützt mich vor Verletzungen meiner Muttersprache, vor Einbußen ihrer Deutlichkeit, vor ästhetischen Verwundungen (Schnellläufer, Stammmutter, Stofffetzen . . .)?
2004-02-21
Mehr als fünfzig Rechtsprofessoren fordern, dass die Rechtschreibreform, die am 1. August 2005 endgültig verbindlich werden soll, sofort beerdigt wird. Irgendwie würde man sich freuen, wenn die Gämse wieder als Gemse am Stengel und nicht mehr am Stängel behende statt behände knabbern kann.
"Wenn die Nachbarn Hinz und Kunz bei einem gemeinsamen Spaziergang auf einem Waldweg eine Geldbörse zusammen finden, so geschieht etwas anderes, als wenn sie sich bei einem nachbarlichen Grenzstreit schließlich zusammenfinden, also den Streit begraben", schrieb der Konstanzer Jurist Bernd Rüthers.
In der tat, ein streit ist etwas anderes als eine geldbörse. Deshalb liefert der jurist den kontext gleich mit. Sprache ohne kontext gibt es nicht, nicht einmal als teoretische überlegung.
In einem Offenen Brief an die Kultusministerkonferenz haben zehn deutsche Akademien einen sofortigen Eingriff in die Rechtschreibreform gefordert. Insbesondere wenden sie sich dagegen, dass künftig die Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung in bestimmten Fällen die alleinige Zuständigkeit für die in Wörterbüchern niedergelegte deutsche Orthografie übernehmen soll.
Die so genannte Rechtschreibreform ist nicht nur eine Kulturschande, sondern auch eine Demokratieschande. Man weiß nicht, was man mehr verachten soll: die Inhalte der Reform oder die Art ihrer staatsstreichartigen Durchsetzung.
Thomas Steinfeld hat aber nicht Recht, wenn er behauptet: Nie waren in modernen Zeiten die Bildungsunterschiede zwischen den Schreibenden so erkennbar, wie sie es heute sind. Nicht Bildungsunterschiede zeigen sich, sondern wer sich mit der Rechtschreibreform eingehend befasst hat und wer sich nur oberflächlich informiert hat. Man sollte endlich zu der Einsicht kommen, dass Rechtschreibung etwas Gemachtes ist, das auch verändert werden kann, dass man bei jeder Festlegung irgendwelche Kröten schlucken muss, dass man aber nicht die neue Rechtschreibung aus der Erwartungshaltung beurteilen darf, die man mit der alten gelernt und verinnerlicht hat.
Der Vorgang als Ganzes droht der vielleicht undemokratischste Vorgang in der Geschichte der Bundesrepublik zu werden, obwohl das Thema geradezu absurd ist. Daran sind paradoxerweise nicht allein die Urheber schuld, sondern daran hat auch die Bevölkerung ihren Anteil: Hätte jeder den Mut, auch in der Öffentlichkeit so zu schreiben oder schreiben zu lassen, wie er es für richtig hält, hätten wir das Problem längst vom Hals […].
Genau, und für richtig halten wir bekanntlich die eigennamengrossschreibung.
Mit schöner Regelmäßigkeit macht die SZ die Rechtschreibreform zum Thema. Dabei fällt auf, dass es zwei erklärte Gegner der Reform sind, denen hier die Möglichkeit gegeben wird, ihre Standpunkte zu veröffentlichen. […] Die Regeln werden von den Redakteuren der SZ oft nur halbherzig, häufig sogar falsch angewendet. Hier sind andere Zeitschriften und Zeitungen sehr viel korrekter und damit leserfreundlicher. […] Meine Erfahrungen decken sich auch nicht mit denen, die Steinfeld in seinem Artikel und in seinem Kommentar beschreibt. Die neue Rechtschreibung wird nicht nur an Schulen und wenigen Ämtern praktiziert, sondern inzwischen auch von vielen Firmen und Unternehmen. Für diese ist die Anwendung der neuen Rechtschreibung nicht eine lästige Pflicht, sondern mit einem innovativen und modernen Image in der Kommunikation verbunden.
Ein genauer Blick in den Duden muss sowohl die Lehrer alarmieren als auch die Eltern. Denn nicht nur wird in ganzen Bereichen der von der Reform befallenen „Rechtschreibung“ Unklarheit geschaffen, die dem Lehrer das Korrigieren fast unmöglich macht. Warum zum Beispiel ist laut Duden „vielsagend“ zusammen oder getrennt zu schreiben, „nichtssagend“ dagegen nur getrennt als „nichts sagend“? „Viel versprechend“ gibt es nur in der zweiteiligen Version, und zum „vielversprechenden Künstler“ fehlt einem nun das Wort. Ähnlich geht es einem mit vielen Wörtern, worüber ja die deutschsprachigen Schriftsteller schon seit langem klagen.
2004-02-19
[…] statt sich auf unsere Vorstellungen einzulassen, haben die deutschen Kultusministerien für die Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder in der Bundesrepublik Deutschland (KMK) eine Beschlußvorlage entworfen, die die Urheberin jener Reform, die Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung, ermächtigen soll, unterhalb von "Änderungen von grundsätzlicher Bedeutung" – als Beispiel dafür wird "die Einführung der Kleinschreibung von Substantiven" angegeben – fortan die unmittelbare und alleinige Zuständigkeit für die in Wörterbüchern niedergelegte deutsche Orthographie zu übernehmen. […] Angesichts der bisherigen Arbeitsweise und der bisherigen Arbeitsergebnisse der Kommission halten wir eine solche Ermächtigung nicht nur für bedenklich, wir halten sie für eine Gefahr für Bestand und Entwicklung der deutschen Schriftsprache. […] Die Präsidenten der Akademie der Künste, Berlin-Brandenburg, der Akademie der Wissenschaften in Göttingen, der Akademie der Wissenschaften und der Literatur zu Mainz, der Bayerischen Akademie der Schönen Künste, der Bayerischen Akademie der Wissenschaften, der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, der Nordrhein-Westfälischen Akademie der Wissenschaften, der Sächsischen Akademie der Wissenschaften, der Sächsischen Akademie der Künste
Wenn es um die Muttersprache geht, scheint der Absturz ins Irrationale unvermeidlich. […] Konservative Sprachpuristen, ein querulantischer Lehrer aus Bayern und ein paar Hochschullinguisten befeuern die Pseudodebatte in regelmäßigen Abständen mit an den Haaren herbeigezogenen Beispielen, die die Reform je nachdem als überflüssig oder gefährlich hinstellen. Sollte es, was die Ultras stets suggerieren, um Sein oder Nichtsein des Deutschen gehen, ob wir "grünlich blau" oder "grünlichblau" bzw. "Recht haben" oder "recht haben" schreiben? Den "meisten" (alt) wie den "Meisten" (demnächst) ist das egal, auch wenn einer der Rührigsten unter den Reformkritikern diese Neuerung in ganz alter Theologenmanier als Rückfall in den "vorsintflutlichen Zustand" (Theodor Ickler) beschwört.
Die Deutsche Akademie hat die Mängel der Rechtschreibreform erkannt und einen "Kompromißvorschlag" erarbeitet, mit einem kompromisslosen ß.
2004-02-18
Daß die Frankfurter Allgemeine Zeitung die aberwitzige Entwicklung der Rechtschreibreform weiterhin beharrlich kommentiert, haben viele Leser bisher als Hoffnungszeichen empfunden, daß sich vielleicht doch noch die Einsicht verbreitet, daß der Staat hierbei alle akzeptablen Grenzen überschritten hat. Dies schließt die staatliche Inkompetenz der Schweiz und Österreichs ein.
2004-02-17
Am 1. August 2005 wird, sofern die Politik sich nicht besinnt, die Rechtschreibreform verbindlich […]. Derweil versucht die Reformkommission ihr Werk durch Herumdoktern am System über die Zeit zu retten — vermehrt aber dabei die Schar der Kritiker. […] Die Juristen verlangen die Kündigung der «Wiener Erklärung» von 1996 (was durchaus möglich wäre, denn sie ist kein völkerrechtlich bindender Vertrag) und eine Rückkehr zur alten Orthographie […].
Zudem «könne von den Menschen erwartet werden, dass eine kompliziertere Rechtschreibung beizubehalten sei, wenn sie zum Kulturgut gehört», sagte Manfred Rehbinder […].
Nimmt blödelnd überflüssige Anglizismen auf die Schippe, übersetzt Location-Freelancer mit Penner, dann folgen die Rechtschreibreform heute schreiben wir Cholera wie Kohl-Ära die Fahrraddiscounter, das Dosenpfand, das Auto-Navigationssysteme, […].
2004-02-16
Die Professoren verweisen darauf, daß die meisten Menschen durch die überraschende Einführung der Rechtschreibreform den Eindruck einer demokratisch nicht legitimierten Bevormundung durch die Exekutive gewonnen hätten. Das Bundesverfassungsgericht habe zwar im Blick darauf, daß das neue Regelwerk grundsätzlich keine rechtlichen Wirkungen entfalte, einen Verstoß gegen das Demokratieprinzip nicht angenommen. Dies ändere aber nichts daran, daß die Aktivitäten der Kultusverwaltungen dem Vertrauen in die demokratisch legitimierte Staatsgewalt erheblichen Schaden zugefügt hätten. In einem mehrseitigen Anhang nennen die Rechtswissenschaftler Beispiele für Defizite der Reform.
Wie viele jahrzehnte hätten denn die professoren gebraucht, um die defizite der reform zu untersuchen? Ihre «überraschung» fügt dem vertrauen in die professoren schaden zu.
In ihrer Sachkritik ist der Petition der fünfzig Rechtswissenschaftler gegen die Rechtschreibreform ausnahmslos zuzustimmen. […] Juristen sind auf sprachliche Feinheiten angewiesen, deshalb ist ihre Kritik — ähnlich wie die der Dichter und Schriftsteller — nicht zu unterschätzen.
In der tat, «ähnlich wie die der Dichter und Schriftsteller». Dazu ist auf diesen seiten einiges zu finden, z. b. stellungnahme zu «Willkür in den Worten».
Seinen Einsatz für sprachliche Disziplin und angemessenen Stil machte der glänzende Rhetoriker in seiner ebenso unermüdlichen wie unerbittlichen Kritik an der Rechtschreibreform deutlich.
2004-02-13

Seit Jahren dürfen dubiose Experten im ministeriellen Auftrag wie Elefanten durch den Porzellanladen der deutschen Sprache trampeln und den hinterlassenen Scherbenhaufen als Wunderwerk reformerischer Neuordnung ausgeben. Welcher Kultusminister kann es verantworten, daß das Elefantenrudel mit der Oberaufsicht über die Porzellanläden betraut wird? Welcher Kultusminister will es verantworten können, daß Schüler vom übernächsten Schuljahr an dafür bestraft werden, wenn sie nach dem unversehrten Geschirr verlangen und das mutwillig zerbrochene verschmähen?

Wer die Eigenverantwortung des Bürgers wirklich stärken will, der muß ihm das Gefühl geben, daß er – als Teil des Volkes, von dem laut Grundgesetz alle Staatsgewalt ausgeht – tatsächlich etwas zu sagen hat […]. Er muß dem Bürger das Gefühl geben, verantwortlich mitgestalten zu können, auch durchschauen zu können, was in den entrückten Höhen der Politikerklasse über ihn beschlossen wird, und nicht lähmend umzingelt zu sein von einem Dickicht von Verwaltungsvorschriften, die ihm heute, nach der Rechtschreibreform, sogar verbieten wollen, grammatikalisch richtig zu schreiben.
Welchem (volljährigen) bürger verbieten die politiker in sachen rechtschreibung irgendetwas?

Den größten Wirbel löste die Forderung der Kommission aus, zur letzten Instanz für Rechtschreibfragen erhoben zu werden. Die Öffentlichkeit sollte alle fünf Jahre vor vollendete Tatsachen gestellt werden. "Dieselben selbsternannten 'Experten', die einst hinter verschlossenen Türen durch ein beispiellos mißratenes Reformwerk der deutschen Schriftsprache unübersehbaren Schaden zugefügt und die Einheitlichkeit zerstört haben, wollen in Zukunft nach Lust und Laune darin herumpfuschen", beschreibt die Initiative "Wir gegen die Rechtschreibreform" um den Verleger Matthias Dräger recht treffend das Ansinnen der Kommission.
Vizebürgermeister Gisbert Becker (CSU) verlangte Stellenkürzungen im Landratsamt. Darüber hinaus rechnete er mit der Rechtschreibreform ab, die Millionen Euro gekostet habe.
2004-02-12
Und dann gäbe es ja noch den zivilen Ungehorsam. Wenn die deutschen Verlage und Zeitungsredaktionen dem Beispiel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung folgen würden und einfach wieder richtiges Deutsch schrieben, würde sich der ganze Spuk von selbst erledigen.
2004-02-11
"Zwiebelfisch"-Leser haben zur Kamera gegriffen und die Häkchen-Plage in deutschen Landen dokumentiert. Sehen Sie hier eine Auswahl der katastrophalsten Apostrophierungen, die von Autos, Schildern oder Plakaten prangen, und wählen Sie Ihren Favoriten!
2004-02-10

Der Streit um die Rechtschreibung hat bei Meier tiefe Narben hinterlassen. «Mein Glaube an die Demokratie ist erheblich erschüttert worden», sagt er und findet deutliche Worte: «Ich ärgere mich nicht nur über die schlechte Reform, noch schlimmer ist die Anmaßung unfähiger Minister, über die Sprache bestimmen zu wollen.» Die Sprache habe sich über Jahrhunderte bestens ohne politische Einmischung entwickelt.
Einen schweren Stand hat Rolf Dieter Hasse. Er vertritt den Verlag Klett-Pons, dessen Wörterbücher in Havanna enorm gefragt sind. Hasse jedoch präsentiert nur Ausstellungsexemplare. […] Im nächsten Jahr will der Verlag nun alte Wörterbücher anliefern, die in Deutschland nach der Rechtschreibreform nicht mehr verkäuflich sind.
Nun ist es offensichtlich! Nach kurzer Zeit ist das Gebäude der Rechtschreibreform wieder einmal reparaturbedürftig.
Die hat dazu geführt, dass die Orthografie inzwischen freigegeben ist — und wir uns ungefähr auf dem Orthografie-Status Goethes und Schillers wiederfinden — was ja, bei Lichte betrachtet, vielleicht kein Nachteil sein müsste, wenn wir dazu nur die Goethes hätten . . .
Abgesehen davon, dass eher das gegenteil richtig ist (oder gab es zu Goethes zeit eine rechtschreibkommission?), sehen komma- und gedankenstrichsetzung in diesem beitrag tatsächlich nach freigabe aus.
2004-02-08
Sprache und Schrift sollen der Verständigung dienen, nicht in erster Linie der Selbstverwirklichung. Soeben hat die Kultusminister-Konferenz unter Mitwirkung nordrhein-westfälischer Politiker und Spitzenbeamter die Reform der Rechtschreibreform bekannt gegeben. Das kann uns Leid tun oder auch leid tun. Es ist jedenfalls Schulpraxis.
2004-02-06
Wer morgens die FAZ liest, mit der alten Rechtschreibung, die dort geheimnisvoll die „bewährte Rechtschreibung“ genannt wird[,] und dann zur Süddeutschen greift, mit ihrer nach eigenen Redaktionsregeln modifizierten neuen Rechtschreibung[,] und dann vielleicht noch die taz, mit linientreuer neuer Rechtschreibung, fällt dem überhaupt was auf? Ob achtmal nun mit oder ohne Bindestrich geschrieben wird, groß oder klein, ist das wichtig?
Die Kultusminister wollen die Verantwortung für die Rechtschreibreform nicht mehr aus der Hand geben. […] Die sogenannte Zwischenstaatliche Kommission für deutsche Rechtschreibung hatte vorgeschlagen, ihr die Verantwortung zu übertragen. Bisher besaß die Kommission nur Vorschlagsrecht, in Zukunft hätte sie Änderungen selbständig vornehmen können.
2004-02-05
Die grundlegenden Verbesserungen im Vergleich zur alten Regelung werden allgemein anerkannt, heißt es im vierten Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung […]. Dass diese Behauptung eine Lüge ist, weiß jeder Leser: In weiten Bereichen […] ist die deutsche Orthographie de facto freigegeben. Ein solches Durcheinander hat es seit der ersten Reform zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts nicht gegeben. […] Denn mit ihrem vierten Bericht verbinden sich wieder mehrere tausend Veränderungen der Schriftsprache […]. Die Unsicherheit der Schreibenden wird sich durch die neuesten Veränderungen weiter vergrößern. […] Mit dem vierten Bericht verbindet sich nun allerdings noch etwas Gravierenderes als die neueste Variante der Reform, nämlich das Ansinnen, die Kommission von ihrer Aufsicht durch die Kultusministerien zu befreien und sie zur zentralen Anlauf- und Schlichtungsstelle für Probleme der Orthografie zu erklären.
Der vierte Bericht der Zwischenstaatlichen Kommisson für deutsche Rechtschreibung ist unveröffentlicht, enthält aber vieles, was die Öffentlichkeit interessieren muß. Zum einen geht es um die Ermächtigung der Kommission, künftig nicht nur Vorschläge für weitere Eingriffe in die deutsche Orthographie zu unterbreiten, sondern solche Eingriffe jederzeit auf eigene Verantwortung vornehmen zu können. […] Von den 12 500 Wörtern der amtlichen Liste waren bisher rund 1030 durch ein Sternchen als reformbetroffen gekennzeichnet, also rund acht Prozent des Wortschatzes (mit Silbentrennung etwa 15 bis 18 Prozent). Die neuen Vorschläge verändern wiederum zwei bis drei Prozent der Wörterbucheinträge. Folgenreicher ist, daß inzwischen so gut wie niemand mehr weiß, wo es Veränderungen gegeben hat oder bald geben wird und warum das alles sein muß.
Freilich muss auch gesagt werden, dass sich jede systematische Orthografie in Widersprüche verstrickt; weil Sprache nun einmal nicht vollständig systematisch ist. Auf der sicheren Seite sind nur rein phonetische Systeme (wie im Italienischen oder Portugiesischen); dann müsste man sich allerdings entscheiden, ob man lieber Hühnerai oder Keiser schreibt. Die Reform hat, indem sie den Blick für solche Kalamitäten schärfte, der Rechtschreibung die Autorität genommen. […] Wunderbarerweise ist damit nur ein Zustand erreicht, den in den siebziger Jahren, als die Reformdebatte begann, ein kluger Germanist empfohlen hatte: auf die Lösung verzwickter Einzelfälle zu verzichten und nur das Gros der Schreibweisen festzulegen. Mit einigen wenigen Regeln lassen sich nämlich neunzig Prozent aller Wörter erfassen; den Rest, hieß es damals, könne man getrost freilassen. So ist es gekommen. Jetzt müssen sich nur noch die Schulen an die neue Toleranz gewöhnen.
2004-02-04
Die Böcke wollen Gärtner werden: So muss muss man wohl die jetzt bekannt gewordenen Ambitionen der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung kommentieren. Wenn am 31. Juli 2005 die Übergangsfrist endet […], dann soll nicht nur das missratene und bereits stillschweigend modifizierte Reformwerk in Schulen und Amtsstuben endgültig verbindlich sein. Obendrein wünscht sich die Kommission grössere Machtfülle. […] Die Auflösung oder zumindest Neubesetzung dieses Gremiums tut not. Es hingegen durch Machtzuwachs zu adeln, wäre ein Witz.
Siehe stellungnahme.
Bis dahin schaffte es nur der Berliner Verein für deutsche Rechtschreibung und Sprachpflege. Beim Versuch, die Rechtschreibreform zu kippen, scheiterte er aber. Nur 108000 Bürger forderten den Volksentscheid. Etwa 250000 (zehn Prozent der Wahlberechtigten) hätten es sein müssen.
2004-02-03
In der Tat wird die Rückkehr zu bewährten Schreibungen um jeden Preis vermieden, statt dessen von Varianten gesprochen, die so abenteuerlich aussehen können wie „das 8-Fache“. Zugelassen bleibt aber auch „das 8fache“ oder „das Achtfache“.

Die zwölf Halbweisen der Zwischenstaatlichen Kommission haben die Vorschläge ausgearbeitet. […] Die jetzt angekündigten „Anpassungen“ sorgen erneut für Unmut. Es gehe mitnichten um leichte Variationen, so Theodor Ickler, Oberkritiker der Rechtschreibreform […]. Künftig soll die Zwischenstaatliche Kommission allein über die deutschen Rechtschreibregeln befinden dürfen, ohne politische Kontrolle. […] Die Kommission ist weder demokratisch legitimiert, noch hat sie durch ihr Treiben bisher von ihrer Qualifikation überzeugt.

Die schleichende Revision, die mit jeder Duden-Ausgabe einhergeht, wird mit den jüngsten Vorschlägen offensichtlich. Was 1996 als Regulierung der deutschen Rechtschreibung geplant war, gerät zur Deregulierung. Die Halbherzigkeiten werden immer halbherziger. Die Kommission muss den Begriff Wahlfreiheit falsch verstanden haben. So war das nicht gemeint!
Der kontinuierliche Strom geistiger Diarrhö, der sich als Ausfluss in der Sache überflüssiger Schlechtschreibreformen seit Jahren über den deutschsprachigen Raum ergießt, ist doch letztlich ein Glücksfall für die Freiheit. Was ist denn so schlecht an der faktischen Deregulierung der Rechtschreibung? […] Und im Ergebnis ermöglicht es eine weitere Stratifizierung der Gesellschaft in ganz neuartige Soziolekte: Schon jetzt kann man auf Anhieb zwischen obrigkeitshörigen Trotteln auf der einen und ihrer eigenen Sprache noch mächtigen, freien Bürgern auf der anderen Seite unterscheiden.
Thomas Steinfeld scheint für eine andere Zeitung denn die SZ zu arbeiten, wenn er feststellt, dass die neue Rechtschreibung kaum praktiziert werde, gehört diese Zeitung doch zu den hervorragenden Apologeten eben dieser Schreibung. Dabei zählt sie zu den Anhängern der Mischformen, die sich dadurch auszeichnen, dass sie weder die alten noch die neuen und auch nicht die eigenen Regeln einhalten.
2004-02-02
Und wieder ist eine Debatte um die Rechtschreibreform entbrannt. Es ist die ungefähr 117. von allen und nicht die letzte. […] Nun also wird wieder ein bisschen zurückgerudert (zurück gerudert?). Wer fortan gutes Deutsch lernen, lehren und schreiben soll, kann einem angesichts der immer grösser werdenden Verwirrung leid tun (leidtun? Leid tun?).
Bislang hat man den Kultusministern alle zwei Jahre Bericht erstattet, künftig möchte man dies nur alle fünf Jahre tun. Weiter schlägt die Kommission vor, zur letzten Instanz in Fragen der Rechtschreibung zu werden. Bislang besaß die Kommission lediglich ein Vorschlagsrecht, alle Entscheidungen wurden von den Kultusministern getroffen, die sich der lästigen Kontrollpflicht nun aber wohl entledigen wollen. Die Befassung mit Sprachregelung, heißt es in der Vorlage, führe zu einer "Überlastung der Politik mit Fragen, die einer politischen Bewertung nicht zugänglich und allein fachlich zu entscheiden sind". Die Kommission möchte ihre Ruhe und dürfte sie von den Kultusministern mutmaßlich auch erhalten. Diese Vorgehensweise macht die Rechtschreibreform endgültig zu einer skurrilen Verwaltungsposse, indem sich ihre Verwalter nahezu jeder demokratischen Kontrolle entledigen.
2004-02-01
Ökonomisch argumentiert ist das Erlernen der Orthografie so sinnvoll wie die Fähigkeit, aus trockenem Holz Feuer zu schlagen […]. Jetzt soll also noch mal nachjustiert werden: Wen aber interessiert das noch, außer die Funktionäre, die sich damit Beschäftigung verschaffen?
2004-02
Die Reformer haben in unseren Wortschatz eingegriffen. […] Wem die lebendige Sprache ein Anliegen ist, der muß sich gegen die Reform stellen.
Konnte sich früher ein schwächerer Schüler darauf verlassen, im Duden oder mit Hilfe seines Rechtschreibprogramms eine sinnvolle Trennstelle zu finden, so kann er heute entweder Atmo-sphäre oder auch – der Wortstruktur zuwiderlaufend – Atmos-phäre trennen – und damit sowohl regelkonform schreiben als auch seine Unkenntnis der Zusammenhänge demonstrieren.
«Atmos-phäre» gab es nur anfänglich bei wahrig und in den duden-zwischenauflagen 22 und 23. In kenntnis der zusammenhänge plädieren wir für «atmos-färe».
Sprachen sind genauso wie Märkte als spontane Ordnungen nicht das Ergebnis menschlichen Entwurfs, wohl aber menschlicher Handlungen. Der Sprachwissenschafter Rudi Keller nennt Sprache in Anlehnung an Hayek ein «Phänomen der dritten Art», das weder künstlich noch natürlich ist. […] Sprache ist somit eine kollektive Ordnung und ein evolutionäres System, das stetem Wandel unterliegt und organisch gewachsen ist. Ein Ziel kennen evolutionäre Prozesse jedoch nicht. Und gleiches gilt für die Rechtschreibung als Teil der Sprache.
Der denkfehler kommt im letzten satz zum ausdruck: die gleichsetzung von sprache und schreibung. 1. Die deutsche rechtschreibung ist nicht in jeder hinsicht teil der deutschen sprache. 2. Die rechtschreibung ist das ergebnis menschlichen entwurfs, und sie hat ein ziel: die buchstabenschrift.
Angesichts der Tatsache, daß wir offenbar wieder einmal nicht in der Lage sind, uns aus eigener Kraft von verderblichen, ideologisch gefärbten politischen Bestrebungen zu befreien, ist es tröstlich und erfreulich, aber auch wieder beschämend, daß wir inzwischen vor allem auf Widerstand gegen die «Missstand-Schreibung» aus dem Ausland hoffen müssen. Vielleicht werden also ausländische Autoren mit ihrem Protest gegen die «Rechtschreibreform» erreichen, was deutschen Schriftstellern bisher nicht gelungen ist.
Vielleicht kommt hilfe vom Mars.
Die im Druck- und Verlagswesen Tätigen – also die Hauptbetroffenen – wurden bei der Erarbeitung der Reform geflissentlich ferngehalten und alle ihre Warnungen in den Wind geschlagen. […] Sie müssen sich mit drei Schreibvarianten herumschlagen: mit der alten Orthographie (die viele Autoren weiterhin verlangen), der offiziellen neuen Duden-Schreibung sowie deren Variante gemäß dem Duden-Praxiswörterbuch […].
Und leider viel zu wenig mit einer vierten: substantivkleinschreibung.
2004-01-31
Es ist ein Skandal, dass diese Kommission immer noch im Amt ist und weiter im Geheimen an der deutschen Sprache herumfummelt, sagt der Deutschlehrer aus Weilheim. […] Kultusministeriumssprecher Thomas Höhenleitner sagte, die neuen Vorschläge setzten die bisherige Regelung nicht außer Kraft. Sie ließen vielmehr in einigen Zweifelsfällen weitere Varianten zu. Damit werde man dem diffizilen System der deutschen Sprache gerecht. Gleichzeitig betonte der Ministeriumssprecher, dass die bayerischen Schüler mit der Umstellung auf die neuen Regeln gut zurechtgekommen seien.
Die Nachricht, dass mit dem vierten Bericht der Kommission für die Reform der deutschen Rechtschreibung wiederum Änderungen an der deutschen Schriftsprache verbunden sein werden (siehe SZ vom 29. Januar), hat in der deutschen Öffentlichkeit großen Unwillen und Verärgerung ausgelöst.
2004-01-30
Nach dem gegenwärtigen Stand der Rechtschreibereform handelt es sich bei «Tempo» um eine Materialie, in die man schnäuzt. Offensichtlich ist es der Reform darum gegangen, uns, die wir uns früher geschneuzt haben, darauf hinzuweisen, dass final in den Schnauz gelangt, was wir nicht schneuzen; also schnäuzen wir.

Mit „ss“ statt „ß“ kann man leben, mit der unsinnigen „behänden Gämse“ auch und zur Not sogar mit den absurden Dreifachkonsonanten. Mit der Aushebelung der Grammatik, mit der Rückgängigmachung von Wortbildungsprozessen, mit der Einebnung von Bedeutungsunterscheidungen, also der Entdifferenzierung der Sprache kann eine Kulturnation nicht leben.
[…] zwölf Apostel, die bislang in Anbindung an die Kultusministerkonferenz eine Botschaft in die deutschsprachige Welt hinaustragen. Jetzt will sich die Kommission dieser Aufgabe völlig losgelöst von irgendwelchen lästigen Rückbindungen widmen können, Ergebnisse sollen nur noch alle fünf Jahre berichtet werden. Dieser absonderliche Plan […] führt den Gedanken der beratenden Kommissionsarbeit endgültig ad absurdum — und sorgt auf seiten derjenigen, die zuallererst mit der deutschen Sprache umgehen, für Bestürzung. Der Lyriker Reiner Kunze […] hat sich jetzt mit einem offenen Brief quasi auf die Barrikaden begeben. […] Die eminent politische Frage nach dem Umgang mit der Sprache wird nach Enzensbergers Beobachtung "hinter verschlossenen Türen abgehandelt — wie zu Metternichs Zeiten". […] Die Berliner Schriftstellerin Monika Maron fühlt sich durch die "Entscheidungsherrlichkeit" der Kommission gar an DDR-Zeiten erinnert […]. Siegfried Lenz, von Beginn an scharfer Gegner der Rechtschreibreform, quittiert die Angelegenheit mit einer gewissen Fassungslosigkeit.
Doch stets wenn die Kommission einen Zwischenbericht vorlegte, erhoben sich die Gegner mit dem Erlanger Linguisten Theodor Ickler an der Spitze und proklamierten den Untergang des Abendlandes. Jetzt kursiert eine Vorlage für eine unter Umständen entscheidende Sitzung am kommenden Donnerstag durch die Kultusministerien, und die Feuilletons der deutschen Großblätter wittern Verrat. Die "Süddeutsche" bezeichnet die Kommission gar als "obskuren Kader", der sich selbständig machen möchte, "als bräuchte dieses Land eine Sonderbehörde für Rechtschreibung mit nahezu geheimdienstlichen Kompetenzen".
Wenn in kommenden Jahrhunderten einmal ein Synonym für eine fatale Pattsituation gesucht wird, braucht man nur ein Wort seufzen: Rechtschreibreform.
Auf Unverständnis stößt bei Kritikern die Tatsache, dass die Kultusministerkonferenz Einwände aus den Reihen der Wissenschaft überhört: "Die Vorlage geht mit keiner Silbe auf die ablehnenden Voten der deutschen Schriftsteller, den Appell der internationalen Schriftsteller zur Buchmesse 2003, die gemeinsame Erklärung aller deutschen Akademien der Wissenschaften und der schönen Künste im Herbst 2003 oder auf den Kompromissvorschlag der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung ein.
2004-01-29
Die Kommission ist von der KMK damit betraut worden, auf die "Wahrung einer einheitlichen Rechtschreibung im deutschen Sprachraum" hinzuwirken. Diese Aufgabe zu erfüllen ist unmöglich, da die zu Beginn des 20. Jahrhunderts herbeigeführte Einheit der deutschen Orthographie durch die Reform zerstört wurde […]. Was das mangelhafte Regelwerk selbst betrifft, so glaubt die Kommission ihrem Auftrag zur "Wahrung einer einheitlichen Rechtschreibung" durch die Einführung immer neuer Schreibvarianten gerecht zu werden. […] Für die nähere Zukunft fordert die Kommission, weniger einschneidende Änderungen auch ohne vorherige Konsultierung der politischen Gremien beschließen und durchsetzen zu können. Da in der genannten Vorlage nicht definiert ist, welche möglichen Eingriffe "von grundsätzlicher Bedeutung und Tragweite" und damit weiterhin zustimmungspflichtig wären, würde ein entsprechender Beschluß der KMK die Kommission ermächtigen, eine Vielzahl bisher gescheiterter Vorschläge sukzessive einzuführen. Der Weg wäre grundsätzlich frei für "Ältern, Apoteke, Flopp" und "Pitza" […].
Durch die Amtsstuben der Kultusministerien wandert in diesen Tagen eine Entscheidungsvorlage. Sollte die Amtschefkommission Rechtschreibung sie auf ihrer Sitzung am 5. Februar billigen, so wird die deutsche Orthographie wieder einmal auf eine völlig neue Grundlage gestellt. Formell soll das Papier, das dieser Zeitung vorliegt, den vierten Bericht der Zwischenstaatlichen Kommission für deutsche Rechtschreibung absegnen ein Vorgang, der ärgerlich und lästig genug ist, weil er eine große Zahl neuerlicher Änderungen an der Schriftsprache zur Folge haben wird. Institutionell aber werden die Konsequenzen noch gravierender sein: stimmen die Amtschefs zu, dann wird in Zukunft allein die Kommission über Änderungen der Rechtschreibung entscheiden. Bislang benötigte sie dazu immer noch die Zustimmung der Kultus- und Bildungsminister.
2004-01-28
Sollte man in der Beurteilung dieses Wechselbalgs nicht einmal versuchen, nach strafrechtlichen Gesichtspunkten vorzugehen? Der Katalog der in Frage kommenden Tatbestände ist lang und schwerwiegend. Er reicht vom öffentlichen Ärgernis über groben Unfug (zum Beispiel Schlussstrophe, Stofffetzen), Körperverletzung am Sprachkörper der deutschen Sprache, Freiheitsberaubung (Zwang zur Getrenntschreibung), Verschwendung öffentlicher Mittel bis zur Kollektivbeleidigung aller Benutzer der deutschen Schriftsprache.
2004-01-27
Zähneknirschend nahm man es hin, dass im trüben Fahrwasser der Rechtschreibreform mit einem Mal "Helga's Hähncheneck" und "Rudi's Bierschwemme" höchste Ehren erhielten und offiziell sanktioniert wurden. Der von vielen gescholtene so genannte Deppen-Apostroph war über Nacht salonfähig geworden. Nun ja, vielleicht noch nicht salonfähig, aber zumindest imbissbudenfähig. […] "Was habt ihr denn? Ist doch richtig so! Steht sogar im Duden's!" Tatsächlich: dort […] heißt es in Übereinstimmung mit den neuen amtlichen Regeln: "Gelegentlich wird das Genitiv-s zur Verdeutlichung der Grundform des Namens auch durch einen Apostroph abgesetzt." Man beachte die Wortwahl: Gelegentlich. Das klingt wie: "Einige können es eben nicht lassen."
Schluss mit den Apostrophen-Katastrophen! Der "Zwiebelfisch" verrät, wo im Deutschen ein Apostroph gesetzt werden muss, wo man auf ihn verzichten kann und wo er schlichtweg "nicht's" zu suchen hat.
2004-01-26
"Deutschland ist Handballland" — korrekt nach der Rechtschreibreform formuliert, konnte Brand am Freitag schwarz auf weiß auf dem Fan-Transparent lesen[…].
Als zusätzliche Belastung der Lesefreundlichkeit erweist sich die Unterwerfung unter die Rechtschreibreform. Durch die neue Sprachbürokratie entsteht eine lächerliche Zweideutigkeit: Was ist bloß los mit euch verheirateten Männern, ihr gebt den allein Stehenden keine Chance. Entweder gebe man den allein Stehenden Stühle oder stelle sie zumindest etwas näher zueinander! […] Jedes literarische Werk muss vielmehr als Maßstab verstanden werden können und jeder Verlag eine feste Burg zu sein trachten gegen den Verfall des sprachlichen Ausdrucks, zu dessen Zeichen die Rechtschreibreform gehört, die unsere eigenen Literaten verdammen, der aber die fremdsprachigen unterworfen werden.
2004-01-24
Die nächste Rechtschreibreform wird das Werk des Lektors überflüssig machen. Mit dieser Prognose warb Karl-Heinz Zenker (FW) im Gemeinderat für einen Antrag des Arbeitskreises 175 Jahre Hallbergmoos: Die Entscheidung, für die Ortschronik einen Lektor zu bemühen, sollte aufgehoben werden.
2004-01-23
Die Pflege der deutschen Sprache im Ausland das ist die Aufgabe des Goethe-Instituts. Keine leichte Aufgabe, hat das Deutsche doch den Ruf, besonders unpraktisch zu sein. Die Rechtschreibreform hat daran wenig geändert.
2004-01-22
Im Deutschen werden Zahlen anders gesprochen, als sie geschrieben werden. Ein Bochumer Mathematiker will das ändern. Die Empörung war schon da, bevor der Vorschlag überhaupt ausgesprochen war […]. Paulwitz witterte Gefahr: "Es wäre für die deutsche Sprache nur schwer zu verkraften, nach dem Rechtschreibchaos jetzt auch noch ein solches Aussprachechaos zu schaffen!"
2004-01-17
Das bayerische Kultusministerium wirft den protestierenden Lehrern bezüglich des achtklassigen Gymnasiums (G 8) Desinformation vor. Leider ist es umgekehrt. Ich erinnere an die Einführung der Rechtschreibreform. Da machte das Ministerium der Öffentlichkeit weis — und viele haben es geglaubt —, die Rechtschreibfehler der Schüler würden nach Einführung der Reform um 50 Prozent zurückgehen. Das war Propaganda.
2004-01-16
Der Schriftsteller Reiner Kunze ist in diesem Jahr einer der beiden Preisträger der Schweizer "Stiftung für Abendländische Besinnung". […] Kunze wird nach Angaben der Stiftung "für seinen Einsatz gegen die Unvernunft der Eingriffe in Sprache und Rechtschreibung" ausgezeichnet und für seine "ebenso wertvollen wie notwendigen Bemühungen im Umgang mit unserer Sprache und ihrer Schreibweise".

Jedenfalls meldete Oybin gestern „keine Wintersportmöglichkeiten bei 20 cm Nassschnee“. Dank der Rechtschreibreform übrigens wieder ein tolles Wort mit drei s: Nassschnee!
2004-01-07
Weitere knapp hundert Jahre später wird Dudens Werk immer lauter nachgetrauert. Der umstrittenen Reform der Rechtschreibung hat sich unlängst auch die Zeitschrift «Schweizer Monatshefte» gewidmet. Sie argumentiert unter der Regie des St. Galler Reformgegners Stefan Stirnemann durchwegs reformkritisch.
2004-01-03

Niemand, der mit der deutschen Sprache zu tun hat, kommt am Duden vorbei. Pünktlich zum 175. Geburtstag seines Namensgebers, Konrad Duden, am 3. Januar 2004 flammt eine alte Debatte wieder auf: Wie schreibt man richtig? […] Und wie zu Dudens Zeiten wird heftig gestritten über die Sprache - insbesondere seit der Einführung der Rechtschreibreform 1998. "Kein schöneres Geburtstagsgeschenk könnten wir Konrad Duden machen, als das Rechtschreibchaos wieder zu beenden", erklärte der Schriftleiter der Zeitung "Deutsche Sprachwelt", Thomas Paulwitz.
Die Universität "La Sapienza", das Istituto Italiano di Studi Germanici und die Casa di Goethe veranstalten am 6. und 7. Februar gemeinsam einen Kongreß, bei dem es auch um den vermeintlichen Verfall der deutschen Sprache und die inkriminierte Rechtschreibreform gehen soll.
2004-01-01

Während als erwünschter Effekt der Rechtschreibreform avisiert war, die Dehnung und Dopplung von Konsonanten mittels unterschiedlicher Verschriftungen ("ss", "ß") eines Phonems (/s/) zu visualisieren und damit die korrekte Lesung von Lang- und Kurzvokal auch auf Wortebene zu steuern, bestätigen sich eher die unerwünschten Reformwirkungen: Bei den von der Reform betroffenen s-Laut-Wörtern produzieren Kinder aller Klassenstufen signifikant mehr Fehler. […] Mittlerweile ist der untote Buchstabe in der Praxis nämlich endgültig eingesegnet und zu Grabe getragen worden […]. Ob dem Eszett nun ein schneller Buchstaben-Tod vergönnt sein wird? Ob es weiterhin in mattem Siechtum dahinvegetiert? Oder ob es gar irgendwann unter den standing ovations des Publikums eine glänzende, von Pauken und Trompeten begleitete Wiederauferstehung feiert? Ausgang ungewiss.
Nein, ausgang gewiss, auch nicht gewiß. Wenn man die neue rechtschreibung verwendet, um der alten nachzutrauern, ist der ausgang gewiss.
2004-01
Wie Konrad Duden zu einer heutigen Rechtschreibreform stünde, kann man nicht sagen. Gewiß ist allerdings, daß sich der „Vater der deutschen Einheitsschreibung“ mit den derzeit als Folge der „Reform“ zahlreich vorhandenen Hausorthographien nicht anfreunden könnte.
Abgesehen davon, dass man wirklich nicht sagen kann, wie 175-jährige zum heute üblichen stehen, gibt und gab es hausortografien nicht nur wegen der reform.
Wie die erste Vorsitzende des Sprachvereins „Lebendige deutsche Sprache e.V.", Claudia Ludwig, durch unfassende Nachforschungen herausfand, sind die Regeln der neuen deutschen Rechtschreibung für die Kinder nicht zu erlernen. […] Und so müssen die Lehrer nun schlüssig erklären, warum „Kuss, Schluss, groß" und „Straße" den Regeln folgen, „was, bis, plus, Los, Mus“ oder „Preis“ aber nicht. Das können die Lehrer nicht, und deshalb können die Kinder nicht mehr richtig schreiben lernen, wie sehr sie sich auch anstrengen mögen. So steht immer häufiger in den Heften: wass, biss, Zeugniss … […] „Jeder, der einen intensiveren Blick in das Regelwerk der neuen deutschen Rechtschreibung geworfen hat, ist entsetzt zur alten Rechtschreibung zurückgekehrt." Nur den Kindern lasse man keine Wahl. Die müßten sich jetzt mit dem völlig unverständlichen, chaotischen und nicht lernbaren Machwerk der Reformer herumplagen.
Und wie haben die lehrer früher erklärt, warum „was, bis, plus, Los, Mus“ oder „Preis“ der regel nicht folgten, dass man also nicht „waß, biß, pluß, Loß, Muß“ oder „Preiß“ (und „Zeugniß“) schrieb? An der erklärung hat sich nichts geändert!

Hören Sie nicht auf diejenigen, die Ihnen versuchen, Befehle zu erteilen. Testen Sie die Demokratie, indem Sie nict blind gehorchen und die komische und völlig unnötige Rechtschreibreform nict mitmachen!